Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band.sein könnten. Hierin haben wir uns geirrt; durch einige Journale sind wir So finden wir in der "Situation" vom 3. Oct. einen Aufsatz mit der "Unausführbar". -- denn die Türken nehmen sich die Freiheit, wirklich "Unausführbar" weiter deswegen, weil das allgemeine Interesse von "Unausführbar" ferner auch darum, weil, wenn man es trotz dieser S8*
sein könnten. Hierin haben wir uns geirrt; durch einige Journale sind wir So finden wir in der „Situation" vom 3. Oct. einen Aufsatz mit der „Unausführbar". — denn die Türken nehmen sich die Freiheit, wirklich „Unausführbar" weiter deswegen, weil das allgemeine Interesse von „Unausführbar" ferner auch darum, weil, wenn man es trotz dieser S8*
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0303" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/117835"/> <p xml:id="ID_973" prev="#ID_972"> sein könnten. Hierin haben wir uns geirrt; durch einige Journale sind wir<lb/> hierüber vollkommen enttäuscht worden.</p><lb/> <p xml:id="ID_974"> So finden wir in der „Situation" vom 3. Oct. einen Aufsatz mit der<lb/> Unterschrift Fernand Langle. voll prophetischer Ideen über die Lösung der<lb/> orientalischen Frage. Der Verfasser gibt den Westmächten den Rath, die<lb/> Türkei schlechthin zu unterdrücken, oder, wie er pomphafterweise sagt:<lb/> „Navarin auf Navarin zu häufen, bis das türkische Reich von der Karte<lb/> von Europa verschwunden ist", und dann aus den morgenländischen<lb/> Christen drei Bundesstaaten zu bilden. Sehr naiv fügt er hinzu, auf diese<lb/> Weise werde die orientalische Frage sich in nichts auflösen und Europa vor<lb/> den Kosaken gesichert sein. Um die Vortrefflichkeit dieser Idee seinen Lesern be¬<lb/> greiflich zu machen, belehrt sie Herr Langle^, daß es eigentlich gar kein tür¬<lb/> kisches Reich gibt und die Orientalen blos Christen sind. Dies beweist aber<lb/> leider nichts anderes, als daß Herr Langle nie im Orient gewesen ist oder<lb/> auch nur einen Blick auf eine ethnographische Karte von Asten geworfen hat.<lb/> Er würde dann selbst eingesehen haben, daß seine Lösung der orientalischen<lb/> Frage unausführbar und der ganze Gedanke lächerlich ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_975"> „Unausführbar". — denn die Türken nehmen sich die Freiheit, wirklich<lb/> zu existiren und ein Volk von mehr als 20 Millionen Seelen zu bilden. Nun<lb/> begreift jedes Kind, daß 20 Millionen Menschen eines Stammes und<lb/> Glaubens sich nicht mit einem Federzuge vernichten oder vertreiben lassen,<lb/> und daß Ungefähr 11^ Millionen Christen verschiedenen Ursprungs, mit ver¬<lb/> schiedenen religiösen Sonderbekenntnissen und verschiedenen politischen Inter¬<lb/> essen, nicht drei Staaten bilden können, die fähig wären, nebeneinander,<lb/> zugleich im Bunde mit und in Unabhängigkeit von einander zu bestehen.</p><lb/> <p xml:id="ID_976"> „Unausführbar" weiter deswegen, weil das allgemeine Interesse von<lb/> Europa, welches man das europäische Gleichgewicht nennt, die Erhaltung<lb/> des türkischen Reichs gebieterisch fordert. Wir bedauern, daß Herr Langle'<lb/> sein Bundesstaatenproject nicht weiter entwickelt hat; wir möchten nämlich<lb/> gern wissen, welche Nation er zur Erbin des Uebergewichts einsetzt, welches<lb/> Zur Zeit noch die Türken haben, und wie er diesen dreiköpfigen Staaten¬<lb/> körper überhaupt nach Innen und Außen zu gestalten gedenkt. Will er, wie<lb/> doch wahrscheinlich, die Griechen in den Bund aufnehmen, so müssen wir<lb/> ihm sagen, daß sie numerisch unter den Armeniern und noch tiefer unter<lb/> den Bulgaren stehen; nichtsdestoweniger werden sie den Primat als selbstver¬<lb/> ständlich für sich verlangen. Alle nichtgriechischen orientalischen Christen aber<lb/> ^sser und verabscheuen die Griechen, werden sich nie ihnen unterordnen und<lb/> von ihnen beherrschen lassen.</p><lb/> <p xml:id="ID_977" next="#ID_978"> „Unausführbar" ferner auch darum, weil, wenn man es trotz dieser<lb/> Schwierigkeiten doch zur Bildung eines solchen Staatenbundes brächte, dies</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> S8*</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0303]
sein könnten. Hierin haben wir uns geirrt; durch einige Journale sind wir
hierüber vollkommen enttäuscht worden.
