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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band.

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(^-moll), ein tüchtig nach älterer Weise durchgearbeitetes Werk. In den
beiden Concerten, die Joachim und Brahms zusammen gaben, wirkte außer
ihnen Niemand mit. Brahms zeigte sich wieder groß als Bachspieler; unter
seinen Fingern wird der Flügel zur Orgel. -- In Charles Davidoff lernte
Wien einen der ersten jetzt lebenden Violoncellspieler kennen. Sein Ton ist
rein und voll, die Technik vollendet, der Vortrag frei von falscher Senti¬
mentalität. Davidoff spielte obendrein auf einem der herrlichsten Straduari-
Jnstrumente. Schade, daß die Seltenheit ausgezeichneter Cellisten mit der
Armuth an Compositionen für dies edle Instrument Hand in Hand zu gehen
scheint. Der Violinist Benno Walter, Mitglied der baier. Hoscapelle,
holte sich hier auf seinem Erstlingsausflug ein ehrenvolles Zeugniß seines
hübschen Talentes. Der junge bescheidene Künstler gebietet schon jetzt über
bedeutende Fertigkeit, hübschen Ton und reine Intonation.

Nur spärlich war die Gesangskunst vertreten. Frl. Helene Magnus
sang in ihrem Concert nur Schumann, dessen Muse ihrer Gesangweise na¬
mentlich zusagt. Es war keine leichte Aufgabe, den ganzen Liedercyclus der
"Dichterliebe" zu bewältigen, besonders bei nicht überreichen Wechsel im
Ausdruck; es war aber auch keine Nothwendigkeit, die lose und willkürlich
aneinander gereihten Lieder alle auf einmal zu bringen. Frl. Malb. Enne-
quist aus Schweden brillirte in ihren vaterländischen Gesangsweisen, in denen
sie mit schönem Triller und ausgebildetem piano viel Effect zu machen ver¬
stand, sonst aber kalt ließ. Frl. Jasminde Adrias, im Besitz einerreichen
und vollen Stimme und ansehnlicher Coloratur, griff erst bei einem zweiten
Auftreten (in Davidoff's Concert) entschiedener durch; die darmstädter Hof"
buhlte, wo sie nun angestellt ist, dürfte an ihr eine gute Acquisition ge¬
macht haben. -- Die beiden "historischen Concerte" von L. A. Zellner
waren wieder so anziehend zusammengestellt, daß der Vereinssaal zu eng für
die zahlreichen Zuhörer wurde. Aus dem ersten Programm, welches "das
Meisterthum" behandelte, gefielen namentlich zwei für gemischten Chor be¬
arbeitete Volkslieder: "drei Fräulein" und "der Gutzgauch".

Die Kammermusik wurde diesen Winter überreich gepflegt. Außer
Hellmesberger's acht jährlichen Quartettabenden gab Joachim aus all¬
gemeines Verlangen drei zahlreich besuchte Quartettproductionen und in schon
vorgerückter Saison kam noch das sogenannte "florentiner Quartett".
Die Künstler bahnten sich rasch ihren Weg. Dem ersten nur spärlich be¬
suchten Abend folgten neun weitere, die letzteren im kleinen Redoutensaal
gegeben, der durch feine vortreffliche Akustik die herrliche Klangwirkung der
italienischen Instrumente noch erhöhte. Brachten die ersten sieben Abende
alle letzteren Quartette Beethoven's zu Gehör, so gingen die Künstler beim
Abschiedsconcert bis zu des Meisters erstem Quartett zurück. Der Beifall


(^-moll), ein tüchtig nach älterer Weise durchgearbeitetes Werk. In den
beiden Concerten, die Joachim und Brahms zusammen gaben, wirkte außer
ihnen Niemand mit. Brahms zeigte sich wieder groß als Bachspieler; unter
seinen Fingern wird der Flügel zur Orgel. — In Charles Davidoff lernte
Wien einen der ersten jetzt lebenden Violoncellspieler kennen. Sein Ton ist
rein und voll, die Technik vollendet, der Vortrag frei von falscher Senti¬
mentalität. Davidoff spielte obendrein auf einem der herrlichsten Straduari-
Jnstrumente. Schade, daß die Seltenheit ausgezeichneter Cellisten mit der
Armuth an Compositionen für dies edle Instrument Hand in Hand zu gehen
scheint. Der Violinist Benno Walter, Mitglied der baier. Hoscapelle,
holte sich hier auf seinem Erstlingsausflug ein ehrenvolles Zeugniß seines
hübschen Talentes. Der junge bescheidene Künstler gebietet schon jetzt über
bedeutende Fertigkeit, hübschen Ton und reine Intonation.

Nur spärlich war die Gesangskunst vertreten. Frl. Helene Magnus
sang in ihrem Concert nur Schumann, dessen Muse ihrer Gesangweise na¬
mentlich zusagt. Es war keine leichte Aufgabe, den ganzen Liedercyclus der
„Dichterliebe" zu bewältigen, besonders bei nicht überreichen Wechsel im
Ausdruck; es war aber auch keine Nothwendigkeit, die lose und willkürlich
aneinander gereihten Lieder alle auf einmal zu bringen. Frl. Malb. Enne-
quist aus Schweden brillirte in ihren vaterländischen Gesangsweisen, in denen
sie mit schönem Triller und ausgebildetem piano viel Effect zu machen ver¬
stand, sonst aber kalt ließ. Frl. Jasminde Adrias, im Besitz einerreichen
und vollen Stimme und ansehnlicher Coloratur, griff erst bei einem zweiten
Auftreten (in Davidoff's Concert) entschiedener durch; die darmstädter Hof»
buhlte, wo sie nun angestellt ist, dürfte an ihr eine gute Acquisition ge¬
macht haben. — Die beiden „historischen Concerte" von L. A. Zellner
waren wieder so anziehend zusammengestellt, daß der Vereinssaal zu eng für
die zahlreichen Zuhörer wurde. Aus dem ersten Programm, welches »das
Meisterthum" behandelte, gefielen namentlich zwei für gemischten Chor be¬
arbeitete Volkslieder: „drei Fräulein" und „der Gutzgauch".

Die Kammermusik wurde diesen Winter überreich gepflegt. Außer
Hellmesberger's acht jährlichen Quartettabenden gab Joachim aus all¬
gemeines Verlangen drei zahlreich besuchte Quartettproductionen und in schon
vorgerückter Saison kam noch das sogenannte „florentiner Quartett".
Die Künstler bahnten sich rasch ihren Weg. Dem ersten nur spärlich be¬
suchten Abend folgten neun weitere, die letzteren im kleinen Redoutensaal
gegeben, der durch feine vortreffliche Akustik die herrliche Klangwirkung der
italienischen Instrumente noch erhöhte. Brachten die ersten sieben Abende
alle letzteren Quartette Beethoven's zu Gehör, so gingen die Künstler beim
Abschiedsconcert bis zu des Meisters erstem Quartett zurück. Der Beifall


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_362043/340>, abgerufen am 15.01.2025.