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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band.

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Manuskriptdruck des Grasen Münster speciell an die Verhandlungen mit dem
König von Hannover erinnert, welche das Treffen von Langensalza einfaßten.
Wir nehmen daher Veranlassung, auf eine falsche Darstellung zurückzukommen,
welche auch in die Erzählung des östreichischen Generalstabs übergegangen ist.
Unser Bl. hat während der Kriegswochen einen ausführlichen Bericht über die
Verhandlungen in Gotha vom 23.-27. Juni gebracht, es hat also besondere
Veranlassung, noch einmal auf diese Momente der Kriegsgeschichte zu kommen.
Auch zur Vertheidigung eines ungerecht Beurtheilten. Es scheint uns nicht
recht, daß ein Fürst, der im Jahre 1866 seine Pflicht gegen sein Land und gegen
Deutschland so voll erfüllt hat, wie wenig andere, fortwährend und ohne
Vertheidigung durch die Presse Gegenstand feindlicher Verleumdung werde.
Es sind aber die Tage vor der Schlacht bei Langensalza auch vorzugsweise
charakteristisch für die Selbstverblendung, den Hochmuth und die Unwahrheit
der Gegner.

Es wird genügen, dafür allbekannte und zweifellose Thatsachen kurz
zusammenzustellen.

Der König von Hannover hatte die ihm von Preußen angebotene Neu¬
tralität abgelehnt, der Krieg war ihm von Preußen erklärt, er und sein'Land
den Wechselfällen eines großen Kampfes ausgesetzt.

Als preußische Truppen das Königreich betraten, wich er mit dem schnell
zusammengezogenen Heer über die Grenze auf preußisches und coburg-gothai-
sches Gebiet aus, er befand sich seitdem in Feindesland.

Es mag viel Unklarheit im hannöverschen Hauptquartier geherrscht haben;
das aber stand fest, daß man mit Preußen nicht pacificiren, sondern mit den
Südstaaten als Verbündeter Oestreichs den Krieg überstehen wolle.

Zu diesem Zweck war eine Vereinigung mit dem bairischen Heere das
nächste zu erstrebende Ziel. Diese Vereinigung herbeizuführen, wurde ein
Emissär in das bairische Hauptquartier geschickt. Aber die Baiern sollten
aus dem Süden mit ihrem Heere über den thüringer Wald nach dem Norden
brechen, um die hannöversche Armee zu degagiren.

Diese Zumuthung war, ganz abgesehen von Zustand und Kriegführung
der bairischen Armee, eine politisch unbillige und die Ausführung in militä¬
rischer Hinsicht für die Baiern ein sehr gewagtes Unternehmen.

Das scheint auch wenigstens die militärische Umgebung des Königs er¬
kannt zu haben, und es wurden einige schwache Versuche gemacht, welche auf
die Absicht eines Durchbruchs nach dem Süden deuteten.

Zwei Hauptrichtungen boten sich für den Zug nach Süden: über Eise¬
nach und Meiningen längs dem Werrathal, und über Gotha auf den Chaus¬
seen, welche quer über den Thüringer Wald nach dem Süden führen. Der Weg
über Eisenach bot die -- unsichere -- Möglichkeit, die Werrabahn zu benutzen,


Manuskriptdruck des Grasen Münster speciell an die Verhandlungen mit dem
König von Hannover erinnert, welche das Treffen von Langensalza einfaßten.
Wir nehmen daher Veranlassung, auf eine falsche Darstellung zurückzukommen,
welche auch in die Erzählung des östreichischen Generalstabs übergegangen ist.
Unser Bl. hat während der Kriegswochen einen ausführlichen Bericht über die
Verhandlungen in Gotha vom 23.-27. Juni gebracht, es hat also besondere
Veranlassung, noch einmal auf diese Momente der Kriegsgeschichte zu kommen.
Auch zur Vertheidigung eines ungerecht Beurtheilten. Es scheint uns nicht
recht, daß ein Fürst, der im Jahre 1866 seine Pflicht gegen sein Land und gegen
Deutschland so voll erfüllt hat, wie wenig andere, fortwährend und ohne
Vertheidigung durch die Presse Gegenstand feindlicher Verleumdung werde.
Es sind aber die Tage vor der Schlacht bei Langensalza auch vorzugsweise
charakteristisch für die Selbstverblendung, den Hochmuth und die Unwahrheit
der Gegner.

Es wird genügen, dafür allbekannte und zweifellose Thatsachen kurz
zusammenzustellen.

Der König von Hannover hatte die ihm von Preußen angebotene Neu¬
tralität abgelehnt, der Krieg war ihm von Preußen erklärt, er und sein'Land
den Wechselfällen eines großen Kampfes ausgesetzt.

