Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Schmuck von Reiterstatuen geziert ist. Zwei Bilder vergegenwärtigen uns
den Tuchhandel. Das eine stellt mehr eine eigentliche Handlung dar, was
wir aus dem Sitze, auf dem zwei Frauen Platz genommen haben, und den
beiden Verkäufern schließen; das andere Hausirer, die ihr Geschäft aus freier
Hand treiben. Man erkennt deutlich die GeHerde des "ngreifenden Verkäu¬
fers, die strenge Prüfung der Waaren seitens der Käuferin, und Gebot und
Gegengebot beider Theile.

Zwei andere Bilder führen uns in den Laden des Schuhmachers. In
dem einen läßt sich ein Mann von dem davor knieenden Gesellen Maaß
nehmen, während der ältere Meister mit lebhafter Geberdensprache Käufer
herbeizulocken sucht; in dem anderen lassen sich vier sitzende Frauen aus dem
vorhandenen Waarenlager passende Schuhe zeigen. Die Verfertigung der¬
selben lernen wir aus dem artigen Bildchen der an Schuhen arbeitenden
Eroten kennen, das auch durch Overbecks Pompeji außerhalb der Fachkreise
bekannt geworden ist. Die beiden kleinen geflügelten Wesen sitzen am Tisch,
auf dem ein Pfriem, in angestrengter Beschäftigung. Der eine zieht den
Leisten aus dem Schuh, der.andere glättet diesen, indem er die Hand
hineinsteckt. Der geöffnete Schrank sowie die Console an der Wand
zeigen die fertig gewordenen Producte: Stiefelchen, die ohne bis an die
Wade zu reichen die Knöchel bedecken. Nicht uninteressant dürfte es sein
zu erfahren, daß wir einem 1837 in Mainz gemachten Fund eine Anzahl
von Exemplaxen römischer Schuhe verdanken, die man durch eigenthümliche
Behandlung des Leders in ihrer ursprünglichen Form wieder herzustellen
vermochte. Es sind theils Stiefelchen der oben erwähnten Art, theils Soh-
lM, deren Riemen, unseren Schlittschuhen ähnlich, sowohl den Vorderfuß als
den Hinteren über dem Knöchel umschließen, zum Theil mit Nägeln beschlagen;
auch finden sich Doppelsohlen.

Wir eilen bei dem Kesselflicker vorbei, der mit dem Stab in sein Gefäß
schlagend die Festigkeit desselben am Klänge zu zeigen sucht, während der
Käufer die Waare zur Prüfung dem Licht entgegenhält, zum Brodverkäufer.
Es ist eine ganz eigenthümliche Erscheinung, die auch ihre modernen Parallelen
hat, daß gerade die Erzeuger und Verkäufer der allermateriellsten Dinge be¬
sonders auf eine Verewigung ihrer Personen nach dem Tode bedacht gewesen
sind. Die Alten liebten es namentlich, sich zum Schmuck ihres Grabes in
ihrer Beschäftigung abbilden zu lassen. So entsinnen wir uns eines Reliefs
in der Villa Albani, eine Fleischverkäuferin darstellend, die im Begriff ist, eine
Gans zu verkaufen -- ein anderes zeigt die Boutique eines der Inschrift
nach "stets trunkenen" Materialwaarenhändlers, die mit der eines Pizzicaruolo
im heutigen Neapel ungemein viel Aehnlichkeit hat. Das bekannteste Bet-.
spiel ist das Grabmal der Gemahlin des ehrsamen Bäckers und Brodliefe-


49*

Schmuck von Reiterstatuen geziert ist. Zwei Bilder vergegenwärtigen uns
den Tuchhandel. Das eine stellt mehr eine eigentliche Handlung dar, was
wir aus dem Sitze, auf dem zwei Frauen Platz genommen haben, und den
beiden Verkäufern schließen; das andere Hausirer, die ihr Geschäft aus freier
Hand treiben. Man erkennt deutlich die GeHerde des »ngreifenden Verkäu¬
fers, die strenge Prüfung der Waaren seitens der Käuferin, und Gebot und
Gegengebot beider Theile.

