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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band.

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missen läßt und überhaupt weit milder gehalten ist als irgend eins von Jaco-
bello, so gehört es diesem Maler sicherlich nicht an, sondern vermuthlich der
Schule von Murano. Und was die Angaben über Jacobellos Leben betrifft,
so ist es eine Grausamkeit, dasselbe mit dem Jahre 1431 abzuschneiden,
während doch die Academie zu Venedig ein Bild von ihm mit seiner Signatur
und mit der Jahreszahl 1436 besitzt; und überdies ist ja auch sein Testament
publicirt, das den Datum 1439 trägt!

Von Jacobello kommen wir auf Giambono, seinen Zeitgenossen, welchem
das Bild Ur. 1154, eine Himmelfahrt der Magdalena, zugeschrieben ist. Mit
zwei Gemälden, die wir zum Vergleich heranziehen können, einem Markus
inmitten anderer Heiligen im Markuspalast in Venedig, auf dem Giam-
bono's Name steht, und der Madonna mit dem Kind in der Gallerie des
Conte Riva in Padua, hat dasselbe keine Aehnlichkeit. Diese lassen erkennen,
daß Giambono ein Schüler der Veroneser und besonders des Victor Pisano
war. Seine Zeichnung ist manirirt, ohne Einfachheit, seine Figuren heftig
aber conventionell in der Bewegung, seine Farbe bunt. Jenes berliner Bild
zeigt dagegen die Weichheit der Muraneser und rührt ohne Zweifel von
Antonio da Murano her.

Antonio interessirt uns mehr, besonders weil die erste Nennung seines
Namens mit einem höchst überraschenden und seltsamen Irrthum zusammen¬
hängt. Das Bild Ur. S, eine Anbetung der Könige, documentirt, wie voll¬
ständig dieser Meister unter dem Einflüsse Gentile's da Fabriano stand. Wir
bestätigen hierbei mit Freude die Genauigkeit der Nomenclatur, nur beklagen
wir den Zusatz, wonach dem Bartolomeo Vivarini Antheil an dieser Arbeit
zugeschrieben wird. Der Name Vivarini ist in der Anwendung aus diesen
Antonio (da Murano) nicht gerechtfertigt, aber noch viel weniger die Be¬
hauptung, daß wir keine Kunde von Antonio hätten, die über das Jahr
1451 hinaus reichte, und daß er Schüler des Andrea da Murano gewesen
sei. Zu den bekanntesten Bildern Antonios gehört eins im Museum des
Lateran in Rom, und dieses trägt seinen Namen mit der Jahreszahl 1464;
es befand^sich jahrhundertelang in S. Antonio Abade in Pesaro. Andrea
da Murano aber ist ein Maler, mit dessen Bildern italienische Kritiker sehr
vertraut sind. Lorenzo Crico gibt in seinen lottere sulIe belle arti 1revi-
Ziiz,ne (Treviso 1833) ausführlichen Bericht von einem Altarbild in der Land¬
kirche zu Trebaseleghe, und behauptet den darauf bezüglichen Contract gesehen
zu haben, der, von 1484 datirt, jetzt in einer andern Kirche, zu Mussolone
aufbewahrt wird. In der Nähe von Treviso ist auch noch ein zweites Altar¬
gemälde mit Andrea da Murano's Namen und der Jahreszahl 1602. Der
Stil dieser und anderer Bilder, die man für verloren hielt, die aber doch
noch zu existiren scheinen, offenbart die Schule von Murano. Sonach lehrt


missen läßt und überhaupt weit milder gehalten ist als irgend eins von Jaco-
bello, so gehört es diesem Maler sicherlich nicht an, sondern vermuthlich der
Schule von Murano. Und was die Angaben über Jacobellos Leben betrifft,
so ist es eine Grausamkeit, dasselbe mit dem Jahre 1431 abzuschneiden,
während doch die Academie zu Venedig ein Bild von ihm mit seiner Signatur
und mit der Jahreszahl 1436 besitzt; und überdies ist ja auch sein Testament
publicirt, das den Datum 1439 trägt!

Von Jacobello kommen wir auf Giambono, seinen Zeitgenossen, welchem
das Bild Ur. 1154, eine Himmelfahrt der Magdalena, zugeschrieben ist. Mit
zwei Gemälden, die wir zum Vergleich heranziehen können, einem Markus
inmitten anderer Heiligen im Markuspalast in Venedig, auf dem Giam-
bono's Name steht, und der Madonna mit dem Kind in der Gallerie des
Conte Riva in Padua, hat dasselbe keine Aehnlichkeit. Diese lassen erkennen,
daß Giambono ein Schüler der Veroneser und besonders des Victor Pisano
war. Seine Zeichnung ist manirirt, ohne Einfachheit, seine Figuren heftig
aber conventionell in der Bewegung, seine Farbe bunt. Jenes berliner Bild
zeigt dagegen die Weichheit der Muraneser und rührt ohne Zweifel von
Antonio da Murano her.

Antonio interessirt uns mehr, besonders weil die erste Nennung seines
Namens mit einem höchst überraschenden und seltsamen Irrthum zusammen¬
hängt. Das Bild Ur. S, eine Anbetung der Könige, documentirt, wie voll¬
ständig dieser Meister unter dem Einflüsse Gentile's da Fabriano stand. Wir
bestätigen hierbei mit Freude die Genauigkeit der Nomenclatur, nur beklagen
wir den Zusatz, wonach dem Bartolomeo Vivarini Antheil an dieser Arbeit
zugeschrieben wird. Der Name Vivarini ist in der Anwendung aus diesen
Antonio (da Murano) nicht gerechtfertigt, aber noch viel weniger die Be¬
hauptung, daß wir keine Kunde von Antonio hätten, die über das Jahr
1451 hinaus reichte, und daß er Schüler des Andrea da Murano gewesen
sei. Zu den bekanntesten Bildern Antonios gehört eins im Museum des
Lateran in Rom, und dieses trägt seinen Namen mit der Jahreszahl 1464;
es befand^sich jahrhundertelang in S. Antonio Abade in Pesaro. Andrea
da Murano aber ist ein Maler, mit dessen Bildern italienische Kritiker sehr
vertraut sind. Lorenzo Crico gibt in seinen lottere sulIe belle arti 1revi-
Ziiz,ne (Treviso 1833) ausführlichen Bericht von einem Altarbild in der Land¬
kirche zu Trebaseleghe, und behauptet den darauf bezüglichen Contract gesehen
zu haben, der, von 1484 datirt, jetzt in einer andern Kirche, zu Mussolone
aufbewahrt wird. In der Nähe von Treviso ist auch noch ein zweites Altar¬
gemälde mit Andrea da Murano's Namen und der Jahreszahl 1602. Der
Stil dieser und anderer Bilder, die man für verloren hielt, die aber doch
noch zu existiren scheinen, offenbart die Schule von Murano. Sonach lehrt


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_362043/290>, abgerufen am 15.01.2025.