Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

und wir werden es eben durch die active Antheilnahme an den Regierungs¬
handlungen. Wer schwimmen lernen will, muß ins Wasser gehen. Es ist
unmöglich, einen Anspruch dieser Art, wenn er mit Bewußtsein die Masse
des Volks ergriffen hat, zur Ruhe zu verweisen, und der Uebergang der
aristokratischen Parlamentssorm in eine demokratische kann auch für England
nur als eine Frage der Zeit betrachtet werden. Allerdings einer Zeit, über
deren Dauer es gewagt wäre eine Muthmaßung auszusprechen. Denn dieser
Uebergang würde nicht lediglich einem abstracten Prinzip dienen, sondern
die Verschiebung eines wirklichen Machtbesitzes aus eine erweiterte Gemein¬
schaft zu vermitteln und die Zukunft des parlamentarischen Systems unter
ganz veränderten Bedingungen zu gewährleisten haben.




Arbeiter und Fabrikanten im alten Athen.

Während der Westen erst seit Kurzem durch den Sturz der Sclaven-
staaten den Boden gewonnen hat, auf dem die Lage freigewordener Arbeiter
eine gesunde Entwickelung zu nehmen vermag, ist im Osten die Arbeiter¬
frage schon längst ein Gegenstand sorgfältigster Erwägung von Seiten vieler
Einsichtigen geworden. Bei der hohen Wichtigkeit des Gegenstandes wird
sich Jeder gern veranlaßt fühlen, die Blätter der Geschichte aufzurollen, um
diese Frage im Lichte politischer und socialer Verhältnisse älterer Zeit zu betrach¬
ten, ein Capitel, welches verhältnißmäßig wenig behandelt, dem.Forscher noch
reiche Ausbeute verspricht*). Für das griechische Alterthum gewinnt diese
Frage noch ein besonders lebendiges Interesse durch die Kluft, welche die
Anschauungen desselben, den Lohnerwerb betreffend, von den unsrigen trennt.
Während ein sehr großer Theil unserer bedeutendsten Männer, nicht aus den
Besitzenden, sondern den erwerbenden Classen hervorgegangen ist, und wäh¬
rend alle unsere modernen Verhältnisse auf Erwerb durch praktische Ausübung
der angeborenen oder anerzogenen Fähigkeiten gestellt sind, klebte in den
besten Zeiten des Alterthums dem Erwerb durch Arbeit ein gewisser Makel



") Für das Alterthum versuchte zuerst eine zusammenhängende Darstellung: W. Dru-
mann, die Arbeiter und Communisten in Griechenland und Rom. Königsberg 1860, für
Athen speciell H. Frohbergcr, as oxitrcum g,xuä veteres Oraseos eoväioioiis vigsertatio l.
Grana 1866. Der Wunsch, daß bei dem zerstreuten Material auch andere ihre Kräfte dem
Gegenstande zuwenden mögen, wie ihn der Referent über diese Schrift in den Jahrbuch. für
Philvl. ausspricht, ist gewiß gerechtfertigt.

und wir werden es eben durch die active Antheilnahme an den Regierungs¬
handlungen. Wer schwimmen lernen will, muß ins Wasser gehen. Es ist
unmöglich, einen Anspruch dieser Art, wenn er mit Bewußtsein die Masse
des Volks ergriffen hat, zur Ruhe zu verweisen, und der Uebergang der
aristokratischen Parlamentssorm in eine demokratische kann auch für England
nur als eine Frage der Zeit betrachtet werden. Allerdings einer Zeit, über
deren Dauer es gewagt wäre eine Muthmaßung auszusprechen. Denn dieser
Uebergang würde nicht lediglich einem abstracten Prinzip dienen, sondern
die Verschiebung eines wirklichen Machtbesitzes aus eine erweiterte Gemein¬
schaft zu vermitteln und die Zukunft des parlamentarischen Systems unter
ganz veränderten Bedingungen zu gewährleisten haben.




Arbeiter und Fabrikanten im alten Athen.

