Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Orden ersten Grades begnadigt worden?" Nein, ich gedenke auf das wirk¬
liche Wohl der Türkei bezügliche Dinge zu verhandeln. Da ich ein Mann
bin, der Arabien, Anatolien und Rumelien durchwandert, mit seinem ganzen
Heimathslande Spanne für Spanne Bekanntschaft gemacht, seine National¬
literatur studirt und lange Zeit mit den höchsten Staatsbeamten zusam¬
men gearbeitet und verkehrt hat: so weiß ich von meinem Vaterlande doch
Wohl etwas mehr als ein aus der Fremde eingewanderter Herr Churchill*) oder
in dem Schooße ihres Hofmeisters herangewachsene Leutchen.

""Wiewohl es nun außer Frage ist, daß die Bewohner der Länder Sr.
kaiserlichen Majestät den Dingen, welche die genannte Zeitung über innere
Reichsangelegenheiten und Vorfälle auftischen wird,- kein günstiges Vorur¬
theil entgegenbringen werden und das Blatt demnach hier zu Lande nie ir¬
gend welchen Credit erlangen kann"" --

Günstiges Vorurtheil ist Sache des Volkes; hieran kann Niemandes
Belieben etwas ändern, --

""so dürfen wir doch nicht zweifeln, daß selbst die Einführung desselben
in die Länder Sr. Majestät von Seiten der hohen Regierung verboten
werden wird.""

Das also ist der langen Rede kurzer Sinn: die Negierung verbietet
unser Blatt. Aber was heißt denn das: "die hohe Regierung?" Wir haben
einen Kaiser; wir haben durch kaiserlichen Willen und Befehl eingesetzte
Staatsverwaltungsbehörden; diese Verwaltungsbehörden stehen bezüglich ihrer
Pflichten und Obliegenheiten unter dem Religionsgesetze und der Staatsver¬
fassung. So oft nun eine Verwaltungsbehörde etwas in Uebereinstimmung
mit dem Religionsgesetze und der Staatsverfassung beschließt und die Be¬
stätigung durch das Planet des Sultans hinzukommt, so heißt ein solcher
Beschluß eine Regierungsverordnung, und die beschließende Behörde ist dann
wirklich befehlendes Regierungsorgan. Mit andern Worten: die "hohe Re¬
gierung" ist ein gesetzmäßiger Gesam mtkörper; aber ein gegen Gesetz und
Verfassung blos aus dem Belieben irgend eines einzelnen Ministers her¬
vorgegangenes Lie volo sie ^ubeo heißt nicht "hohe Regierungsverordnung";
das wäre ein arger Mißbrauch des Wortes.

Demzufolge erklären wir: Soll mit dem Satze "die hohe Regierung wird
die Einführung des Muchbir nach Constantinopel verbieten" gesagt sein: die
betreffenden Verwaltungsbehörden beschließen dies nach Gesetz und Verfassung
und das Planet des Sultans bestätigt diesen Beschluß, -- wiewohl wir kaum
glauben können, daß irgend eine Verwaltungsbehörde eine so dem öffentlichen
Wohle dienende,Zeitung verbieten und zur Bestätigung dieses Beschlusses



*) Der Herausgeber der VsoKs-Mei da^Aals, ein geborner Engländer.

Orden ersten Grades begnadigt worden?" Nein, ich gedenke auf das wirk¬
liche Wohl der Türkei bezügliche Dinge zu verhandeln. Da ich ein Mann
bin, der Arabien, Anatolien und Rumelien durchwandert, mit seinem ganzen
Heimathslande Spanne für Spanne Bekanntschaft gemacht, seine National¬
literatur studirt und lange Zeit mit den höchsten Staatsbeamten zusam¬
men gearbeitet und verkehrt hat: so weiß ich von meinem Vaterlande doch
Wohl etwas mehr als ein aus der Fremde eingewanderter Herr Churchill*) oder
in dem Schooße ihres Hofmeisters herangewachsene Leutchen.

„„Wiewohl es nun außer Frage ist, daß die Bewohner der Länder Sr.
kaiserlichen Majestät den Dingen, welche die genannte Zeitung über innere
Reichsangelegenheiten und Vorfälle auftischen wird,- kein günstiges Vorur¬
theil entgegenbringen werden und das Blatt demnach hier zu Lande nie ir¬
gend welchen Credit erlangen kann"" —

Günstiges Vorurtheil ist Sache des Volkes; hieran kann Niemandes
Belieben etwas ändern, —

„„so dürfen wir doch nicht zweifeln, daß selbst die Einführung desselben
in die Länder Sr. Majestät von Seiten der hohen Regierung verboten
werden wird.""

