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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band.

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Eine anmuthige Festscene des Bäckerhandwerks vergegenwärtigt uns ein
niedliches Erotenbildchen. Vor einer Mühle lagern die kleinen Wesen, um
die Vorbereitungen zum Fest der Patronin des Brodbackens, der Vesta, zu
treffen. Die Blumenguirlande, welche der eine windet, ist wohl für die
Mühle bestimmt, da die dem Geschäfte dienenden Esel bereits bekränzt sind.
Die Humanität der Alten zeigte sich auch in der freundlichen Sitte, die
Hausthiere an Festtagen ruhen zu lassen und gleich den Menschen zu schmücken.
Vielleicht mag hier der erste Ursprung der heutigen römischen Sitte zu suchen
sein, die Zugthiere am Tage des heil. Antonius bekränzt vor die Kirche
dieses Heiligen zu führen und dort segnen zu lassen. "

Die Darstellung des eigentlichen Handwerkslebens könnten wir hiermit
abschließen, doch würde das Bild des Marktverkehrs ohne die folgenden
Scenen nicht vollständig sein. Es fehlt uns vor allem die Schule, welche
uns auf einem der Marktbilder besonders lebhaft vergegenwärtigt wird.
Denn dieselbe öffentlich unter den Arkaden des Markes abzuhalten, war gar
nichts Ungewöhnliches. Auf unserm Bilde steht, gegen die gewöhnliche Sitte
des Alterthums, der Lehrer, der vorschriftsmäßig bärtig ist, vor den sitzen¬
den Schülern. Diese halten ihr Schulbuch aufgerollt auf den Knieen, in
das auch Vorübergehende hineinzusehen sich bemühen. Nebenbei wird eine
strenge Execution vollzogen. Ein fast nackter Knabe, von zwei andern in
schwebender Stellung gehalten, erhält vom Schulmeister mit einem Gerten¬
bündel kräftige Hiebe. Das Vergehen muß schwer gewesen sein; denn ein
andrer bringt frische Gerten herbei, die nach dem Verbrauch der ersten eben¬
falls für den Rücken des Knaben bestimmt scheinen.

Ferner darf die Gruppe Müßiger nicht fehlen, welche die Anzeigen, die
der Prätor auf einer langen Tafel unter den Reiterstatuen hat anbringen
lassen, durchmustert. Das Bild antiken Marktlebens vervollständigt ein Paar
hinter den Säulen Versteck spielender Kinder, endlich ein Individuum der
Zur Belästigung der Reisenden noch immer nicht ausgestorbenen Klasse der
Bettler. In Lumpen gehüllt, mit verwilderten Bart und Haar schleicht der
arme Blinde auf hohen Stab gestützt und von' einem Hunde am Strick ge¬
leitet über den Markt, um die Gabe in Empfang zu nehmen, mit welcher
der Südländer bei vorgeblichen ebensowenig wie bei wirklichem Elend zu
kargen pflegt.

Die eben besprochenen Bilder versetzen uns unmittelbar in das antike
Leben des Südens. Aus vielen analogen Zügen der heutigen Welt erkennen
wir, wie tief die Sitte in der Natur und in der Umgebung des Menschen
Wurzelt. Buntfarbige Tracht, Geräthe, Geberdenspiel, Lebensgewohnheiten,
Feste, Alles, was uns nüchternen Nordländern im warmen Süden so beson¬
ders eigenthümlich erscheint, finden wir zum Theil schon bei den Alten.


Eine anmuthige Festscene des Bäckerhandwerks vergegenwärtigt uns ein
niedliches Erotenbildchen. Vor einer Mühle lagern die kleinen Wesen, um
die Vorbereitungen zum Fest der Patronin des Brodbackens, der Vesta, zu
treffen. Die Blumenguirlande, welche der eine windet, ist wohl für die
Mühle bestimmt, da die dem Geschäfte dienenden Esel bereits bekränzt sind.
Die Humanität der Alten zeigte sich auch in der freundlichen Sitte, die
Hausthiere an Festtagen ruhen zu lassen und gleich den Menschen zu schmücken.
Vielleicht mag hier der erste Ursprung der heutigen römischen Sitte zu suchen
sein, die Zugthiere am Tage des heil. Antonius bekränzt vor die Kirche
dieses Heiligen zu führen und dort segnen zu lassen. »

Die Darstellung des eigentlichen Handwerkslebens könnten wir hiermit
abschließen, doch würde das Bild des Marktverkehrs ohne die folgenden
Scenen nicht vollständig sein. Es fehlt uns vor allem die Schule, welche
uns auf einem der Marktbilder besonders lebhaft vergegenwärtigt wird.
Denn dieselbe öffentlich unter den Arkaden des Markes abzuhalten, war gar
nichts Ungewöhnliches. Auf unserm Bilde steht, gegen die gewöhnliche Sitte
des Alterthums, der Lehrer, der vorschriftsmäßig bärtig ist, vor den sitzen¬
den Schülern. Diese halten ihr Schulbuch aufgerollt auf den Knieen, in
das auch Vorübergehende hineinzusehen sich bemühen. Nebenbei wird eine
strenge Execution vollzogen. Ein fast nackter Knabe, von zwei andern in
schwebender Stellung gehalten, erhält vom Schulmeister mit einem Gerten¬
bündel kräftige Hiebe. Das Vergehen muß schwer gewesen sein; denn ein
andrer bringt frische Gerten herbei, die nach dem Verbrauch der ersten eben¬
falls für den Rücken des Knaben bestimmt scheinen.

