Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite
Die dritte Woche des Zollparlaments.

In die dritte Parlamentswoche haben sich zwei wichtige Vorgänge zu¬
sammengedrängt, wahrscheinlich die wichtigsten und am nachhaltigsten wirken¬
den der Session: die Tabaksschlacht vom Freitag und Sonnabend, und die
große politische Auseinandersetzung, zu welcher in dieser Woche ein die Compe-
tenzfrage wiederum anregender Antrag hinsichtlich der Weinbesteuerung in
Hessen Gelegenheit gab.

Die Tabaksschlacht ist in zwei Niederlagen ausgelaufen, eine der preußi¬
schen Regierung oder des norddeutschen Bundeskanzleramts -- die sich ja
nicht immer scharf unterscheiden lassen -- und eine der Süddeutschen.
Die dem Zollparlament gemachte Vorlage, welche schon im Bundesrath nur
gegen eine starke theils s chutzzöllnerisch theils freihändlerisch gesinnte Minder¬
heit durchgesetzt worden war, ist weder einfach angenommen noch ganz ver¬
worfen worden. Die Mehrzahl der verbündeten Regierungen, denen es um
den auf 1'/2 bis 2 Millionen Thaler veranschlagten Mehrertrag der höheren
Tabaksbesteuerung ankam, hat ebensowenig Recht behalten, wie die große
Masse der süddeutschen Abgeordneten welche mit blos drei muthvollen Aus¬
nahmen (Bamberger, Bluntschli und Schwöm), die Vorlage völlig scheitern
und höchstens die Uebertragung der norddeutschen Steuer auf Süddeutsch¬
land durchgehen zu sehen hofften. Der gefaßte Beschluß nährt sich aller¬
dings dem letzteren Standpunkt mehr als dem ersteren. Er geht um ein
kleines über die bloße Ausdehnung der bestehenden Steuer auf den bisher
mit jeder Art von Steuer verschonten süddeutschen Tabaksbau hinaus, aber
nur insofern, als er die vier Classen der jetzigen Steuer, deren Durchschnitts¬
betrag 4--8 Thaler auf den Morgen sein mochte, durch einen einzigen Satz
von 6 Thalern ersetzt, den der von der Steuer mehr begünstigte pfälzische,
fränkische und hessische Tabaksbau reichlich so leicht tragen kann, wie der
uckermärkische die bisherigen Sätze. Sachlich erscheint daher die Niederlage
der leitenden Bundesregierung als die stärkere. Nur übertriebene Hart¬
näckigkeit oder falsche Berechnung des Ausgangs hat die Süddeutschen ab¬
halten können, sich der Mehrheit für den Tochter'schen Antrag anzuschließen
und so das Bundeskanzleramt nebst der Mehrzahl der norddeutschen Re¬
gierungen allein als Geschlagene aus diesem parlamentarischen Kampfe
hervorgehen zu lassen. Es zeigte sich ziemlich deutlich, daß die schutzzöll-
nerischen Anschauungen und Tendenzen, mit denen stets eine gewisse naive


Die dritte Woche des Zollparlaments.

In die dritte Parlamentswoche haben sich zwei wichtige Vorgänge zu¬
sammengedrängt, wahrscheinlich die wichtigsten und am nachhaltigsten wirken¬
den der Session: die Tabaksschlacht vom Freitag und Sonnabend, und die
große politische Auseinandersetzung, zu welcher in dieser Woche ein die Compe-
tenzfrage wiederum anregender Antrag hinsichtlich der Weinbesteuerung in
Hessen Gelegenheit gab.