Das also ist der langen Rede kurzer Sinn: die Negierung verbietet
unser Blatt. Aber was heißt denn das: „die hohe Regierung?" Wir haben
einen Kaiser; wir haben durch kaiserlichen Willen und Befehl eingesetzte
Staatsverwaltungsbehörden; diese Verwaltungsbehörden stehen bezüglich ihrer
Pflichten und Obliegenheiten unter dem Religionsgesetze und der Staatsver¬
fassung. So oft nun eine Verwaltungsbehörde etwas in Uebereinstimmung
mit dem Religionsgesetze und der Staatsverfassung beschließt und die Be¬
stätigung durch das Planet des Sultans hinzukommt, so heißt ein solcher
Beschluß eine Regierungsverordnung, und die beschließende Behörde ist dann
wirklich befehlendes Regierungsorgan. Mit andern Worten: die „hohe Re¬
gierung" ist ein gesetzmäßiger Gesam mtkörper; aber ein gegen Gesetz und
Verfassung blos aus dem Belieben irgend eines einzelnen Ministers her¬
vorgegangenes Lie volo sie ^ubeo heißt nicht „hohe Regierungsverordnung";
das wäre ein arger Mißbrauch des Wortes.

Demzufolge erklären wir: Soll mit dem Satze „die hohe Regierung wird
die Einführung des Muchbir nach Constantinopel verbieten" gesagt sein: die
betreffenden Verwaltungsbehörden beschließen dies nach Gesetz und Verfassung
und das Planet des Sultans bestätigt diesen Beschluß, — wiewohl wir kaum
glauben können, daß irgend eine Verwaltungsbehörde eine so dem öffentlichen
Wohle dienende,Zeitung verbieten und zur Bestätigung dieses Beschlusses



