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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band.

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gen eingestanden, wie von unserem Exminister Frhrn. v. Linden, dem Ge¬
bieter unserer Reactionsepoche, der in Kiel trotz einem Nationalliberalen
toastete. Die Sprache, welche einige der Heimgekehrten an ihre Wähler
führen, ist von so musterhafter Deutlichkeit und erinnert in ihrer Ungezwun¬
genheit wieder so sehr an die schöne Zeit der rothen Plakate, daß man das
angelegentliche Bemühen sieht, sich von jedem etwa angeflogenen Verdacht
einer Besserung aufs sorgfältigste zu reinigen. Auch versichern die Süd¬
deutschen in ihrem officiellen Rechenschaftsbericht ausdrücklich, daß die eigene
Anschauung der Dinge und Personen im Norden sie in ihren Ueberzeugun¬
gen nur befestigt hätte, und noch immer sehen sie in den Verträgen nichts
weiter als eine Garantie für die Selbständigkeit der Südstaaten und für
deren Trennung vom politischen Leben des Nordens.

Allein wenn auch eine Annäherung unserer Schwaben an die nationalen
und freisinnigen Parteien im Norden in keiner Weise stattgefunden hat, so
ist doch die Thatsache, daß sie im Zollparlament überhaupt aushielten, mit¬
beriethen und anstimmten, -- so wie. die Dinge lagen -- nicht zu unter¬
schätzen. Ganz so eigenthümlich, wie man fürchten mußte, haben sie sich doch
nicht erwiesen. Sie waren gewählt als die entschiedensten Feinde nicht blos
des Nordhundes, sondern selbst des Zollparlaments. Wir wollen nicht wieder¬
holen, mit welchen schmeichelhaften Namen sie diese Institution belegt hatten,
bevor sie sich selbst um Sitze in derselben bewarben. Im Anfang war die
Frage, ob sie überhaupt nach Berlin gehen oder mit einem Generalprotest
zu Hause bleiben werden. Es schien wirklich unmöglich, daß Moritz Mohl
in einem Parlament sitze, das der König von Preußen nach seiner Haupt¬
stadt berief. Als sie doch nach Berlin gingen, hieß es, sie würden wenig¬
stens die erste beste Gelegenheit ergreifen, mit einem Protest ihre Mandate
niederzulegen. Protest, Protest! war die Mahnung, die ihnen täglich ihr
Organ nach Berlin zurief. In jedem Falle sollten sie dort eine rein nega¬
tive Haltung einnehmen, gegen alle und jede Vorlage der Regierungen stim¬
men. Nichts von dem allen geschah. Gleich im Beginn kam die über¬
raschende Kunde, daß die erste Vorlage der Regierungen -- es war freilich
nur der Handelsvertrag mit Spanien -- einstimmig angenommen sei, also
auch die Süddeutschen hatten ihre Zustimmung nicht vorenthalten, sie waren
mit bei der Arbeit. Und sie blieben dabei, auch als die Tage kamen, von
denen sie sagen mußten: sie gefallen uns nicht. Sie stimmten nicht nur mit,
sondern sie redeten auch mit, und so lebhaft war ihre Betheiligung an den
Debatten, daß einer der 17 Schwaben es war,.welcher sich das schmückende
Beiwort "der häufigste Redner des Parlaments" erwarb. Bei der Abstim¬
mung über den französischen Handelsvertrag geschah sogar das unerwartete,
daß sie sich spalteten in eine verträgliche und eine unverträgliche Hälfte, und


gen eingestanden, wie von unserem Exminister Frhrn. v. Linden, dem Ge¬
bieter unserer Reactionsepoche, der in Kiel trotz einem Nationalliberalen
toastete. Die Sprache, welche einige der Heimgekehrten an ihre Wähler
führen, ist von so musterhafter Deutlichkeit und erinnert in ihrer Ungezwun¬
genheit wieder so sehr an die schöne Zeit der rothen Plakate, daß man das
angelegentliche Bemühen sieht, sich von jedem etwa angeflogenen Verdacht
einer Besserung aufs sorgfältigste zu reinigen. Auch versichern die Süd¬
deutschen in ihrem officiellen Rechenschaftsbericht ausdrücklich, daß die eigene
Anschauung der Dinge und Personen im Norden sie in ihren Ueberzeugun¬
gen nur befestigt hätte, und noch immer sehen sie in den Verträgen nichts
weiter als eine Garantie für die Selbständigkeit der Südstaaten und für
deren Trennung vom politischen Leben des Nordens.

