Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band.wie sehr er nachträglich durch den Umstand gerechtfertigt wurde, daß während 'Diese Nebel, die anfangs den Wahlhorizont verdunkelt hatten, verzogen wie sehr er nachträglich durch den Umstand gerechtfertigt wurde, daß während 'Diese Nebel, die anfangs den Wahlhorizont verdunkelt hatten, verzogen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0028" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/117560"/> <p xml:id="ID_99" prev="#ID_98"> wie sehr er nachträglich durch den Umstand gerechtfertigt wurde, daß während<lb/> der Wahlen und nach denselben Jedermann zunächst die politische Bedeutung<lb/> derselben ins Auge faßte, es hatte doch das Stuttgarter Programm innerhalb<lb/> der nationalen Partei selbst einen heftigen Widerstand hervorgerufen, der sich<lb/> auch im Großherzogthum Hessen sehr bemerklich machte und der eines der<lb/> Haupthindernisse war und blieb, mit dem wir bei den Wahlen zu kämpfen<lb/> hatten. In dem Ruf nach Fachleuten, der vielfach dem rein politischen Pro¬<lb/> gramm entgegengesetzt wurde, vereinigte sich eine Anzahl von unklaren Be¬<lb/> strebungen aller Art. Die Schwierigkeit der wirthschaftlichen Aufgaben des<lb/> Zollparlamentes wurden in übertriebener Weise zur Geltung gebracht; alle<lb/> die Gründe, mit denen man von jeher gegen parlamentarische Versammlungen<lb/> zu Felde gezogen, wurden hervorgeholt, um sie gegen die politische Bedeutung<lb/> des Zollparlamentes zu verwerthen. Der Parlamentarismus ist aber zu fest<lb/> in unserem Volke gewurzelt, als daß nicht alle gegen denselben ins Tref¬<lb/> fen geführten Gründe der Bevölkerung ungewohnt und neu geblieben wären.<lb/> Wenn man gegen die Halbwisserei der Politiker und für den ausschließlichen Beruf<lb/> der Fachmänner agitirte, so that das die Dienste, die Alles Neue leistet;<lb/> viele Gemüther wurden verwirrt und kamen erst zur Besinnung, als es für<lb/> sie zu spät war. Daß sich auch die Negierung des Rufs nach „Fachmännern"<lb/> bediente, um die nationale Partei damit zu bekämpfen, versteht sich von selbst.<lb/> Außerdem war die Entkleidung der Zollparlamentswahlen von jeder politi¬<lb/> schen Bedeutung das bequemste aller Programme, denn es öffnete Thür und<lb/> Thor für alle denkbaren Compromisse, und zeigte statt der Anstrengung eines<lb/> Wahlkampfes die beruhigende Perspective eines behaglichen Gehenlassens. Daß<lb/> hierbei natürlich die nationale Partei gegen die Mächte des Beharrens zu<lb/> kurz kommen müßte, wurde von den Genossen, welche den Stuttgarter Beschluß<lb/> ansonsten, übersehen. In jeder Partei kommen Leute vor, die jede politische<lb/> Anstrengung scheuen, besonders häufig Hausen dieselben aber in Mittel¬<lb/> parteien. Die Motive der Bequemlichkeit und der Scheu vor Conflicten<lb/> lagen stark ausgeprägt in Südhessen vor. Die Unmöglichkeit, trotz der Oppo¬<lb/> sition des gesammten Landes und der Ereignisse von 1866 das Ministerium<lb/> Dalwigk zu verdrängen, deprimirte die Massen, welche den Glauben an sich<lb/> selbst und die Wahlen verloren hatten. Dazu kamen andere ungünstige Um¬<lb/> stände. Einem Theil des Handels- und Gewerbestandes schmeichelte die Idee<lb/> eines Fachmännerparlamentes. Man wollte eine Art Ostracismus gegen<lb/> die politischen Führer der Partei ausüben. Die Devise „Fachmänner"<lb/> wurde als eine Freikarte ausgegeben, welche jede Mittelmäßigkeit zum Ein¬<lb/> tritt in das Zollparlament befähigen sollte.</p><lb/> <p xml:id="ID_100" next="#ID_101"> 'Diese Nebel, die anfangs den Wahlhorizont verdunkelt hatten, verzogen<lb/> sich aber, sobald die politischen Leidenschaften wach gerufen wurden. Der</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0028]
