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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band.

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eine Umschaffung von Eckernförde (der kleinen Stadt, die durch das unglaub¬
lich glückliche Gefecht deutscher Küstenartillerie gegen ein dänisches Geschwa¬
der am 5. April 1849 berühmten Namen hat), zu einem befestigten Marinedepot
von Kriegsmaterial nöthig ist, das wegen der Nähe Kiels nicht einmal ein
Dock zu haben braucht, falls der Nordseecanal, wie wir wünschen, eine süd¬
lichere Mündung erhält.




Frankreich und der Friede.

Es war wenige Wochen vor Eröffnung des Zollparlaments, als Kaiser
Napoleon an das auswärtige Amt in London die Zumuthung richtete, sich
mit Frankreich zu einem Protest gegen die Uebergriffe Preußens in Süd¬
deutschland zu vereinigen. Dem Kaiser wurde durch Lord Stanley die Ant¬
wort, daß England keine Veranlassung habe, sich in die heimischen Angelegen¬
heiten Deutschlands zu mischen. Die wackere Antwort soll dem englischen
Minister bei uns unvergessen sein. Jener Schritt des französischen Kaisers
aber war deshalb so bedeutsam, weil er dadurch, soviel bekannt, zum ersten¬
mal gegen eine auswärtige Macht die Zurückhaltung aufgegeben hat, wo¬
mit er seit einem Jahr die Geschäfte des preußischen Bundesstaats betrach¬
tete. Hatte er sich Fum Protest entschlossen, so wußte er auch, daß Krieg
für ihn die unvermeidliche Consequenz desselben war. Damals schwebte durch
einige Wochen die Kriegsgefahr drohender über Europa, als in den Tagen
der luxemburger Affaire.

Jener Refus des Kaisers blieb nicht unbekannt, aber er wurde kaum
in der Presse besprochen. Als das Journal des Debats, falsch unterrichtet
oder absichtlich getäuscht, vor kurzem von einem Protest erzählte, den Eng¬
land bei der preußischen Regierung eingelegt habe, da stellte dies Blatt das
Sachverhältniß auf den Kopf, England hatte nicht protestirt. sondern die
-Theilnahme an einer Intervention kurz und entschieden abgelehnt.

" Wenn aber auch die öffentliche Meinung Deutschlands durch die Vor¬
gange in den Cabinetten einmal weniger beunruhigt wurde als sonst wohl
geschieht, so läßt sich doch erkennen, daß dem Präsidium des norddeutschen
-oundes das volle Bewußtsein der Kriegsgefahr lebendig war. Mit großem
Geschick wußte Graf Bismarck im Zollparlament den deutschen Stolz zu be¬
tonen und die Andeutungen eines Süddeutschen über mögliche Einmischung
des Auslandes als unwürdig zurückzuweisen, während die Thronreden vom
Anfang bis zu Ende klug darauf berechnet waren, Frankreich jeden Vor¬
wand zur Einmischung zu nehmen, indem sie die Vertragstreue Preußens,
die Souverainetät, die freundliche Mitwirkung und unabhängige Bundesge-
"ossenschaft der deutschen Fürsten hervorhoben.en

^" Seitdem haben die Resultate des Zollparlaments, wie wir annehm
dürfen, wenigstens für die nächsten Monate die Gefahr eines Krieges mit
Frankreich beseitigt. Und wir Deutsche haben den Preis für die Fortdauer
des Friedens bezahlt. Denn es ist Frankreich gelungen, durch seine Ner-
vundeten im deutschen Zollparlament selbst zu constatiren, daß die Majorität
^r durch das allgemeine Wahlrecht Deputirten, ebenso wie drei unter vier
Regierungen einen engern Anschluß an den Nordbund nicht wollen, daß sie
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eine Umschaffung von Eckernförde (der kleinen Stadt, die durch das unglaub¬
lich glückliche Gefecht deutscher Küstenartillerie gegen ein dänisches Geschwa¬
der am 5. April 1849 berühmten Namen hat), zu einem befestigten Marinedepot
von Kriegsmaterial nöthig ist, das wegen der Nähe Kiels nicht einmal ein
Dock zu haben braucht, falls der Nordseecanal, wie wir wünschen, eine süd¬
lichere Mündung erhält.




Frankreich und der Friede.

Es war wenige Wochen vor Eröffnung des Zollparlaments, als Kaiser
Napoleon an das auswärtige Amt in London die Zumuthung richtete, sich
mit Frankreich zu einem Protest gegen die Uebergriffe Preußens in Süd¬
deutschland zu vereinigen. Dem Kaiser wurde durch Lord Stanley die Ant¬
wort, daß England keine Veranlassung habe, sich in die heimischen Angelegen¬
heiten Deutschlands zu mischen. Die wackere Antwort soll dem englischen
Minister bei uns unvergessen sein. Jener Schritt des französischen Kaisers
aber war deshalb so bedeutsam, weil er dadurch, soviel bekannt, zum ersten¬
mal gegen eine auswärtige Macht die Zurückhaltung aufgegeben hat, wo¬
mit er seit einem Jahr die Geschäfte des preußischen Bundesstaats betrach¬
tete. Hatte er sich Fum Protest entschlossen, so wußte er auch, daß Krieg
für ihn die unvermeidliche Consequenz desselben war. Damals schwebte durch
einige Wochen die Kriegsgefahr drohender über Europa, als in den Tagen
der luxemburger Affaire.