Zwei andere Bilder führen uns in den Laden des Schuhmachers. In
dem einen läßt sich ein Mann von dem davor knieenden Gesellen Maaß
nehmen, während der ältere Meister mit lebhafter Geberdensprache Käufer
herbeizulocken sucht; in dem anderen lassen sich vier sitzende Frauen aus dem
vorhandenen Waarenlager passende Schuhe zeigen. Die Verfertigung der¬
selben lernen wir aus dem artigen Bildchen der an Schuhen arbeitenden
Eroten kennen, das auch durch Overbecks Pompeji außerhalb der Fachkreise
bekannt geworden ist. Die beiden kleinen geflügelten Wesen sitzen am Tisch,
auf dem ein Pfriem, in angestrengter Beschäftigung. Der eine zieht den
Leisten aus dem Schuh, der.andere glättet diesen, indem er die Hand
hineinsteckt. Der geöffnete Schrank sowie die Console an der Wand
zeigen die fertig gewordenen Producte: Stiefelchen, die ohne bis an die
Wade zu reichen die Knöchel bedecken. Nicht uninteressant dürfte es sein
zu erfahren, daß wir einem 1837 in Mainz gemachten Fund eine Anzahl
von Exemplaxen römischer Schuhe verdanken, die man durch eigenthümliche
Behandlung des Leders in ihrer ursprünglichen Form wieder herzustellen
vermochte. Es sind theils Stiefelchen der oben erwähnten Art, theils Soh-
lM, deren Riemen, unseren Schlittschuhen ähnlich, sowohl den Vorderfuß als
den Hinteren über dem Knöchel umschließen, zum Theil mit Nägeln beschlagen;
auch finden sich Doppelsohlen.

Wir eilen bei dem Kesselflicker vorbei, der mit dem Stab in sein Gefäß
schlagend die Festigkeit desselben am Klänge zu zeigen sucht, während der
Käufer die Waare zur Prüfung dem Licht entgegenhält, zum Brodverkäufer.
Es ist eine ganz eigenthümliche Erscheinung, die auch ihre modernen Parallelen
hat, daß gerade die Erzeuger und Verkäufer der allermateriellsten Dinge be¬
sonders auf eine Verewigung ihrer Personen nach dem Tode bedacht gewesen
sind. Die Alten liebten es namentlich, sich zum Schmuck ihres Grabes in
ihrer Beschäftigung abbilden zu lassen. So entsinnen wir uns eines Reliefs
in der Villa Albani, eine Fleischverkäuferin darstellend, die im Begriff ist, eine
Gans zu verkaufen — ein anderes zeigt die Boutique eines der Inschrift
nach „stets trunkenen" Materialwaarenhändlers, die mit der eines Pizzicaruolo
im heutigen Neapel ungemein viel Aehnlichkeit hat. Das bekannteste Bet-.
spiel ist das Grabmal der Gemahlin des ehrsamen Bäckers und Brodliefe-