Die Tabaksschlacht ist in zwei Niederlagen ausgelaufen, eine der preußi¬
schen Regierung oder des norddeutschen Bundeskanzleramts — die sich ja
nicht immer scharf unterscheiden lassen — und eine der Süddeutschen.
Die dem Zollparlament gemachte Vorlage, welche schon im Bundesrath nur
gegen eine starke theils s chutzzöllnerisch theils freihändlerisch gesinnte Minder¬
heit durchgesetzt worden war, ist weder einfach angenommen noch ganz ver¬
worfen worden. Die Mehrzahl der verbündeten Regierungen, denen es um
den auf 1'/2 bis 2 Millionen Thaler veranschlagten Mehrertrag der höheren
Tabaksbesteuerung ankam, hat ebensowenig Recht behalten, wie die große
Masse der süddeutschen Abgeordneten welche mit blos drei muthvollen Aus¬
nahmen (Bamberger, Bluntschli und Schwöm), die Vorlage völlig scheitern
und höchstens die Uebertragung der norddeutschen Steuer auf Süddeutsch¬
land durchgehen zu sehen hofften. Der gefaßte Beschluß nährt sich aller¬
dings dem letzteren Standpunkt mehr als dem ersteren. Er geht um ein
kleines über die bloße Ausdehnung der bestehenden Steuer auf den bisher
mit jeder Art von Steuer verschonten süddeutschen Tabaksbau hinaus, aber
nur insofern, als er die vier Classen der jetzigen Steuer, deren Durchschnitts¬
betrag 4—8 Thaler auf den Morgen sein mochte, durch einen einzigen Satz
von 6 Thalern ersetzt, den der von der Steuer mehr begünstigte pfälzische,
fränkische und hessische Tabaksbau reichlich so leicht tragen kann, wie der
uckermärkische die bisherigen Sätze. Sachlich erscheint daher die Niederlage
der leitenden Bundesregierung als die stärkere. Nur übertriebene Hart¬
näckigkeit oder falsche Berechnung des Ausgangs hat die Süddeutschen ab¬
halten können, sich der Mehrheit für den Tochter'schen Antrag anzuschließen
und so das Bundeskanzleramt nebst der Mehrzahl der norddeutschen Re¬
gierungen allein als Geschlagene aus diesem parlamentarischen Kampfe
hervorgehen zu lassen. Es zeigte sich ziemlich deutlich, daß die schutzzöll-
nerischen Anschauungen und Tendenzen, mit denen stets eine gewisse naive