Ferner darf die Gruppe Müßiger nicht fehlen, welche die Anzeigen, die
der Prätor auf einer langen Tafel unter den Reiterstatuen hat anbringen
lassen, durchmustert. Das Bild antiken Marktlebens vervollständigt ein Paar
hinter den Säulen Versteck spielender Kinder, endlich ein Individuum der
Zur Belästigung der Reisenden noch immer nicht ausgestorbenen Klasse der
Bettler. In Lumpen gehüllt, mit verwilderten Bart und Haar schleicht der
arme Blinde auf hohen Stab gestützt und von' einem Hunde am Strick ge¬
leitet über den Markt, um die Gabe in Empfang zu nehmen, mit welcher
der Südländer bei vorgeblichen ebensowenig wie bei wirklichem Elend zu
kargen pflegt.

Die eben besprochenen Bilder versetzen uns unmittelbar in das antike
Leben des Südens. Aus vielen analogen Zügen der heutigen Welt erkennen
wir, wie tief die Sitte in der Natur und in der Umgebung des Menschen
Wurzelt. Buntfarbige Tracht, Geräthe, Geberdenspiel, Lebensgewohnheiten,
Feste, Alles, was uns nüchternen Nordländern im warmen Süden so beson¬
ders eigenthümlich erscheint, finden wir zum Theil schon bei den Alten.


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[0395] Eine anmuthige Festscene des Bäckerhandwerks vergegenwärtigt uns ein niedliches Erotenbildchen. Vor einer Mühle lagern die kleinen Wesen, um die Vorbereitungen zum Fest der Patronin des Brodbackens, der Vesta, zu treffen. Die Blumenguirlande, welche der eine windet, ist wohl für die Mühle bestimmt, da die dem Geschäfte dienenden Esel bereits bekränzt sind. Die Humanität der Alten zeigte sich auch in der freundlichen Sitte, die Hausthiere an Festtagen ruhen zu lassen und gleich den Menschen zu schmücken. Vielleicht mag hier der erste Ursprung der heutigen römischen Sitte zu suchen sein, die Zugthiere am Tage des heil. Antonius bekränzt vor die Kirche dieses Heiligen zu führen und dort segnen zu lassen. » Die Darstellung des eigentlichen Handwerkslebens könnten wir hiermit abschließen, doch würde das Bild des Marktverkehrs ohne die folgenden Scenen nicht vollständig sein. Es fehlt uns vor allem die Schule, welche uns auf einem der Marktbilder besonders lebhaft vergegenwärtigt wird. Denn dieselbe öffentlich unter den Arkaden des Markes abzuhalten, war gar nichts Ungewöhnliches. Auf unserm Bilde steht, gegen die gewöhnliche Sitte des Alterthums, der Lehrer, der vorschriftsmäßig bärtig ist, vor den sitzen¬ den Schülern. Diese halten ihr Schulbuch aufgerollt auf den Knieen, in das auch Vorübergehende hineinzusehen sich bemühen. Nebenbei wird eine strenge Execution vollzogen. Ein fast nackter Knabe, von zwei andern in schwebender Stellung gehalten, erhält vom Schulmeister mit einem Gerten¬ bündel kräftige Hiebe. Das Vergehen muß schwer gewesen sein; denn ein andrer bringt frische Gerten herbei, die nach dem Verbrauch der ersten eben¬ falls für den Rücken des Knaben bestimmt scheinen. Ferner darf die Gruppe Müßiger nicht fehlen, welche die Anzeigen, die der Prätor auf einer langen Tafel unter den Reiterstatuen hat anbringen lassen, durchmustert. Das Bild antiken Marktlebens vervollständigt ein Paar hinter den Säulen Versteck spielender Kinder, endlich ein Individuum der Zur Belästigung der Reisenden noch immer nicht ausgestorbenen Klasse der Bettler. In Lumpen gehüllt, mit verwilderten Bart und Haar schleicht der arme Blinde auf hohen Stab gestützt und von' einem Hunde am Strick ge¬ leitet über den Markt, um die Gabe in Empfang zu nehmen, mit welcher der Südländer bei vorgeblichen ebensowenig wie bei wirklichem Elend zu kargen pflegt. Die eben besprochenen Bilder versetzen uns unmittelbar in das antike Leben des Südens. Aus vielen analogen Zügen der heutigen Welt erkennen wir, wie tief die Sitte in der Natur und in der Umgebung des Menschen Wurzelt. Buntfarbige Tracht, Geräthe, Geberdenspiel, Lebensgewohnheiten, Feste, Alles, was uns nüchternen Nordländern im warmen Süden so beson¬ ders eigenthümlich erscheint, finden wir zum Theil schon bei den Alten.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_362043/395>, abgerufen am 15.01.2025.