So finden wir in der „Situation" vom 3. Oct. einen Aufsatz mit der
Unterschrift Fernand Langle. voll prophetischer Ideen über die Lösung der
orientalischen Frage. Der Verfasser gibt den Westmächten den Rath, die
Türkei schlechthin zu unterdrücken, oder, wie er pomphafterweise sagt:
„Navarin auf Navarin zu häufen, bis das türkische Reich von der Karte
von Europa verschwunden ist", und dann aus den morgenländischen
Christen drei Bundesstaaten zu bilden. Sehr naiv fügt er hinzu, auf diese
Weise werde die orientalische Frage sich in nichts auflösen und Europa vor
den Kosaken gesichert sein. Um die Vortrefflichkeit dieser Idee seinen Lesern be¬
greiflich zu machen, belehrt sie Herr Langle^, daß es eigentlich gar kein tür¬
kisches Reich gibt und die Orientalen blos Christen sind. Dies beweist aber
leider nichts anderes, als daß Herr Langle nie im Orient gewesen ist oder
auch nur einen Blick auf eine ethnographische Karte von Asten geworfen hat.
Er würde dann selbst eingesehen haben, daß seine Lösung der orientalischen
Frage unausführbar und der ganze Gedanke lächerlich ist.
„Unausführbar". — denn die Türken nehmen sich die Freiheit, wirklich
zu existiren und ein Volk von mehr als 20 Millionen Seelen zu bilden. Nun
begreift jedes Kind, daß 20 Millionen Menschen eines Stammes und
Glaubens sich nicht mit einem Federzuge vernichten oder vertreiben lassen,
und daß Ungefähr 11^ Millionen Christen verschiedenen Ursprungs, mit ver¬
schiedenen religiösen Sonderbekenntnissen und verschiedenen politischen Inter¬
essen, nicht drei Staaten bilden können, die fähig wären, nebeneinander,
zugleich im Bunde mit und in Unabhängigkeit von einander zu bestehen.
„Unausführbar" weiter deswegen, weil das allgemeine Interesse von
Europa, welches man das europäische Gleichgewicht nennt, die Erhaltung
des türkischen Reichs gebieterisch fordert. Wir bedauern, daß Herr Langle'
sein Bundesstaatenproject nicht weiter entwickelt hat; wir möchten nämlich
gern wissen, welche Nation er zur Erbin des Uebergewichts einsetzt, welches
Zur Zeit noch die Türken haben, und wie er diesen dreiköpfigen Staaten¬
körper überhaupt nach Innen und Außen zu gestalten gedenkt. Will er, wie
doch wahrscheinlich, die Griechen in den Bund aufnehmen, so müssen wir
ihm sagen, daß sie numerisch unter den Armeniern und noch tiefer unter
den Bulgaren stehen; nichtsdestoweniger werden sie den Primat als selbstver¬
ständlich für sich verlangen. Alle nichtgriechischen orientalischen Christen aber
^sser und verabscheuen die Griechen, werden sich nie ihnen unterordnen und
von ihnen beherrschen lassen.
„Unausführbar" ferner auch darum, weil, wenn man es trotz dieser
Schwierigkeiten doch zur Bildung eines solchen Staatenbundes brächte, dies
S8*
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |