Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band.(je 1). -- Meyerbeer war mit 6 Opern vertreten, Verdi mit 4, Donizetti Wie früher erwähnt, nahmen Meyerbeer's Opern die meisten Abende (je 1). — Meyerbeer war mit 6 Opern vertreten, Verdi mit 4, Donizetti Wie früher erwähnt, nahmen Meyerbeer's Opern die meisten Abende <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0337" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/117869"/> <p xml:id="ID_1079" prev="#ID_1078"> (je 1). — Meyerbeer war mit 6 Opern vertreten, Verdi mit 4, Donizetti<lb/> mit 3. Gounot, Bellini, Weber mit je 2; alle übrigen mit je einer Oper.<lb/> Glucks mit so viel Beifall aufgenommene „Iphigenia in Antis" scheint nun<lb/> wieder bei Seite gelegt zu sein; wer Alceste oder Armida kennen lernen will,<lb/> muß ins „Ausland" reisen. Wagner soll für die Vernachlässigung in letzter<lb/> Zeit (ein einzigmal wurde im December der fliegende Holländer gegeben)<lb/> während dem Gastspiel Niemann's entschädigt werden. Rossini's „Barbier<lb/> von Sevilla", Lorzing's „Czar und Zimmermann" können schon seit Jahren<lb/> nicht gegeben werden aus Mangel an den nöthigen Darstellern. Eine be¬<lb/> deutendere Spieloper namentlich wird hier immer problematischer; alles drängt<lb/> zur großen Oper hin. Und gerade im Falle der komischen Oper hätte die<lb/> Direction in nächster Nähe Gelegenheit, einheimisches Talent aufzumuntern;<lb/> sie dürfte nur ins Orchester hinabsteigen, wo so oft auf Käßmayer's Ta¬<lb/> lent für dieses Genre der Oper hingewiesen wurde. Man klagt so häufig<lb/> über den Mangel an Nachwuchs dramatischer Componisten, bietet aber nir¬<lb/> gends die Mittel zu deren Heranbildung. Venedig besaß einst im Theater<lb/> San Mose eine für jüngere Componisten nicht genug zu würdigende Anstalt.<lb/> Man gab dort komische Opern für vier, fünf Personen ohne Chor und ohne<lb/> Dekorationswechsel. Die Oper konnte in kurzer Zeit einstudirt werden, ver¬<lb/> ursachte dem Unternehmer wenig Unkosten und der Komponist konnte sich<lb/> auf praktischem Wege Erfahrungen sammeln, die ihm später von großem<lb/> Nutzen sein mußten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1080" next="#ID_1081"> Wie früher erwähnt, nahmen Meyerbeer's Opern die meisten Abende<lb/> weg; nichtsdestoweniger erlebten der Nordstern und die Dinorah nur eine,<lb/> der Prophet nur zwei Vorstellungen, um so häufiger wurde die Afrikanerin<lb/> gegeben. Wenn man diese Opern in einem Zuge nennt (wozu auch Robert<lb/> der Teufel zu rechnen ist), fühlt man doppelt die Nichtigkeit der behandelten<lb/> Stoffe. Sollen unsere Nachkommen sich nicht über uns wundern, daß wir<lb/> so von oben herab auf jene Zeit blicken, in der ein Mozart aus Thatendrang<lb/> sich auch an Texte klammerte, über die er selber oft genug klagte? Und doch<lb/> war Meyerbeer mit all seinen Reichthümern nicht im Stande einen Dichter<lb/> M finden, der ihm einen „Don Giovanni" geliefert hätte und er brachte es<lb/> nicht über sich, nach mehr als 20jähriger wiederholter Bearbeitung einen<lb/> Stoff gleich der Afrikanerin über Bord zu werfen. Die Thaten des portu¬<lb/> giesischen Seefahrers hatten übrigens lange vor Meyerbeer zur Verwendung<lb/> für die Bühne angeregt. Schon 1792 wurde zu Berlin eine dreiactige Oper<lb/> »Vasco de Gama" aufgeführt, zu der achtzehn Componisten geplündert worden<lb/> waren. Die Ouvertüre war von Prati, ein Chor der Braminen von Pai-<lb/> stello, ein zweiter Chor aus Naumann's „Medea"; dazu kamen Arien von<lb/> Sarti, Tarchi, Mortellari, Naumann. Auch Himmels gleichnamige Oper</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0337]
(je 1). — Meyerbeer war mit 6 Opern vertreten, Verdi mit 4, Donizetti
mit 3. Gounot, Bellini, Weber mit je 2; alle übrigen mit je einer Oper.
