Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band.zu rechtfertigen. Und da das Zollparlament nur Einnahmen zu schaffen, nicht Zu diesen wirthschaftlichen Gründen gegen die Annahme des Tabaksbesteue¬ So ist es gekommen, daß der Ausgang der Tabacksverhandlung am zu rechtfertigen. Und da das Zollparlament nur Einnahmen zu schaffen, nicht Zu diesen wirthschaftlichen Gründen gegen die Annahme des Tabaksbesteue¬ So ist es gekommen, daß der Ausgang der Tabacksverhandlung am <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0322" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/117854"/> <p xml:id="ID_1042" prev="#ID_1041"> zu rechtfertigen. Und da das Zollparlament nur Einnahmen zu schaffen, nicht<lb/> auch Ausgaben zu bewilligen hat, so kann das Ziel seiner Beschlüsse immer<lb/> nur die Erhaltung des finanziellen Gleichgewichts sein, nicht stärkere Füllung<lb/> der Kassen. Dann aber stand auch durchaus nicht fest, daß nur der Tabak<lb/> (vom Petroleum vorläufig abgesehen), oder doch der Tabak besser als jeder<lb/> andere Artikel die nothwendige Deckung hergeben könne. Eine rationelle<lb/> Herabsetzung der Zuckerzölle konnte es — mit eventueller kurzer Hinaus¬<lb/> schiebung des Termins für einzelne der beabsichtigten Erleichterungen des<lb/> Verkehrs — ebenfalls, und als eine Herabsetzung natürlich noch besser.</p><lb/> <p xml:id="ID_1043"> Zu diesen wirthschaftlichen Gründen gegen die Annahme des Tabaksbesteue¬<lb/> rungsentwurfes hat in den letzten Wochen die Haltung des Grafen Bismarck<lb/> noch ein paar mehr politische gefügt. Er hat die nationalliberale Partei seit der<lb/> Reichstagsabstimmung vom 22. April systematisch daran gewöhnt, ihr Thun<lb/> und Lassen ohne Rücksicht auf seine Wünsche lediglich nach ihren eigenen zu<lb/> bestimmen; und vermöge des überzärtlichen Entgegenkommens, welches er den<lb/> süddeutschen Particularisten hier bewiesen hat und durch alle seine Anhän¬<lb/> ger hat beweisen lassen, ist auch die natürliche und gebotene Rücksicht auf<lb/> die Interessen oder Wünsche Süddeutschlands zu einer künstlichen Höhe ge¬<lb/> steigert worden. So hat Graf Bismarck selbst die Bildung einer der Ta¬<lb/> baksvorlage günstigen Mehrheit unmöglich gemacht, die Bildung einer ihr<lb/> abgneigten Mehrheit unterstützt. Sein unzulänglich entwickeltes parlamen¬<lb/> tarisches Geschick hat die ohnehin geringen Chancen zerstört, welche das<lb/> finanzielle Bedürfniß der meisten norddeutschen Staaten noch haben mochte,<lb/> diese Vorlage im wesentlichen angenommen zu sehen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1044" next="#ID_1045"> So ist es gekommen, daß der Ausgang der Tabacksverhandlung am<lb/> 13. und 16. Mai den Wendepunkt in der ersten Session des Zollparlaments<lb/> bezeichnet. Schon die nächste Sitzung (18. Mai) machte dies Allen klar.<lb/> Sie zeigte die unnatürliche Coalition vom 7. Mai — dem Tage der Adreß-<lb/> devatte — zerrissen. Gras Bismarck wandte nun auf einmal die Schärfe<lb/> seines ausschlaggebenden Einflusses gegen die Competenzverengerung, nicht mehr<lb/> gegen die Competenzerweirerung. In seine Spur tretend warf der Abg.<lb/> Wagener, Namens der preußischen Conservativen, den zuerst so liebevoll<lb/> empfangenen süddeutschen Particularisten den Fehdehandschuh hin und pro-<lb/> clamirte die Nationaleinheit bestimmter denn je vorher als das Ziel seiner<lb/> Freunde. Löwe und Waldeck endlich, für die Fortschrittspartei auftretend,<lb/> welche ihre Liebesanträge von den radicalen Würtenbergern verschmäht und<lb/> diese mit den reinen Anhängern Jacoby's fraternisiren sieht, überboten sich<lb/> gegenseitig in Angriffen auf den süddeutschen Particularismus, der eine<lb/> vorzugsweise den Freihändler, der andere den Annexionisten herauskehrend.<lb/> So vereinigten sich zur Bekämpfung der „süddeutschen Fraction" die Bundes-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0322]
