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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band.

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Die hervorragendsten Nummern der vier "G esellsch afts con certe"
waren: "der Rose Pilgerfahrt" von Schumann, Schubert's Musik zum Drama
"Rosamunde" und die Ostercantate "Lazarus"; "ein deutsches Requiem" von
Brahms, und Beethoven's neunte Symphonie. Unter den zum erstenmale auf¬
geführten Sätzen aus Rosamunde gefiel besonders die reizende Balletmusik
(F-6ur. Der Text des aus Bibelstellen zusammengestellten Requiem von
Brahms behandelt die Vergänglichkeit des Irdischen und die Hoffnung aus
ein Jenseits; gleich einem großartigen Bau von gewaltigen Dimensionen
erhebt sich auf diesen Worten ein Tongebilde, wie es die neuere Zeit nir¬
gends aufzuweisen hat. Mit seinen kühn geführten Harmonien und contra-
punktischen Wendungen bietet es namentlich den Chormassen eine wahre
Riesenaufgabe. Die Trauerklage lagert sich wie schweres Gewölk über das
Land des Todes; ein Lichtblick nach diesem düsteren Gemälde ist eine Noth¬
wendigkeit und das große Werk wird in der zweiten Hälfte (es wurden hier
nur die drei ersten Sätze aufgeführt) gewiß auch nach dieser Seite hin ebenso
gewaltig dastehen. Beethoven's neunte Symphonie, mit ungewöhnlich starker
Besetzung aufgeführt, schloß in großartiger Weise diese vom Hofkapellmeister
Herbeck energisch geleiteten Concerte, für die selbst die weiten Räume des
großen Redoutensaales zu eng wurden. A>>ßer den genannten Werten ver¬
dienen noch hervorgehoben zu werden: Schumann's L-aur Symphonie, die
Clavierconcerte von Mozart (O-moll) und Beethoven (L-aur), von Rubin¬
stein und Epstein meisterhaft gespielt.

Zur Feier seines zehnjährigen Bestehens gab der mit der Gesellschaft
der Musikfreunde verbundene "Singverein" ein außerordentliches Concert,
in dem zum zweitenmal Schuberts Ostercantate "Lazarus" zur Aufführung
kam. Obwohl eine Fülle einzelner Schönheiten enthaltend vermag dies Werk
im ganzen doch nicht eine durch das Textbuch bedingte unvermeidliche Mo¬
notonie zu verbannen, namentlich auch erzeugt durch die spärliche Verwendung
des Chores, der nur am Schlüsse jeder Abtheilung erscheint. Um so reicher
entfalteten sich die Chorkräfte in den übrigen Nummern dieses Concertes,
im Hallelujah von Händel, Psalm von Mendelssohn. Chor von Palestrina
und dem gewaltigen Kyrie der L-moU - Messe von Seb. Bach, das die Be¬
kanntschaft mit dem hier noch nicht gehörten Gloria und Sanctus nur um
so begehrenswerther macht. Hier hätte der ebenfalls von Herbeck so erfolg¬
reich geleitete Singverein Gelegenheit, sich durch Ausführung der vollständigen
Messe einer hohen Ausgabe würdig zu zeigen.

Auch die zu gleicher Zeit mit dem Singverein entstandene "Sing-
academie" hat sich diesen Winter wacker gehalten. Diesem unter Ferd.
Stegmayer ins Leben getretenen Verein ging um einige Jahre früher der
in engerem Kreise wirkende "Bach-Verein" voraus. Eine kleine Anzahl


Die hervorragendsten Nummern der vier „G esellsch afts con certe"
waren: „der Rose Pilgerfahrt" von Schumann, Schubert's Musik zum Drama
„Rosamunde" und die Ostercantate „Lazarus"; „ein deutsches Requiem" von
Brahms, und Beethoven's neunte Symphonie. Unter den zum erstenmale auf¬
geführten Sätzen aus Rosamunde gefiel besonders die reizende Balletmusik
(F-6ur. Der Text des aus Bibelstellen zusammengestellten Requiem von
Brahms behandelt die Vergänglichkeit des Irdischen und die Hoffnung aus
ein Jenseits; gleich einem großartigen Bau von gewaltigen Dimensionen
erhebt sich auf diesen Worten ein Tongebilde, wie es die neuere Zeit nir¬
gends aufzuweisen hat. Mit seinen kühn geführten Harmonien und contra-
punktischen Wendungen bietet es namentlich den Chormassen eine wahre
Riesenaufgabe. Die Trauerklage lagert sich wie schweres Gewölk über das
Land des Todes; ein Lichtblick nach diesem düsteren Gemälde ist eine Noth¬
wendigkeit und das große Werk wird in der zweiten Hälfte (es wurden hier
nur die drei ersten Sätze aufgeführt) gewiß auch nach dieser Seite hin ebenso
gewaltig dastehen. Beethoven's neunte Symphonie, mit ungewöhnlich starker
Besetzung aufgeführt, schloß in großartiger Weise diese vom Hofkapellmeister
Herbeck energisch geleiteten Concerte, für die selbst die weiten Räume des
großen Redoutensaales zu eng wurden. A>>ßer den genannten Werten ver¬
dienen noch hervorgehoben zu werden: Schumann's L-aur Symphonie, die
Clavierconcerte von Mozart (O-moll) und Beethoven (L-aur), von Rubin¬
stein und Epstein meisterhaft gespielt.

