Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band.von Gotha that nur seine Pflicht, wenn er den Unterhändler darauf aufmerksam Aber kurz nachdem der König an den Herzog von Gotha geschrieben, Militärisch betrachtet war ein Durchbruch der hannöverschen Armee bei Die Journalisten der großdeutschen Partei haben sich das Vergnügen Wer die eigene Schwäche und Unwahrheit dadurch zu beschönigen sucht, Das Treffen von Langensalza aber, in welchem der Angriff eülgst zu¬ Grenzboten II. 1868.
von Gotha that nur seine Pflicht, wenn er den Unterhändler darauf aufmerksam Aber kurz nachdem der König an den Herzog von Gotha geschrieben, Militärisch betrachtet war ein Durchbruch der hannöverschen Armee bei Die Journalisten der großdeutschen Partei haben sich das Vergnügen Wer die eigene Schwäche und Unwahrheit dadurch zu beschönigen sucht, Das Treffen von Langensalza aber, in welchem der Angriff eülgst zu¬ Grenzboten II. 1868.
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von Gotha that nur seine Pflicht, wenn er den Unterhändler darauf aufmerksam
machte, und diesen zu bestimmen suchte, dem Offizier der Vortruppen Nach¬
richt von den begonnenen Verhandlungen zu geben.
Aber kurz nachdem der König an den Herzog von Gotha geschrieben,
erfuhr der König durch den Commandeur seiner Avantgarde, den Oberst
von Bülow, daß Eisenach nur schwach besetzt sei. Da beschloß man plötzlich
im hannöverschen Hauptquartier, von den Verhandlungen mit Preußen ab¬
zusehen und bei Eisenach durchzubrechen. Nach solcher Veränderung des Pla¬
nes wurde allerdings die Nachricht, welche Oberst v. Bülow durch Major
Jacobi erhielt, Hinderniß für ein sofortiges Eindringen des Obrist v. Bülow
in Eisenach. Unterdeß hatte sich der König von Hannover wieder bereit er¬
klärt, die Ankunft eines berliner Unterhändlers abzuwarten.
Militärisch betrachtet war ein Durchbruch der hannöverschen Armee bei
Eisenach schon am 24. Juni gewagt, am 25. aber, wo er im günstigsten
Fall erst hätte erfolgen können, ein verzweifeltes Wagstück. Dagegen
war in der Nacht vom 24. zum 25. Juni und den ganzen folgenden
Tag völlige Muße und Zeit, die Bahn bei Gotha zu passiren, und im
Fall des Widerstandes die wenigen Bataillone, welche von Gotha aus dis¬
ponibel gemacht werden konnten, bei Seite zu werfen. Man dachte kaum
daran, der König hatte überhaupt nicht den Muth zu einem militäri¬
schen Entschluß. Jetzt aber, nach fast zwei Jahren, wagt man, jenen an
sich völlig unwesentlichen Zwischenfall zu einer großen Fälschung des Sach¬
verhalts zu benutzen. Wir müssen sogar in der Schrift des östreichischen
Generalstabs lesen, daß der Herzog von Gotha im preußischen Interesse
hinterlistig den Durchbruch der Hannoveraner verhindert habe. Jenes Zu¬
rückhalten der hannöverschen Avantgarde am 24. Juni sei Schuld an der
Katastrophe vom 27. und 28. Ein treuherziger König sei listig umsponnen
durch preußische Intriguen u. s. w. Man hat bei solcher wüsten Behaup¬
tung nicht beachtet, daß man der Armeeleitung eines Heeres von 18.000
Mann und 52 -Geschützen den ärgsten Vorwurf der Kopflosigkeit und Des¬
organisation macht, wenn man eine große militärische Action an einem
solchen Hinderniß scheitern läßt.
Die Journalisten der großdeutschen Partei haben sich das Vergnügen
nicht versagt, diese Unwahrheit weiter zu spinnen, und wir haben lesen
müssen, der Wald von Schmalkalden sei dem Herzog von Gotha von Preu¬
ßen geschenkt worden, weil er den Durchbruch der Hannoveraner verhindert
habe. Wenn die preußische Regierung bewogen wurde, dem Herzog seinen
Privatbesitz zu vergrößern, so hatte sie dafür einen bessern Grund. Das
Privatvermögen des Herzogs ist zum größten Theil von früherer Genera¬
tion her in östreichischen Gütern angelegt, und sein finanzielles Interesse
hätte ihn mehr als die meisten andern Fürsten auf die Seite Oestreichs
ziehen müssen; es war ohnedies durch den Krieg aufs höchste gefährdet. Daß
er durch Rücksichten auf seine Privatverhältnisse sich keinen Augenblick be¬
irren ließ. daß er geschetdt und warmherzig die Pflichten eines deutschen Für¬
sten erfüllte und sich und die Bataillone seines Landes sofort zur Disposition
stellte, das legte der preußischen Regierung nahe genug, dafür zu sorgen,
daß seine Parteinahme ihm wenigstens nicht Schaden bereitete.
Wer die eigene Schwäche und Unwahrheit dadurch zu beschönigen sucht,
daß er seinen Gegnern niedrige Motive des Handelns andichtet, mindert ehr¬
lichen Leuten das Mitleid, das er sich durch wahrhaft vornehme Haltung
bewahren könnte.
Das Treffen von Langensalza aber, in welchem der Angriff eülgst zu¬
sammengeraffter preußischer Truppen zurückgeschlagen wurde, war eine mili¬
tärische Schlappe, aber nächst der Schlacht von Königgrätz der größte poli-
Grenzboten II. 1868.
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