Als preußische Truppen das Königreich betraten, wich er mit dem schnell
zusammengezogenen Heer über die Grenze auf preußisches und coburg-gothai-
sches Gebiet aus, er befand sich seitdem in Feindesland.

Es mag viel Unklarheit im hannöverschen Hauptquartier geherrscht haben;
das aber stand fest, daß man mit Preußen nicht pacificiren, sondern mit den
Südstaaten als Verbündeter Oestreichs den Krieg überstehen wolle.

Zu diesem Zweck war eine Vereinigung mit dem bairischen Heere das
nächste zu erstrebende Ziel. Diese Vereinigung herbeizuführen, wurde ein
Emissär in das bairische Hauptquartier geschickt. Aber die Baiern sollten
aus dem Süden mit ihrem Heere über den thüringer Wald nach dem Norden
brechen, um die hannöversche Armee zu degagiren.

Diese Zumuthung war, ganz abgesehen von Zustand und Kriegführung
der bairischen Armee, eine politisch unbillige und die Ausführung in militä¬
rischer Hinsicht für die Baiern ein sehr gewagtes Unternehmen.

Das scheint auch wenigstens die militärische Umgebung des Königs er¬
kannt zu haben, und es wurden einige schwache Versuche gemacht, welche auf
die Absicht eines Durchbruchs nach dem Süden deuteten.

Zwei Hauptrichtungen boten sich für den Zug nach Süden: über Eise¬
nach und Meiningen längs dem Werrathal, und über Gotha auf den Chaus¬
seen, welche quer über den Thüringer Wald nach dem Süden führen. Der Weg
über Eisenach bot die — unsichere — Möglichkeit, die Werrabahn zu benutzen,


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[0035] Manuskriptdruck des Grasen Münster speciell an die Verhandlungen mit dem König von Hannover erinnert, welche das Treffen von Langensalza einfaßten. Wir nehmen daher Veranlassung, auf eine falsche Darstellung zurückzukommen, welche auch in die Erzählung des östreichischen Generalstabs übergegangen ist. Unser Bl. hat während der Kriegswochen einen ausführlichen Bericht über die Verhandlungen in Gotha vom 23.-27. Juni gebracht, es hat also besondere Veranlassung, noch einmal auf diese Momente der Kriegsgeschichte zu kommen. Auch zur Vertheidigung eines ungerecht Beurtheilten. Es scheint uns nicht recht, daß ein Fürst, der im Jahre 1866 seine Pflicht gegen sein Land und gegen Deutschland so voll erfüllt hat, wie wenig andere, fortwährend und ohne Vertheidigung durch die Presse Gegenstand feindlicher Verleumdung werde. Es sind aber die Tage vor der Schlacht bei Langensalza auch vorzugsweise charakteristisch für die Selbstverblendung, den Hochmuth und die Unwahrheit der Gegner. Es wird genügen, dafür allbekannte und zweifellose Thatsachen kurz zusammenzustellen. Der König von Hannover hatte die ihm von Preußen angebotene Neu¬ tralität abgelehnt, der Krieg war ihm von Preußen erklärt, er und sein'Land den Wechselfällen eines großen Kampfes ausgesetzt. Als preußische Truppen das Königreich betraten, wich er mit dem schnell zusammengezogenen Heer über die Grenze auf preußisches und coburg-gothai- sches Gebiet aus, er befand sich seitdem in Feindesland. Es mag viel Unklarheit im hannöverschen Hauptquartier geherrscht haben; das aber stand fest, daß man mit Preußen nicht pacificiren, sondern mit den Südstaaten als Verbündeter Oestreichs den Krieg überstehen wolle. Zu diesem Zweck war eine Vereinigung mit dem bairischen Heere das nächste zu erstrebende Ziel. Diese Vereinigung herbeizuführen, wurde ein Emissär in das bairische Hauptquartier geschickt. Aber die Baiern sollten aus dem Süden mit ihrem Heere über den thüringer Wald nach dem Norden brechen, um die hannöversche Armee zu degagiren. Diese Zumuthung war, ganz abgesehen von Zustand und Kriegführung der bairischen Armee, eine politisch unbillige und die Ausführung in militä¬ rischer Hinsicht für die Baiern ein sehr gewagtes Unternehmen. Das scheint auch wenigstens die militärische Umgebung des Königs er¬ kannt zu haben, und es wurden einige schwache Versuche gemacht, welche auf die Absicht eines Durchbruchs nach dem Süden deuteten. Zwei Hauptrichtungen boten sich für den Zug nach Süden: über Eise¬ nach und Meiningen längs dem Werrathal, und über Gotha auf den Chaus¬ seen, welche quer über den Thüringer Wald nach dem Süden führen. Der Weg über Eisenach bot die — unsichere — Möglichkeit, die Werrabahn zu benutzen,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_362043/35>, abgerufen am 15.01.2025.