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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band.

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war ein außerordentlicher. Die Auffassung der" vorgetragenen Werke von
Mozart, Haydn, Schubert, Schumann, Mendelssohn und Beethoven hielt
sich fast auf gleicher Höhe. Das höchste Pathos in Beethoven's ^-clur Quar¬
tett op. 132 gelang ihnen ebenso wie die herzinnige Naivetät in Haydn's
Serenade aus einer seiner frühesten Kassationen. Diese einfache, hier plötzlich
neu ins Leben gerufene Komposition konnte man gar nicht oft genug hören.
Dem Vernehmen nach kehrt das florentiner Quartett im Herbste wieder.

Die philharmonischen Concerte, deren Gründung und Entwicke¬
lung bereits im Nov. v. I. besprochen wurde, brachten auch diesen Winter,
wie alljährlich seit der Saison 1860-1861, acht Aufführungen. Von sämmt¬
lichen Nummern waren es eigentlich nur zwei, die zu einem mehr als ge¬
wöhnlichen Beifall anregten: eine Serenade von Mozart und ein Concert
für Streichinstrumente von Händel, beide zum erstenmal hier aufgeführt.
Beide liefern den Beweis, wie viele musikalische Schätze noch ungehoben
liegen. Mozarts Serenade, nahezu vor einem Jahrhundert componirt (1776),
athmet den vollen Liebreiz, die bezaubernde Innigkeit und Anmuth des da¬
mals 20jährigen Meisters. Diese Serenade schrieb Mozart zur Hochzeits¬
feier der Tochter des allgemein geachteten Bürgermeisters Sigm. Haffner in
Salzburg. (Von den in v. Köchel's Mozart-Katalog Ur. 230 angeführten
acht Nummern werden nur fünf aufgeführt). Händel's Concert für Streich¬
instrumente, eine frische kernige Composition, wurde ganz vorzüglich gespielt.
Von F. David revidirt und im Finale mit einer Cadenz versehen erschien
das reizende Werk in Stimmen und für Clavier vierbändig arrangirt bei
Senff in Leipzig. Zum erstenmal wurden ferner noch aufgeführt: "Wallen¬
stein", symphonisches Tongemälde von I. Rheinberger, (das Scherzo sprach
besonders an); "Notturno" von M. Käßmayer, dem früher erwähnten Or¬
chestermitglied der Oper, und die erst jetzt erschienene "Ouvertüre" L-aur
aus dem Nachlasse Mendelssohn's.

Was wir in vorgehenden einen Kreis Fachmusiker einem zahlenden
Publicum gegenüber leisten sehen, strebt der nur aus Dilettanten zusammen¬
gesetzte "Orchesterverein" zu eigenem Vergnügen an. Der Orchesterverein,
vor zehn Jahren aus dem Schooße der Gesellschaft der Musikfreunde hervor¬
gegangen, steht unter der verdienstvollen Leitung des Violinspielers Professor
Carl Heißler, versammelt sich wöchentlich einmal zu gemeinschaftlichen
Uebungen und gibt im Laufe des Winters drei Concerte, zu denen nur die
geladenen Angehörigen der Vereinsmitglieder Zutritt haben. Die Programme
dieser Concerte bieten manch anregende und selten gehörte Werke, wie z. B.
diesmal zwei frühere Symphonien von Mozart (^,-aur) und Haydn (L-rnoII);
die Ouvertüre zur "Hochzeit des Gamacho" von Mendelssohn, Violinconcert
von Viotti (von Joachim als Gast gespielt).


Grenzboten II. 1868. - 43

war ein außerordentlicher. Die Auffassung der" vorgetragenen Werke von
Mozart, Haydn, Schubert, Schumann, Mendelssohn und Beethoven hielt
sich fast auf gleicher Höhe. Das höchste Pathos in Beethoven's ^-clur Quar¬
tett op. 132 gelang ihnen ebenso wie die herzinnige Naivetät in Haydn's
Serenade aus einer seiner frühesten Kassationen. Diese einfache, hier plötzlich
neu ins Leben gerufene Komposition konnte man gar nicht oft genug hören.
Dem Vernehmen nach kehrt das florentiner Quartett im Herbste wieder.

Die philharmonischen Concerte, deren Gründung und Entwicke¬
lung bereits im Nov. v. I. besprochen wurde, brachten auch diesen Winter,
wie alljährlich seit der Saison 1860-1861, acht Aufführungen. Von sämmt¬
lichen Nummern waren es eigentlich nur zwei, die zu einem mehr als ge¬
wöhnlichen Beifall anregten: eine Serenade von Mozart und ein Concert
für Streichinstrumente von Händel, beide zum erstenmal hier aufgeführt.
Beide liefern den Beweis, wie viele musikalische Schätze noch ungehoben
liegen. Mozarts Serenade, nahezu vor einem Jahrhundert componirt (1776),
athmet den vollen Liebreiz, die bezaubernde Innigkeit und Anmuth des da¬
mals 20jährigen Meisters. Diese Serenade schrieb Mozart zur Hochzeits¬
feier der Tochter des allgemein geachteten Bürgermeisters Sigm. Haffner in
Salzburg. (Von den in v. Köchel's Mozart-Katalog Ur. 230 angeführten
acht Nummern werden nur fünf aufgeführt). Händel's Concert für Streich¬
instrumente, eine frische kernige Composition, wurde ganz vorzüglich gespielt.
Von F. David revidirt und im Finale mit einer Cadenz versehen erschien
das reizende Werk in Stimmen und für Clavier vierbändig arrangirt bei
Senff in Leipzig. Zum erstenmal wurden ferner noch aufgeführt: „Wallen¬
stein", symphonisches Tongemälde von I. Rheinberger, (das Scherzo sprach
besonders an); „Notturno" von M. Käßmayer, dem früher erwähnten Or¬
chestermitglied der Oper, und die erst jetzt erschienene „Ouvertüre" L-aur
aus dem Nachlasse Mendelssohn's.

Was wir in vorgehenden einen Kreis Fachmusiker einem zahlenden
Publicum gegenüber leisten sehen, strebt der nur aus Dilettanten zusammen¬
gesetzte „Orchesterverein" zu eigenem Vergnügen an. Der Orchesterverein,
vor zehn Jahren aus dem Schooße der Gesellschaft der Musikfreunde hervor¬
gegangen, steht unter der verdienstvollen Leitung des Violinspielers Professor
Carl Heißler, versammelt sich wöchentlich einmal zu gemeinschaftlichen
Uebungen und gibt im Laufe des Winters drei Concerte, zu denen nur die
geladenen Angehörigen der Vereinsmitglieder Zutritt haben. Die Programme
dieser Concerte bieten manch anregende und selten gehörte Werke, wie z. B.
diesmal zwei frühere Symphonien von Mozart (^,-aur) und Haydn (L-rnoII);
die Ouvertüre zur „Hochzeit des Gamacho" von Mendelssohn, Violinconcert
von Viotti (von Joachim als Gast gespielt).


Grenzboten II. 1868. - 43
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_362043/341>, abgerufen am 15.01.2025.