49*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0391" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/117923"/>
          <p xml:id="ID_1214" prev="#ID_1213"> Schmuck von Reiterstatuen geziert ist. Zwei Bilder vergegenwärtigen uns<lb/>
den Tuchhandel. Das eine stellt mehr eine eigentliche Handlung dar, was<lb/>
wir aus dem Sitze, auf dem zwei Frauen Platz genommen haben, und den<lb/>
beiden Verkäufern schließen; das andere Hausirer, die ihr Geschäft aus freier<lb/>
Hand treiben. Man erkennt deutlich die GeHerde des »ngreifenden Verkäu¬<lb/>
fers, die strenge Prüfung der Waaren seitens der Käuferin, und Gebot und<lb/>
Gegengebot beider Theile.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1215"> Zwei andere Bilder führen uns in den Laden des Schuhmachers. In<lb/>
dem einen läßt sich ein Mann von dem davor knieenden Gesellen Maaß<lb/>
nehmen, während der ältere Meister mit lebhafter Geberdensprache Käufer<lb/>
herbeizulocken sucht; in dem anderen lassen sich vier sitzende Frauen aus dem<lb/>
vorhandenen Waarenlager passende Schuhe zeigen. Die Verfertigung der¬<lb/>
selben lernen wir aus dem artigen Bildchen der an Schuhen arbeitenden<lb/>
Eroten kennen, das auch durch Overbecks Pompeji außerhalb der Fachkreise<lb/>
bekannt geworden ist. Die beiden kleinen geflügelten Wesen sitzen am Tisch,<lb/>
auf dem ein Pfriem, in angestrengter Beschäftigung. Der eine zieht den<lb/>
Leisten aus dem Schuh, der.andere glättet diesen, indem er die Hand<lb/>
hineinsteckt. Der geöffnete Schrank sowie die Console an der Wand<lb/>
zeigen die fertig gewordenen Producte: Stiefelchen, die ohne bis an die<lb/>
Wade zu reichen die Knöchel bedecken. Nicht uninteressant dürfte es sein<lb/>
zu erfahren, daß wir einem 1837 in Mainz gemachten Fund eine Anzahl<lb/>
von Exemplaxen römischer Schuhe verdanken, die man durch eigenthümliche<lb/>
Behandlung des Leders in ihrer ursprünglichen Form wieder herzustellen<lb/>
vermochte. Es sind theils Stiefelchen der oben erwähnten Art, theils Soh-<lb/>
lM, deren Riemen, unseren Schlittschuhen ähnlich, sowohl den Vorderfuß als<lb/>
den Hinteren über dem Knöchel umschließen, zum Theil mit Nägeln beschlagen;<lb/>
auch finden sich Doppelsohlen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1216" next="#ID_1217"> Wir eilen bei dem Kesselflicker vorbei, der mit dem Stab in sein Gefäß<lb/>
schlagend die Festigkeit desselben am Klänge zu zeigen sucht, während der<lb/>
Käufer die Waare zur Prüfung dem Licht entgegenhält, zum Brodverkäufer.<lb/>
Es ist eine ganz eigenthümliche Erscheinung, die auch ihre modernen Parallelen<lb/>
hat, daß gerade die Erzeuger und Verkäufer der allermateriellsten Dinge be¬<lb/>
sonders auf eine Verewigung ihrer Personen nach dem Tode bedacht gewesen<lb/>
sind. Die Alten liebten es namentlich, sich zum Schmuck ihres Grabes in<lb/>
ihrer Beschäftigung abbilden zu lassen. So entsinnen wir uns eines Reliefs<lb/>
in der Villa Albani, eine Fleischverkäuferin darstellend, die im Begriff ist, eine<lb/>
Gans zu verkaufen &#x2014; ein anderes zeigt die Boutique eines der Inschrift<lb/>
nach &#x201E;stets trunkenen" Materialwaarenhändlers, die mit der eines Pizzicaruolo<lb/>
im heutigen Neapel ungemein viel Aehnlichkeit hat. Das bekannteste Bet-.<lb/>
spiel ist das Grabmal der Gemahlin des ehrsamen Bäckers und Brodliefe-</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> 49*</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0391] Schmuck von Reiterstatuen geziert ist. Zwei Bilder vergegenwärtigen uns den Tuchhandel. Das eine stellt mehr eine eigentliche Handlung dar, was wir aus dem Sitze, auf dem zwei Frauen Platz genommen haben, und den beiden Verkäufern schließen; das andere Hausirer, die ihr Geschäft aus freier Hand treiben. Man erkennt deutlich die GeHerde des »ngreifenden Verkäu¬ fers, die strenge Prüfung der Waaren seitens der Käuferin, und Gebot und Gegengebot beider Theile. Zwei andere Bilder führen uns in den Laden des Schuhmachers. In dem einen läßt sich ein Mann von dem davor knieenden Gesellen Maaß nehmen, während der ältere Meister mit lebhafter Geberdensprache Käufer herbeizulocken sucht; in dem anderen lassen sich vier sitzende Frauen aus dem vorhandenen Waarenlager passende Schuhe zeigen. Die Verfertigung der¬ selben lernen wir aus dem artigen Bildchen der an Schuhen arbeitenden Eroten kennen, das auch durch Overbecks Pompeji außerhalb der Fachkreise bekannt geworden ist. Die beiden kleinen geflügelten Wesen sitzen am Tisch, auf dem ein Pfriem, in angestrengter Beschäftigung. Der eine zieht den Leisten aus dem Schuh, der.andere glättet diesen, indem er die Hand hineinsteckt. Der geöffnete Schrank sowie die Console an der Wand zeigen die fertig gewordenen Producte: Stiefelchen, die ohne bis an die Wade zu reichen die Knöchel bedecken. Nicht uninteressant dürfte es sein zu erfahren, daß wir einem 1837 in Mainz gemachten Fund eine Anzahl von Exemplaxen römischer Schuhe verdanken, die man durch eigenthümliche Behandlung des Leders in ihrer ursprünglichen Form wieder herzustellen vermochte. Es sind theils Stiefelchen der oben erwähnten Art, theils Soh- lM, deren Riemen, unseren Schlittschuhen ähnlich, sowohl den Vorderfuß als den Hinteren über dem Knöchel umschließen, zum Theil mit Nägeln beschlagen; auch finden sich Doppelsohlen. Wir eilen bei dem Kesselflicker vorbei, der mit dem Stab in sein Gefäß schlagend die Festigkeit desselben am Klänge zu zeigen sucht, während der Käufer die Waare zur Prüfung dem Licht entgegenhält, zum Brodverkäufer. Es ist eine ganz eigenthümliche Erscheinung, die auch ihre modernen Parallelen hat, daß gerade die Erzeuger und Verkäufer der allermateriellsten Dinge be¬ sonders auf eine Verewigung ihrer Personen nach dem Tode bedacht gewesen sind. Die Alten liebten es namentlich, sich zum Schmuck ihres Grabes in ihrer Beschäftigung abbilden zu lassen. So entsinnen wir uns eines Reliefs in der Villa Albani, eine Fleischverkäuferin darstellend, die im Begriff ist, eine Gans zu verkaufen — ein anderes zeigt die Boutique eines der Inschrift nach „stets trunkenen" Materialwaarenhändlers, die mit der eines Pizzicaruolo im heutigen Neapel ungemein viel Aehnlichkeit hat. Das bekannteste Bet-. spiel ist das Grabmal der Gemahlin des ehrsamen Bäckers und Brodliefe- 49*

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_362043
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_362043/391
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_362043/391>, abgerufen am 16.01.2025.