*) Der Herausgeber der VsoKs-Mei da^Aals, ein geborner Engländer.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0299" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/117831"/>
          <p xml:id="ID_951" prev="#ID_950"> Orden ersten Grades begnadigt worden?" Nein, ich gedenke auf das wirk¬<lb/>
liche Wohl der Türkei bezügliche Dinge zu verhandeln. Da ich ein Mann<lb/>
bin, der Arabien, Anatolien und Rumelien durchwandert, mit seinem ganzen<lb/>
Heimathslande Spanne für Spanne Bekanntschaft gemacht, seine National¬<lb/>
literatur studirt und lange Zeit mit den höchsten Staatsbeamten zusam¬<lb/>
men gearbeitet und verkehrt hat: so weiß ich von meinem Vaterlande doch<lb/>
Wohl etwas mehr als ein aus der Fremde eingewanderter Herr Churchill*) oder<lb/>
in dem Schooße ihres Hofmeisters herangewachsene Leutchen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_952"> &#x201E;&#x201E;Wiewohl es nun außer Frage ist, daß die Bewohner der Länder Sr.<lb/>
kaiserlichen Majestät den Dingen, welche die genannte Zeitung über innere<lb/>
Reichsangelegenheiten und Vorfälle auftischen wird,- kein günstiges Vorur¬<lb/>
theil entgegenbringen werden und das Blatt demnach hier zu Lande nie ir¬<lb/>
gend welchen Credit erlangen kann"" &#x2014;</p><lb/>
          <p xml:id="ID_953"> Günstiges Vorurtheil ist Sache des Volkes; hieran kann Niemandes<lb/>
Belieben etwas ändern, &#x2014;</p><lb/>
          <p xml:id="ID_954"> &#x201E;&#x201E;so dürfen wir doch nicht zweifeln, daß selbst die Einführung desselben<lb/>
in die Länder Sr. Majestät von Seiten der hohen Regierung verboten<lb/>
werden wird.""</p><lb/>
          <p xml:id="ID_955"> Das also ist der langen Rede kurzer Sinn: die Negierung verbietet<lb/>
unser Blatt. Aber was heißt denn das: &#x201E;die hohe Regierung?" Wir haben<lb/>
einen Kaiser; wir haben durch kaiserlichen Willen und Befehl eingesetzte<lb/>
Staatsverwaltungsbehörden; diese Verwaltungsbehörden stehen bezüglich ihrer<lb/>
Pflichten und Obliegenheiten unter dem Religionsgesetze und der Staatsver¬<lb/>
fassung. So oft nun eine Verwaltungsbehörde etwas in Uebereinstimmung<lb/>
mit dem Religionsgesetze und der Staatsverfassung beschließt und die Be¬<lb/>
stätigung durch das Planet des Sultans hinzukommt, so heißt ein solcher<lb/>
Beschluß eine Regierungsverordnung, und die beschließende Behörde ist dann<lb/>
wirklich befehlendes Regierungsorgan. Mit andern Worten: die &#x201E;hohe Re¬<lb/>
gierung" ist ein gesetzmäßiger Gesam mtkörper; aber ein gegen Gesetz und<lb/>
Verfassung blos aus dem Belieben irgend eines einzelnen Ministers her¬<lb/>
vorgegangenes Lie volo sie ^ubeo heißt nicht &#x201E;hohe Regierungsverordnung";<lb/>
das wäre ein arger Mißbrauch des Wortes.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_956" next="#ID_957"> Demzufolge erklären wir: Soll mit dem Satze &#x201E;die hohe Regierung wird<lb/>
die Einführung des Muchbir nach Constantinopel verbieten" gesagt sein: die<lb/>
betreffenden Verwaltungsbehörden beschließen dies nach Gesetz und Verfassung<lb/>
und das Planet des Sultans bestätigt diesen Beschluß, &#x2014; wiewohl wir kaum<lb/>
glauben können, daß irgend eine Verwaltungsbehörde eine so dem öffentlichen<lb/>
Wohle dienende,Zeitung verbieten und zur Bestätigung dieses Beschlusses</p><lb/>
          <note xml:id="FID_27" place="foot"> *) Der Herausgeber der VsoKs-Mei da^Aals, ein geborner Engländer.</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0299] Orden ersten Grades begnadigt worden?" Nein, ich gedenke auf das wirk¬ liche Wohl der Türkei bezügliche Dinge zu verhandeln. Da ich ein Mann bin, der Arabien, Anatolien und Rumelien durchwandert, mit seinem ganzen Heimathslande Spanne für Spanne Bekanntschaft gemacht, seine National¬ literatur studirt und lange Zeit mit den höchsten Staatsbeamten zusam¬ men gearbeitet und verkehrt hat: so weiß ich von meinem Vaterlande doch Wohl etwas mehr als ein aus der Fremde eingewanderter Herr Churchill*) oder in dem Schooße ihres Hofmeisters herangewachsene Leutchen. „„Wiewohl es nun außer Frage ist, daß die Bewohner der Länder Sr. kaiserlichen Majestät den Dingen, welche die genannte Zeitung über innere Reichsangelegenheiten und Vorfälle auftischen wird,- kein günstiges Vorur¬ theil entgegenbringen werden und das Blatt demnach hier zu Lande nie ir¬ gend welchen Credit erlangen kann"" — Günstiges Vorurtheil ist Sache des Volkes; hieran kann Niemandes Belieben etwas ändern, — „„so dürfen wir doch nicht zweifeln, daß selbst die Einführung desselben in die Länder Sr. Majestät von Seiten der hohen Regierung verboten werden wird."" Das also ist der langen Rede kurzer Sinn: die Negierung verbietet unser Blatt. Aber was heißt denn das: „die hohe Regierung?" Wir haben einen Kaiser; wir haben durch kaiserlichen Willen und Befehl eingesetzte Staatsverwaltungsbehörden; diese Verwaltungsbehörden stehen bezüglich ihrer Pflichten und Obliegenheiten unter dem Religionsgesetze und der Staatsver¬ fassung. So oft nun eine Verwaltungsbehörde etwas in Uebereinstimmung mit dem Religionsgesetze und der Staatsverfassung beschließt und die Be¬ stätigung durch das Planet des Sultans hinzukommt, so heißt ein solcher Beschluß eine Regierungsverordnung, und die beschließende Behörde ist dann wirklich befehlendes Regierungsorgan. Mit andern Worten: die „hohe Re¬ gierung" ist ein gesetzmäßiger Gesam mtkörper; aber ein gegen Gesetz und Verfassung blos aus dem Belieben irgend eines einzelnen Ministers her¬ vorgegangenes Lie volo sie ^ubeo heißt nicht „hohe Regierungsverordnung"; das wäre ein arger Mißbrauch des Wortes. Demzufolge erklären wir: Soll mit dem Satze „die hohe Regierung wird die Einführung des Muchbir nach Constantinopel verbieten" gesagt sein: die betreffenden Verwaltungsbehörden beschließen dies nach Gesetz und Verfassung und das Planet des Sultans bestätigt diesen Beschluß, — wiewohl wir kaum glauben können, daß irgend eine Verwaltungsbehörde eine so dem öffentlichen Wohle dienende,Zeitung verbieten und zur Bestätigung dieses Beschlusses *) Der Herausgeber der VsoKs-Mei da^Aals, ein geborner Engländer.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_362043
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_362043/299
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_362043/299>, abgerufen am 15.01.2025.