zu rechtfertigen. Und da das Zollparlament nur Einnahmen zu schaffen, nicht
auch Ausgaben zu bewilligen hat, so kann das Ziel seiner Beschlüsse immer
nur die Erhaltung des finanziellen Gleichgewichts sein, nicht stärkere Füllung
der Kassen. Dann aber stand auch durchaus nicht fest, daß nur der Tabak
(vom Petroleum vorläufig abgesehen), oder doch der Tabak besser als jeder
andere Artikel die nothwendige Deckung hergeben könne. Eine rationelle
Herabsetzung der Zuckerzölle konnte es — mit eventueller kurzer Hinaus¬
schiebung des Termins für einzelne der beabsichtigten Erleichterungen des
Verkehrs — ebenfalls, und als eine Herabsetzung natürlich noch besser.
Zu diesen wirthschaftlichen Gründen gegen die Annahme des Tabaksbesteue¬
rungsentwurfes hat in den letzten Wochen die Haltung des Grafen Bismarck
noch ein paar mehr politische gefügt. Er hat die nationalliberale Partei seit der
Reichstagsabstimmung vom 22. April systematisch daran gewöhnt, ihr Thun
und Lassen ohne Rücksicht auf seine Wünsche lediglich nach ihren eigenen zu
bestimmen; und vermöge des überzärtlichen Entgegenkommens, welches er den
süddeutschen Particularisten hier bewiesen hat und durch alle seine Anhän¬
ger hat beweisen lassen, ist auch die natürliche und gebotene Rücksicht auf
die Interessen oder Wünsche Süddeutschlands zu einer künstlichen Höhe ge¬
steigert worden. So hat Graf Bismarck selbst die Bildung einer der Ta¬
baksvorlage günstigen Mehrheit unmöglich gemacht, die Bildung einer ihr
abgneigten Mehrheit unterstützt. Sein unzulänglich entwickeltes parlamen¬
tarisches Geschick hat die ohnehin geringen Chancen zerstört, welche das
finanzielle Bedürfniß der meisten norddeutschen Staaten noch haben mochte,
diese Vorlage im wesentlichen angenommen zu sehen.
So ist es gekommen, daß der Ausgang der Tabacksverhandlung am
13. und 16. Mai den Wendepunkt in der ersten Session des Zollparlaments
bezeichnet. Schon die nächste Sitzung (18. Mai) machte dies Allen klar.
Sie zeigte die unnatürliche Coalition vom 7. Mai — dem Tage der Adreß-
devatte — zerrissen. Gras Bismarck wandte nun auf einmal die Schärfe
seines ausschlaggebenden Einflusses gegen die Competenzverengerung, nicht mehr
gegen die Competenzerweirerung. In seine Spur tretend warf der Abg.
Wagener, Namens der preußischen Conservativen, den zuerst so liebevoll
empfangenen süddeutschen Particularisten den Fehdehandschuh hin und pro-
clamirte die Nationaleinheit bestimmter denn je vorher als das Ziel seiner
Freunde. Löwe und Waldeck endlich, für die Fortschrittspartei auftretend,
welche ihre Liebesanträge von den radicalen Würtenbergern verschmäht und
diese mit den reinen Anhängern Jacoby's fraternisiren sieht, überboten sich
gegenseitig in Angriffen auf den süddeutschen Particularismus, der eine
vorzugsweise den Freihändler, der andere den Annexionisten herauskehrend.
So vereinigten sich zur Bekämpfung der „süddeutschen Fraction" die Bundes-
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