Glucks mit so viel Beifall aufgenommene „Iphigenia in Antis" scheint nun
wieder bei Seite gelegt zu sein; wer Alceste oder Armida kennen lernen will,
muß ins „Ausland" reisen. Wagner soll für die Vernachlässigung in letzter
Zeit (ein einzigmal wurde im December der fliegende Holländer gegeben)
während dem Gastspiel Niemann's entschädigt werden. Rossini's „Barbier
von Sevilla", Lorzing's „Czar und Zimmermann" können schon seit Jahren
nicht gegeben werden aus Mangel an den nöthigen Darstellern. Eine be¬
deutendere Spieloper namentlich wird hier immer problematischer; alles drängt
zur großen Oper hin. Und gerade im Falle der komischen Oper hätte die
Direction in nächster Nähe Gelegenheit, einheimisches Talent aufzumuntern;
sie dürfte nur ins Orchester hinabsteigen, wo so oft auf Käßmayer's Ta¬
lent für dieses Genre der Oper hingewiesen wurde. Man klagt so häufig
über den Mangel an Nachwuchs dramatischer Componisten, bietet aber nir¬
gends die Mittel zu deren Heranbildung. Venedig besaß einst im Theater
San Mose eine für jüngere Componisten nicht genug zu würdigende Anstalt.
Man gab dort komische Opern für vier, fünf Personen ohne Chor und ohne
Dekorationswechsel. Die Oper konnte in kurzer Zeit einstudirt werden, ver¬
ursachte dem Unternehmer wenig Unkosten und der Komponist konnte sich
auf praktischem Wege Erfahrungen sammeln, die ihm später von großem
Nutzen sein mußten.
Wie früher erwähnt, nahmen Meyerbeer's Opern die meisten Abende
weg; nichtsdestoweniger erlebten der Nordstern und die Dinorah nur eine,
der Prophet nur zwei Vorstellungen, um so häufiger wurde die Afrikanerin
gegeben. Wenn man diese Opern in einem Zuge nennt (wozu auch Robert
der Teufel zu rechnen ist), fühlt man doppelt die Nichtigkeit der behandelten
Stoffe. Sollen unsere Nachkommen sich nicht über uns wundern, daß wir
so von oben herab auf jene Zeit blicken, in der ein Mozart aus Thatendrang
sich auch an Texte klammerte, über die er selber oft genug klagte? Und doch
war Meyerbeer mit all seinen Reichthümern nicht im Stande einen Dichter
M finden, der ihm einen „Don Giovanni" geliefert hätte und er brachte es
nicht über sich, nach mehr als 20jähriger wiederholter Bearbeitung einen
Stoff gleich der Afrikanerin über Bord zu werfen. Die Thaten des portu¬
giesischen Seefahrers hatten übrigens lange vor Meyerbeer zur Verwendung
für die Bühne angeregt. Schon 1792 wurde zu Berlin eine dreiactige Oper
»Vasco de Gama" aufgeführt, zu der achtzehn Componisten geplündert worden
waren. Die Ouvertüre war von Prati, ein Chor der Braminen von Pai-
stello, ein zweiter Chor aus Naumann's „Medea"; dazu kamen Arien von
Sarti, Tarchi, Mortellari, Naumann. Auch Himmels gleichnamige Oper
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