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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band.

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gewesen war. Hatten sich schon bei Marathon Handwerker aus der Klasse
der Thetes im Kampf ausgezeichnet, so machte die Begründung der Flotte
ihre Dienste geradezu unentbehrlich. In Anerkennung, der bei Salamis bewie¬
senen Tapferkeit setzte der aristocratisch gesinnte Aristides selbst die vierte
Klasse in politischen Rechten den höheren Volksklassen gleich, indem er die
Mitglieder derselben zu Aemtern zuließ. Sie war ein Factor geworden,
mit dem fortan der Staatsmann rechnen mußte.

Suchten die älteren Staatsleiter sich die Gunst der Aermeren durch
Preisgabe ihrer Privatmittel zu erwerben, so benutzten die späteren
Staatsmänner Staatsmittel zu diesem Zweck. Aus diesen gewährten sie
ihnen Entschädigung für Versäumniß der Arbeit während des Besuchs der
Volksversammlungen, verschafften ihnen Einkünfte als Beisitzer des Ge¬
schworenengerichts, ermöglichten ihnen an Festtagen den Besuch des Theaters
durch Zahlung des Eintrittsgeldes und vertheilten sogar Ländereien ausstän¬
discher Bundesgenossen unter sie. Solche vom Staat gewährte Unterstützungen
konnten nicht eben dahin wirken, den niederen Bürger zur Arbeit zu ermuntern,
doch trat die.Entwöhnung von derselben unter Perikles noch nicht ein. Dieser
Staatsmann legte vielmehr als Gegengewicht die Aussicht aus Wohlstand
durch Theilnahme an der öffentlichen Arbeit gegenüber der nothdürfttgen
Fristung des Lebens durch Staatsunterstützung in die Wagschale. Er that
dies, indem er die mehr künstlerische Arbeit förderte, zu welcher den Athener
Anlage und Neigung vorzugsweise trieben. Als Materialien, deren Bearbeitung
dem Bürger Gewinn versprach, nennt uns Plutarch: Bauholz, Stein, Erz,
Elfenbein, Gold, Eben - und Cypressenholz, und als dieselben bearbeitende
Handwerker und Künstler: Zimmerleute, Bildhauer, Erzschmiede, Steinhauer,
Färber, Goldschmiede, Elfenbeinmaler, Bildschnitzer. Durch Betreibung dieser
Zweige des Handwerks und der Kunst strömte der Segen der Arbeit auch
auf andre Gewervsklassen herab. Es erhielten dadurch Beschäftigung: Wagen¬
bauer. Fuhrherrn und Lastfuhrleute ; Seiler, Leineweber, Schuhmacher, Wege¬
bauer und Bergleute. Es schaarte, so setzt Plutarch hinzu -- eine jede Kunst
gleich einem Feldherrn die Masse der Theden aus dem niederen Volk um sich,
wie ein eignes Heer, und die Gewerbe vertheilten, so zu sagen, den Wohl¬
stand und streuten ihn aus auf jegliches Alter und jeglichen Beruf. Es ist
nicht anzunehmen, daß nur Bürger zu den öffentlichen Arbeiten herangezogen
wurden. Wahrscheinlicher ist, daß das mehr Künstlerische der Arbeit vorzugs¬
weise von den hierzu besonders befähigten Athenern betrieben wurde, während
das Handwerksmäßige den Schutzverwandten und Sclaven mück. Auf das
Verhältniß dieser drei Klassen von Arbeitern erlauben für die nachperikleische
Zeit die Baurechnungen von etwa Ol. 93 (408--405 v. Chr.) einen Schluß.
Von den daselbst angeführten 69 Arbeitern sind 11 Bürger. 26 Schutzver-


gewesen war. Hatten sich schon bei Marathon Handwerker aus der Klasse
der Thetes im Kampf ausgezeichnet, so machte die Begründung der Flotte
ihre Dienste geradezu unentbehrlich. In Anerkennung, der bei Salamis bewie¬
senen Tapferkeit setzte der aristocratisch gesinnte Aristides selbst die vierte
Klasse in politischen Rechten den höheren Volksklassen gleich, indem er die
Mitglieder derselben zu Aemtern zuließ. Sie war ein Factor geworden,
mit dem fortan der Staatsmann rechnen mußte.

Suchten die älteren Staatsleiter sich die Gunst der Aermeren durch
Preisgabe ihrer Privatmittel zu erwerben, so benutzten die späteren
Staatsmänner Staatsmittel zu diesem Zweck. Aus diesen gewährten sie
ihnen Entschädigung für Versäumniß der Arbeit während des Besuchs der
Volksversammlungen, verschafften ihnen Einkünfte als Beisitzer des Ge¬
schworenengerichts, ermöglichten ihnen an Festtagen den Besuch des Theaters
durch Zahlung des Eintrittsgeldes und vertheilten sogar Ländereien ausstän¬
discher Bundesgenossen unter sie. Solche vom Staat gewährte Unterstützungen
konnten nicht eben dahin wirken, den niederen Bürger zur Arbeit zu ermuntern,
doch trat die.Entwöhnung von derselben unter Perikles noch nicht ein. Dieser
Staatsmann legte vielmehr als Gegengewicht die Aussicht aus Wohlstand
durch Theilnahme an der öffentlichen Arbeit gegenüber der nothdürfttgen
Fristung des Lebens durch Staatsunterstützung in die Wagschale. Er that
dies, indem er die mehr künstlerische Arbeit förderte, zu welcher den Athener
Anlage und Neigung vorzugsweise trieben. Als Materialien, deren Bearbeitung
dem Bürger Gewinn versprach, nennt uns Plutarch: Bauholz, Stein, Erz,
Elfenbein, Gold, Eben - und Cypressenholz, und als dieselben bearbeitende
Handwerker und Künstler: Zimmerleute, Bildhauer, Erzschmiede, Steinhauer,
Färber, Goldschmiede, Elfenbeinmaler, Bildschnitzer. Durch Betreibung dieser
Zweige des Handwerks und der Kunst strömte der Segen der Arbeit auch
auf andre Gewervsklassen herab. Es erhielten dadurch Beschäftigung: Wagen¬
bauer. Fuhrherrn und Lastfuhrleute ; Seiler, Leineweber, Schuhmacher, Wege¬
bauer und Bergleute. Es schaarte, so setzt Plutarch hinzu — eine jede Kunst
gleich einem Feldherrn die Masse der Theden aus dem niederen Volk um sich,
wie ein eignes Heer, und die Gewerbe vertheilten, so zu sagen, den Wohl¬
stand und streuten ihn aus auf jegliches Alter und jeglichen Beruf. Es ist
nicht anzunehmen, daß nur Bürger zu den öffentlichen Arbeiten herangezogen
wurden. Wahrscheinlicher ist, daß das mehr Künstlerische der Arbeit vorzugs¬
weise von den hierzu besonders befähigten Athenern betrieben wurde, während
das Handwerksmäßige den Schutzverwandten und Sclaven mück. Auf das
Verhältniß dieser drei Klassen von Arbeitern erlauben für die nachperikleische
Zeit die Baurechnungen von etwa Ol. 93 (408—405 v. Chr.) einen Schluß.
Von den daselbst angeführten 69 Arbeitern sind 11 Bürger. 26 Schutzver-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_362043/382>, abgerufen am 16.01.2025.