Zur Feier seines zehnjährigen Bestehens gab der mit der Gesellschaft
der Musikfreunde verbundene „Singverein" ein außerordentliches Concert,
in dem zum zweitenmal Schuberts Ostercantate „Lazarus" zur Aufführung
kam. Obwohl eine Fülle einzelner Schönheiten enthaltend vermag dies Werk
im ganzen doch nicht eine durch das Textbuch bedingte unvermeidliche Mo¬
notonie zu verbannen, namentlich auch erzeugt durch die spärliche Verwendung
des Chores, der nur am Schlüsse jeder Abtheilung erscheint. Um so reicher
entfalteten sich die Chorkräfte in den übrigen Nummern dieses Concertes,
im Hallelujah von Händel, Psalm von Mendelssohn. Chor von Palestrina
und dem gewaltigen Kyrie der L-moU - Messe von Seb. Bach, das die Be¬
kanntschaft mit dem hier noch nicht gehörten Gloria und Sanctus nur um
so begehrenswerther macht. Hier hätte der ebenfalls von Herbeck so erfolg¬
reich geleitete Singverein Gelegenheit, sich durch Ausführung der vollständigen
Messe einer hohen Ausgabe würdig zu zeigen.

Auch die zu gleicher Zeit mit dem Singverein entstandene „Sing-
academie" hat sich diesen Winter wacker gehalten. Diesem unter Ferd.
Stegmayer ins Leben getretenen Verein ging um einige Jahre früher der
in engerem Kreise wirkende „Bach-Verein" voraus. Eine kleine Anzahl


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[0342] Die hervorragendsten Nummern der vier „G esellsch afts con certe" waren: „der Rose Pilgerfahrt" von Schumann, Schubert's Musik zum Drama „Rosamunde" und die Ostercantate „Lazarus"; „ein deutsches Requiem" von Brahms, und Beethoven's neunte Symphonie. Unter den zum erstenmale auf¬ geführten Sätzen aus Rosamunde gefiel besonders die reizende Balletmusik (F-6ur. Der Text des aus Bibelstellen zusammengestellten Requiem von Brahms behandelt die Vergänglichkeit des Irdischen und die Hoffnung aus ein Jenseits; gleich einem großartigen Bau von gewaltigen Dimensionen erhebt sich auf diesen Worten ein Tongebilde, wie es die neuere Zeit nir¬ gends aufzuweisen hat. Mit seinen kühn geführten Harmonien und contra- punktischen Wendungen bietet es namentlich den Chormassen eine wahre Riesenaufgabe. Die Trauerklage lagert sich wie schweres Gewölk über das Land des Todes; ein Lichtblick nach diesem düsteren Gemälde ist eine Noth¬ wendigkeit und das große Werk wird in der zweiten Hälfte (es wurden hier nur die drei ersten Sätze aufgeführt) gewiß auch nach dieser Seite hin ebenso gewaltig dastehen. Beethoven's neunte Symphonie, mit ungewöhnlich starker Besetzung aufgeführt, schloß in großartiger Weise diese vom Hofkapellmeister Herbeck energisch geleiteten Concerte, für die selbst die weiten Räume des großen Redoutensaales zu eng wurden. A>>ßer den genannten Werten ver¬ dienen noch hervorgehoben zu werden: Schumann's L-aur Symphonie, die Clavierconcerte von Mozart (O-moll) und Beethoven (L-aur), von Rubin¬ stein und Epstein meisterhaft gespielt. Zur Feier seines zehnjährigen Bestehens gab der mit der Gesellschaft der Musikfreunde verbundene „Singverein" ein außerordentliches Concert, in dem zum zweitenmal Schuberts Ostercantate „Lazarus" zur Aufführung kam. Obwohl eine Fülle einzelner Schönheiten enthaltend vermag dies Werk im ganzen doch nicht eine durch das Textbuch bedingte unvermeidliche Mo¬ notonie zu verbannen, namentlich auch erzeugt durch die spärliche Verwendung des Chores, der nur am Schlüsse jeder Abtheilung erscheint. Um so reicher entfalteten sich die Chorkräfte in den übrigen Nummern dieses Concertes, im Hallelujah von Händel, Psalm von Mendelssohn. Chor von Palestrina und dem gewaltigen Kyrie der L-moU - Messe von Seb. Bach, das die Be¬ kanntschaft mit dem hier noch nicht gehörten Gloria und Sanctus nur um so begehrenswerther macht. Hier hätte der ebenfalls von Herbeck so erfolg¬ reich geleitete Singverein Gelegenheit, sich durch Ausführung der vollständigen Messe einer hohen Ausgabe würdig zu zeigen. Auch die zu gleicher Zeit mit dem Singverein entstandene „Sing- academie" hat sich diesen Winter wacker gehalten. Diesem unter Ferd. Stegmayer ins Leben getretenen Verein ging um einige Jahre früher der in engerem Kreise wirkende „Bach-Verein" voraus. Eine kleine Anzahl

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_362043/342>, abgerufen am 15.01.2025.