wie sehr er nachträglich durch den Umstand gerechtfertigt wurde, daß während
der Wahlen und nach denselben Jedermann zunächst die politische Bedeutung
derselben ins Auge faßte, es hatte doch das Stuttgarter Programm innerhalb
der nationalen Partei selbst einen heftigen Widerstand hervorgerufen, der sich
auch im Großherzogthum Hessen sehr bemerklich machte und der eines der
Haupthindernisse war und blieb, mit dem wir bei den Wahlen zu kämpfen
hatten. In dem Ruf nach Fachleuten, der vielfach dem rein politischen Pro¬
gramm entgegengesetzt wurde, vereinigte sich eine Anzahl von unklaren Be¬
strebungen aller Art. Die Schwierigkeit der wirthschaftlichen Aufgaben des
Zollparlamentes wurden in übertriebener Weise zur Geltung gebracht; alle
die Gründe, mit denen man von jeher gegen parlamentarische Versammlungen
zu Felde gezogen, wurden hervorgeholt, um sie gegen die politische Bedeutung
des Zollparlamentes zu verwerthen. Der Parlamentarismus ist aber zu fest
in unserem Volke gewurzelt, als daß nicht alle gegen denselben ins Tref¬
fen geführten Gründe der Bevölkerung ungewohnt und neu geblieben wären.
Wenn man gegen die Halbwisserei der Politiker und für den ausschließlichen Beruf
der Fachmänner agitirte, so that das die Dienste, die Alles Neue leistet;
viele Gemüther wurden verwirrt und kamen erst zur Besinnung, als es für
sie zu spät war. Daß sich auch die Negierung des Rufs nach „Fachmännern"
bediente, um die nationale Partei damit zu bekämpfen, versteht sich von selbst.
Außerdem war die Entkleidung der Zollparlamentswahlen von jeder politi¬
schen Bedeutung das bequemste aller Programme, denn es öffnete Thür und
Thor für alle denkbaren Compromisse, und zeigte statt der Anstrengung eines
Wahlkampfes die beruhigende Perspective eines behaglichen Gehenlassens. Daß
hierbei natürlich die nationale Partei gegen die Mächte des Beharrens zu
kurz kommen müßte, wurde von den Genossen, welche den Stuttgarter Beschluß
ansonsten, übersehen. In jeder Partei kommen Leute vor, die jede politische
Anstrengung scheuen, besonders häufig Hausen dieselben aber in Mittel¬
parteien. Die Motive der Bequemlichkeit und der Scheu vor Conflicten
lagen stark ausgeprägt in Südhessen vor. Die Unmöglichkeit, trotz der Oppo¬
sition des gesammten Landes und der Ereignisse von 1866 das Ministerium
Dalwigk zu verdrängen, deprimirte die Massen, welche den Glauben an sich
selbst und die Wahlen verloren hatten. Dazu kamen andere ungünstige Um¬
stände. Einem Theil des Handels- und Gewerbestandes schmeichelte die Idee
eines Fachmännerparlamentes. Man wollte eine Art Ostracismus gegen
die politischen Führer der Partei ausüben. Die Devise „Fachmänner"
wurde als eine Freikarte ausgegeben, welche jede Mittelmäßigkeit zum Ein¬
tritt in das Zollparlament befähigen sollte.
'Diese Nebel, die anfangs den Wahlhorizont verdunkelt hatten, verzogen
sich aber, sobald die politischen Leidenschaften wach gerufen wurden. Der
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