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0320" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/117852"/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Die dritte Woche des Zollparlaments.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_1038"> In die dritte Parlamentswoche haben sich zwei wichtige Vorgänge zu¬<lb/>
sammengedrängt, wahrscheinlich die wichtigsten und am nachhaltigsten wirken¬<lb/>
den der Session: die Tabaksschlacht vom Freitag und Sonnabend, und die<lb/>
große politische Auseinandersetzung, zu welcher in dieser Woche ein die Compe-<lb/>
tenzfrage wiederum anregender Antrag hinsichtlich der Weinbesteuerung in<lb/>
Hessen Gelegenheit gab.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1039" next="#ID_1040"> Die Tabaksschlacht ist in zwei Niederlagen ausgelaufen, eine der preußi¬<lb/>
schen Regierung oder des norddeutschen Bundeskanzleramts &#x2014; die sich ja<lb/>
nicht immer scharf unterscheiden lassen &#x2014; und eine der Süddeutschen.<lb/>
Die dem Zollparlament gemachte Vorlage, welche schon im Bundesrath nur<lb/>
gegen eine starke theils s chutzzöllnerisch theils freihändlerisch gesinnte Minder¬<lb/>
heit durchgesetzt worden war, ist weder einfach angenommen noch ganz ver¬<lb/>
worfen worden. Die Mehrzahl der verbündeten Regierungen, denen es um<lb/>
den auf 1'/2 bis 2 Millionen Thaler veranschlagten Mehrertrag der höheren<lb/>
Tabaksbesteuerung ankam, hat ebensowenig Recht behalten, wie die große<lb/>
Masse der süddeutschen Abgeordneten welche mit blos drei muthvollen Aus¬<lb/>
nahmen (Bamberger, Bluntschli und Schwöm), die Vorlage völlig scheitern<lb/>
und höchstens die Uebertragung der norddeutschen Steuer auf Süddeutsch¬<lb/>
land durchgehen zu sehen hofften. Der gefaßte Beschluß nährt sich aller¬<lb/>
dings dem letzteren Standpunkt mehr als dem ersteren. Er geht um ein<lb/>
kleines über die bloße Ausdehnung der bestehenden Steuer auf den bisher<lb/>
mit jeder Art von Steuer verschonten süddeutschen Tabaksbau hinaus, aber<lb/>
nur insofern, als er die vier Classen der jetzigen Steuer, deren Durchschnitts¬<lb/>
betrag 4&#x2014;8 Thaler auf den Morgen sein mochte, durch einen einzigen Satz<lb/>
von 6 Thalern ersetzt, den der von der Steuer mehr begünstigte pfälzische,<lb/>
fränkische und hessische Tabaksbau reichlich so leicht tragen kann, wie der<lb/>
uckermärkische die bisherigen Sätze. Sachlich erscheint daher die Niederlage<lb/>
der leitenden Bundesregierung als die stärkere. Nur übertriebene Hart¬<lb/>
näckigkeit oder falsche Berechnung des Ausgangs hat die Süddeutschen ab¬<lb/>
halten können, sich der Mehrheit für den Tochter'schen Antrag anzuschließen<lb/>
und so das Bundeskanzleramt nebst der Mehrzahl der norddeutschen Re¬<lb/>
gierungen allein als Geschlagene aus diesem parlamentarischen Kampfe<lb/>
hervorgehen zu lassen. Es zeigte sich ziemlich deutlich, daß die schutzzöll-<lb/>
nerischen Anschauungen und Tendenzen, mit denen stets eine gewisse naive</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0320] Die dritte Woche des Zollparlaments. In die dritte Parlamentswoche haben sich zwei wichtige Vorgänge zu¬ sammengedrängt, wahrscheinlich die wichtigsten und am nachhaltigsten wirken¬ den der Session: die Tabaksschlacht vom Freitag und Sonnabend, und die große politische Auseinandersetzung, zu welcher in dieser Woche ein die Compe- tenzfrage wiederum anregender Antrag hinsichtlich der Weinbesteuerung in Hessen Gelegenheit gab. Die Tabaksschlacht ist in zwei Niederlagen ausgelaufen, eine der preußi¬ schen Regierung oder des norddeutschen Bundeskanzleramts — die sich ja nicht immer scharf unterscheiden lassen — und eine der Süddeutschen. Die dem Zollparlament gemachte Vorlage, welche schon im Bundesrath nur gegen eine starke theils s chutzzöllnerisch theils freihändlerisch gesinnte Minder¬ heit durchgesetzt worden war, ist weder einfach angenommen noch ganz ver¬ worfen worden. Die Mehrzahl der verbündeten Regierungen, denen es um den auf 1'/2 bis 2 Millionen Thaler veranschlagten Mehrertrag der höheren Tabaksbesteuerung ankam, hat ebensowenig Recht behalten, wie die große Masse der süddeutschen Abgeordneten welche mit blos drei muthvollen Aus¬ nahmen (Bamberger, Bluntschli und Schwöm), die Vorlage völlig scheitern und höchstens die Uebertragung der norddeutschen Steuer auf Süddeutsch¬ land durchgehen zu sehen hofften. Der gefaßte Beschluß nährt sich aller¬ dings dem letzteren Standpunkt mehr als dem ersteren. Er geht um ein kleines über die bloße Ausdehnung der bestehenden Steuer auf den bisher mit jeder Art von Steuer verschonten süddeutschen Tabaksbau hinaus, aber nur insofern, als er die vier Classen der jetzigen Steuer, deren Durchschnitts¬ betrag 4—8 Thaler auf den Morgen sein mochte, durch einen einzigen Satz von 6 Thalern ersetzt, den der von der Steuer mehr begünstigte pfälzische, fränkische und hessische Tabaksbau reichlich so leicht tragen kann, wie der uckermärkische die bisherigen Sätze. Sachlich erscheint daher die Niederlage der leitenden Bundesregierung als die stärkere. Nur übertriebene Hart¬ näckigkeit oder falsche Berechnung des Ausgangs hat die Süddeutschen ab¬ halten können, sich der Mehrheit für den Tochter'schen Antrag anzuschließen und so das Bundeskanzleramt nebst der Mehrzahl der norddeutschen Re¬ gierungen allein als Geschlagene aus diesem parlamentarischen Kampfe hervorgehen zu lassen. Es zeigte sich ziemlich deutlich, daß die schutzzöll- nerischen Anschauungen und Tendenzen, mit denen stets eine gewisse naive

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_362043
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_362043/320
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_362043/320>, abgerufen am 15.01.2025.