Während der Westen erst seit Kurzem durch den Sturz der Sclaven-
staaten den Boden gewonnen hat, auf dem die Lage freigewordener Arbeiter
eine gesunde Entwickelung zu nehmen vermag, ist im Osten die Arbeiter¬
frage schon längst ein Gegenstand sorgfältigster Erwägung von Seiten vieler
Einsichtigen geworden. Bei der hohen Wichtigkeit des Gegenstandes wird
sich Jeder gern veranlaßt fühlen, die Blätter der Geschichte aufzurollen, um
diese Frage im Lichte politischer und socialer Verhältnisse älterer Zeit zu betrach¬
ten, ein Capitel, welches verhältnißmäßig wenig behandelt, dem.Forscher noch
reiche Ausbeute verspricht*). Für das griechische Alterthum gewinnt diese
Frage noch ein besonders lebendiges Interesse durch die Kluft, welche die
Anschauungen desselben, den Lohnerwerb betreffend, von den unsrigen trennt.
Während ein sehr großer Theil unserer bedeutendsten Männer, nicht aus den
Besitzenden, sondern den erwerbenden Classen hervorgegangen ist, und wäh¬
rend alle unsere modernen Verhältnisse auf Erwerb durch praktische Ausübung
der angeborenen oder anerzogenen Fähigkeiten gestellt sind, klebte in den
besten Zeiten des Alterthums dem Erwerb durch Arbeit ein gewisser Makel