Allein wenn auch eine Annäherung unserer Schwaben an die nationalen
und freisinnigen Parteien im Norden in keiner Weise stattgefunden hat, so
ist doch die Thatsache, daß sie im Zollparlament überhaupt aushielten, mit¬
beriethen und anstimmten, — so wie. die Dinge lagen — nicht zu unter¬
schätzen. Ganz so eigenthümlich, wie man fürchten mußte, haben sie sich doch
nicht erwiesen. Sie waren gewählt als die entschiedensten Feinde nicht blos
des Nordhundes, sondern selbst des Zollparlaments. Wir wollen nicht wieder¬
holen, mit welchen schmeichelhaften Namen sie diese Institution belegt hatten,
bevor sie sich selbst um Sitze in derselben bewarben. Im Anfang war die
Frage, ob sie überhaupt nach Berlin gehen oder mit einem Generalprotest
zu Hause bleiben werden. Es schien wirklich unmöglich, daß Moritz Mohl
in einem Parlament sitze, das der König von Preußen nach seiner Haupt¬
stadt berief. Als sie doch nach Berlin gingen, hieß es, sie würden wenig¬
stens die erste beste Gelegenheit ergreifen, mit einem Protest ihre Mandate
niederzulegen. Protest, Protest! war die Mahnung, die ihnen täglich ihr
Organ nach Berlin zurief. In jedem Falle sollten sie dort eine rein nega¬
tive Haltung einnehmen, gegen alle und jede Vorlage der Regierungen stim¬
men. Nichts von dem allen geschah. Gleich im Beginn kam die über¬
raschende Kunde, daß die erste Vorlage der Regierungen — es war freilich
nur der Handelsvertrag mit Spanien — einstimmig angenommen sei, also
auch die Süddeutschen hatten ihre Zustimmung nicht vorenthalten, sie waren
mit bei der Arbeit. Und sie blieben dabei, auch als die Tage kamen, von
denen sie sagen mußten: sie gefallen uns nicht. Sie stimmten nicht nur mit,
sondern sie redeten auch mit, und so lebhaft war ihre Betheiligung an den
Debatten, daß einer der 17 Schwaben es war,.welcher sich das schmückende
Beiwort „der häufigste Redner des Parlaments" erwarb. Bei der Abstim¬
mung über den französischen Handelsvertrag geschah sogar das unerwartete,
daß sie sich spalteten in eine verträgliche und eine unverträgliche Hälfte, und


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[0468] gen eingestanden, wie von unserem Exminister Frhrn. v. Linden, dem Ge¬ bieter unserer Reactionsepoche, der in Kiel trotz einem Nationalliberalen toastete. Die Sprache, welche einige der Heimgekehrten an ihre Wähler führen, ist von so musterhafter Deutlichkeit und erinnert in ihrer Ungezwun¬ genheit wieder so sehr an die schöne Zeit der rothen Plakate, daß man das angelegentliche Bemühen sieht, sich von jedem etwa angeflogenen Verdacht einer Besserung aufs sorgfältigste zu reinigen. Auch versichern die Süd¬ deutschen in ihrem officiellen Rechenschaftsbericht ausdrücklich, daß die eigene Anschauung der Dinge und Personen im Norden sie in ihren Ueberzeugun¬ gen nur befestigt hätte, und noch immer sehen sie in den Verträgen nichts weiter als eine Garantie für die Selbständigkeit der Südstaaten und für deren Trennung vom politischen Leben des Nordens. Allein wenn auch eine Annäherung unserer Schwaben an die nationalen und freisinnigen Parteien im Norden in keiner Weise stattgefunden hat, so ist doch die Thatsache, daß sie im Zollparlament überhaupt aushielten, mit¬ beriethen und anstimmten, — so wie. die Dinge lagen — nicht zu unter¬ schätzen. Ganz so eigenthümlich, wie man fürchten mußte, haben sie sich doch nicht erwiesen. Sie waren gewählt als die entschiedensten Feinde nicht blos des Nordhundes, sondern selbst des Zollparlaments. Wir wollen nicht wieder¬ holen, mit welchen schmeichelhaften Namen sie diese Institution belegt hatten, bevor sie sich selbst um Sitze in derselben bewarben. Im Anfang war die Frage, ob sie überhaupt nach Berlin gehen oder mit einem Generalprotest zu Hause bleiben werden. Es schien wirklich unmöglich, daß Moritz Mohl in einem Parlament sitze, das der König von Preußen nach seiner Haupt¬ stadt berief. Als sie doch nach Berlin gingen, hieß es, sie würden wenig¬ stens die erste beste Gelegenheit ergreifen, mit einem Protest ihre Mandate niederzulegen. Protest, Protest! war die Mahnung, die ihnen täglich ihr Organ nach Berlin zurief. In jedem Falle sollten sie dort eine rein nega¬ tive Haltung einnehmen, gegen alle und jede Vorlage der Regierungen stim¬ men. Nichts von dem allen geschah. Gleich im Beginn kam die über¬ raschende Kunde, daß die erste Vorlage der Regierungen — es war freilich nur der Handelsvertrag mit Spanien — einstimmig angenommen sei, also auch die Süddeutschen hatten ihre Zustimmung nicht vorenthalten, sie waren mit bei der Arbeit. Und sie blieben dabei, auch als die Tage kamen, von denen sie sagen mußten: sie gefallen uns nicht. Sie stimmten nicht nur mit, sondern sie redeten auch mit, und so lebhaft war ihre Betheiligung an den Debatten, daß einer der 17 Schwaben es war,.welcher sich das schmückende Beiwort „der häufigste Redner des Parlaments" erwarb. Bei der Abstim¬ mung über den französischen Handelsvertrag geschah sogar das unerwartete, daß sie sich spalteten in eine verträgliche und eine unverträgliche Hälfte, und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_362043/468>, abgerufen am 15.01.2025.