Jener Refus des Kaisers blieb nicht unbekannt, aber er wurde kaum
in der Presse besprochen. Als das Journal des Debats, falsch unterrichtet
oder absichtlich getäuscht, vor kurzem von einem Protest erzählte, den Eng¬
land bei der preußischen Regierung eingelegt habe, da stellte dies Blatt das
Sachverhältniß auf den Kopf, England hatte nicht protestirt. sondern die
-Theilnahme an einer Intervention kurz und entschieden abgelehnt.

„ Wenn aber auch die öffentliche Meinung Deutschlands durch die Vor¬
gange in den Cabinetten einmal weniger beunruhigt wurde als sonst wohl
geschieht, so läßt sich doch erkennen, daß dem Präsidium des norddeutschen
-oundes das volle Bewußtsein der Kriegsgefahr lebendig war. Mit großem
Geschick wußte Graf Bismarck im Zollparlament den deutschen Stolz zu be¬
tonen und die Andeutungen eines Süddeutschen über mögliche Einmischung
des Auslandes als unwürdig zurückzuweisen, während die Thronreden vom
Anfang bis zu Ende klug darauf berechnet waren, Frankreich jeden Vor¬
wand zur Einmischung zu nehmen, indem sie die Vertragstreue Preußens,
die Souverainetät, die freundliche Mitwirkung und unabhängige Bundesge-
"ossenschaft der deutschen Fürsten hervorhoben.en

^„ Seitdem haben die Resultate des Zollparlaments, wie wir annehm
dürfen, wenigstens für die nächsten Monate die Gefahr eines Krieges mit
Frankreich beseitigt. Und wir Deutsche haben den Preis für die Fortdauer
des Friedens bezahlt. Denn es ist Frankreich gelungen, durch seine Ner-
vundeten im deutschen Zollparlament selbst zu constatiren, daß die Majorität
^r durch das allgemeine Wahlrecht Deputirten, ebenso wie drei unter vier
Regierungen einen engern Anschluß an den Nordbund nicht wollen, daß sie
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[0439] eine Umschaffung von Eckernförde (der kleinen Stadt, die durch das unglaub¬ lich glückliche Gefecht deutscher Küstenartillerie gegen ein dänisches Geschwa¬ der am 5. April 1849 berühmten Namen hat), zu einem befestigten Marinedepot von Kriegsmaterial nöthig ist, das wegen der Nähe Kiels nicht einmal ein Dock zu haben braucht, falls der Nordseecanal, wie wir wünschen, eine süd¬ lichere Mündung erhält. Frankreich und der Friede. Es war wenige Wochen vor Eröffnung des Zollparlaments, als Kaiser Napoleon an das auswärtige Amt in London die Zumuthung richtete, sich mit Frankreich zu einem Protest gegen die Uebergriffe Preußens in Süd¬ deutschland zu vereinigen. Dem Kaiser wurde durch Lord Stanley die Ant¬ wort, daß England keine Veranlassung habe, sich in die heimischen Angelegen¬ heiten Deutschlands zu mischen. Die wackere Antwort soll dem englischen Minister bei uns unvergessen sein. Jener Schritt des französischen Kaisers aber war deshalb so bedeutsam, weil er dadurch, soviel bekannt, zum ersten¬ mal gegen eine auswärtige Macht die Zurückhaltung aufgegeben hat, wo¬ mit er seit einem Jahr die Geschäfte des preußischen Bundesstaats betrach¬ tete. Hatte er sich Fum Protest entschlossen, so wußte er auch, daß Krieg für ihn die unvermeidliche Consequenz desselben war. Damals schwebte durch einige Wochen die Kriegsgefahr drohender über Europa, als in den Tagen der luxemburger Affaire. Jener Refus des Kaisers blieb nicht unbekannt, aber er wurde kaum in der Presse besprochen. Als das Journal des Debats, falsch unterrichtet oder absichtlich getäuscht, vor kurzem von einem Protest erzählte, den Eng¬ land bei der preußischen Regierung eingelegt habe, da stellte dies Blatt das Sachverhältniß auf den Kopf, England hatte nicht protestirt. sondern die -Theilnahme an einer Intervention kurz und entschieden abgelehnt. „ Wenn aber auch die öffentliche Meinung Deutschlands durch die Vor¬ gange in den Cabinetten einmal weniger beunruhigt wurde als sonst wohl geschieht, so läßt sich doch erkennen, daß dem Präsidium des norddeutschen -oundes das volle Bewußtsein der Kriegsgefahr lebendig war. Mit großem Geschick wußte Graf Bismarck im Zollparlament den deutschen Stolz zu be¬ tonen und die Andeutungen eines Süddeutschen über mögliche Einmischung des Auslandes als unwürdig zurückzuweisen, während die Thronreden vom Anfang bis zu Ende klug darauf berechnet waren, Frankreich jeden Vor¬ wand zur Einmischung zu nehmen, indem sie die Vertragstreue Preußens, die Souverainetät, die freundliche Mitwirkung und unabhängige Bundesge- "ossenschaft der deutschen Fürsten hervorhoben.en ^„ Seitdem haben die Resultate des Zollparlaments, wie wir annehm dürfen, wenigstens für die nächsten Monate die Gefahr eines Krieges mit Frankreich beseitigt. Und wir Deutsche haben den Preis für die Fortdauer des Friedens bezahlt. Denn es ist Frankreich gelungen, durch seine Ner- vundeten im deutschen Zollparlament selbst zu constatiren, daß die Majorität ^r durch das allgemeine Wahlrecht Deputirten, ebenso wie drei unter vier Regierungen einen engern Anschluß an den Nordbund nicht wollen, daß sie " SS

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_362043/439>, abgerufen am 15.01.2025.