") Für das Alterthum versuchte zuerst eine zusammenhängende Darstellung: W. Dru-
mann, die Arbeiter und Communisten in Griechenland und Rom. Königsberg 1860, für
Athen speciell H. Frohbergcr, as oxitrcum g,xuä veteres Oraseos eoväioioiis vigsertatio l.
Grana 1866. Der Wunsch, daß bei dem zerstreuten Material auch andere ihre Kräfte dem
Gegenstande zuwenden mögen, wie ihn der Referent über diese Schrift in den Jahrbuch. für
Philvl. ausspricht, ist gewiß gerechtfertigt.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0374" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/117906"/>
          <p xml:id="ID_1174" prev="#ID_1173"> und wir werden es eben durch die active Antheilnahme an den Regierungs¬<lb/>
handlungen. Wer schwimmen lernen will, muß ins Wasser gehen. Es ist<lb/>
unmöglich, einen Anspruch dieser Art, wenn er mit Bewußtsein die Masse<lb/>
des Volks ergriffen hat, zur Ruhe zu verweisen, und der Uebergang der<lb/>
aristokratischen Parlamentssorm in eine demokratische kann auch für England<lb/>
nur als eine Frage der Zeit betrachtet werden. Allerdings einer Zeit, über<lb/>
deren Dauer es gewagt wäre eine Muthmaßung auszusprechen. Denn dieser<lb/>
Uebergang würde nicht lediglich einem abstracten Prinzip dienen, sondern<lb/>
die Verschiebung eines wirklichen Machtbesitzes aus eine erweiterte Gemein¬<lb/>
schaft zu vermitteln und die Zukunft des parlamentarischen Systems unter<lb/>
ganz veränderten Bedingungen zu gewährleisten haben.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Arbeiter und Fabrikanten im alten Athen.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_1175" next="#ID_1176"> Während der Westen erst seit Kurzem durch den Sturz der Sclaven-<lb/>
staaten den Boden gewonnen hat, auf dem die Lage freigewordener Arbeiter<lb/>
eine gesunde Entwickelung zu nehmen vermag, ist im Osten die Arbeiter¬<lb/>
frage schon längst ein Gegenstand sorgfältigster Erwägung von Seiten vieler<lb/>
Einsichtigen geworden. Bei der hohen Wichtigkeit des Gegenstandes wird<lb/>
sich Jeder gern veranlaßt fühlen, die Blätter der Geschichte aufzurollen, um<lb/>
diese Frage im Lichte politischer und socialer Verhältnisse älterer Zeit zu betrach¬<lb/>
ten, ein Capitel, welches verhältnißmäßig wenig behandelt, dem.Forscher noch<lb/>
reiche Ausbeute verspricht*). Für das griechische Alterthum gewinnt diese<lb/>
Frage noch ein besonders lebendiges Interesse durch die Kluft, welche die<lb/>
Anschauungen desselben, den Lohnerwerb betreffend, von den unsrigen trennt.<lb/>
Während ein sehr großer Theil unserer bedeutendsten Männer, nicht aus den<lb/>
Besitzenden, sondern den erwerbenden Classen hervorgegangen ist, und wäh¬<lb/>
rend alle unsere modernen Verhältnisse auf Erwerb durch praktische Ausübung<lb/>
der angeborenen oder anerzogenen Fähigkeiten gestellt sind, klebte in den<lb/>
besten Zeiten des Alterthums dem Erwerb durch Arbeit ein gewisser Makel</p><lb/>
          <note xml:id="FID_36" place="foot"> ") Für das Alterthum versuchte zuerst eine zusammenhängende Darstellung: W. Dru-<lb/>
mann, die Arbeiter und Communisten in Griechenland und Rom. Königsberg 1860, für<lb/>
Athen speciell H. Frohbergcr, as oxitrcum g,xuä veteres Oraseos eoväioioiis vigsertatio l.<lb/>
Grana 1866. Der Wunsch, daß bei dem zerstreuten Material auch andere ihre Kräfte dem<lb/>
Gegenstande zuwenden mögen, wie ihn der Referent über diese Schrift in den Jahrbuch. für<lb/>
Philvl. ausspricht, ist gewiß gerechtfertigt.</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0374] und wir werden es eben durch die active Antheilnahme an den Regierungs¬ handlungen. Wer schwimmen lernen will, muß ins Wasser gehen. Es ist unmöglich, einen Anspruch dieser Art, wenn er mit Bewußtsein die Masse des Volks ergriffen hat, zur Ruhe zu verweisen, und der Uebergang der aristokratischen Parlamentssorm in eine demokratische kann auch für England nur als eine Frage der Zeit betrachtet werden. Allerdings einer Zeit, über deren Dauer es gewagt wäre eine Muthmaßung auszusprechen. Denn dieser Uebergang würde nicht lediglich einem abstracten Prinzip dienen, sondern die Verschiebung eines wirklichen Machtbesitzes aus eine erweiterte Gemein¬ schaft zu vermitteln und die Zukunft des parlamentarischen Systems unter ganz veränderten Bedingungen zu gewährleisten haben. Arbeiter und Fabrikanten im alten Athen. Während der Westen erst seit Kurzem durch den Sturz der Sclaven- staaten den Boden gewonnen hat, auf dem die Lage freigewordener Arbeiter eine gesunde Entwickelung zu nehmen vermag, ist im Osten die Arbeiter¬ frage schon längst ein Gegenstand sorgfältigster Erwägung von Seiten vieler Einsichtigen geworden. Bei der hohen Wichtigkeit des Gegenstandes wird sich Jeder gern veranlaßt fühlen, die Blätter der Geschichte aufzurollen, um diese Frage im Lichte politischer und socialer Verhältnisse älterer Zeit zu betrach¬ ten, ein Capitel, welches verhältnißmäßig wenig behandelt, dem.Forscher noch reiche Ausbeute verspricht*). Für das griechische Alterthum gewinnt diese Frage noch ein besonders lebendiges Interesse durch die Kluft, welche die Anschauungen desselben, den Lohnerwerb betreffend, von den unsrigen trennt. Während ein sehr großer Theil unserer bedeutendsten Männer, nicht aus den Besitzenden, sondern den erwerbenden Classen hervorgegangen ist, und wäh¬ rend alle unsere modernen Verhältnisse auf Erwerb durch praktische Ausübung der angeborenen oder anerzogenen Fähigkeiten gestellt sind, klebte in den besten Zeiten des Alterthums dem Erwerb durch Arbeit ein gewisser Makel ") Für das Alterthum versuchte zuerst eine zusammenhängende Darstellung: W. Dru- mann, die Arbeiter und Communisten in Griechenland und Rom. Königsberg 1860, für Athen speciell H. Frohbergcr, as oxitrcum g,xuä veteres Oraseos eoväioioiis vigsertatio l. Grana 1866. Der Wunsch, daß bei dem zerstreuten Material auch andere ihre Kräfte dem Gegenstande zuwenden mögen, wie ihn der Referent über diese Schrift in den Jahrbuch. für Philvl. ausspricht, ist gewiß gerechtfertigt.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_362043
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_362043/374
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_362043/374>, abgerufen am 15.01.2025.