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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band.

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Kleinodien der Nation selbst übergeben.....Er lechzte tief verletzt nach
Rache, die ihm auch Ruhm einbringen sollte. ... Er äffte den Patriarchen
Dobrowsky, lähmte.das Ansehen Hanka's, ließ seine Scheintriumphe durch
das böhmische Museum feiern, er. dem man vorwarf, die patriotischen Ten¬
denzen desselben Museums bei der Regierung als gefährlich zu denun-
ciren." ^-

Aber in diesem Fall hätte Zimmermann doch schließlich hervortreten und
die Belege dafür beibringen müssen, daß und wie er die größten slavischen
Gelehrten zum Besten gehabt hat. dann erst hätte von Rache die Rede sein
können. Doch diese ganze Annahme fällt zu Boden, denn die erste Fälschung
geschah bereits 1816. also zwei Jahre vor Gründung des Museums, die
zweite aber schon ein Jahr nach der Gründung. -- Mit der vierten Fälschung
kann Zimmermann an und für sich nichts zu schaffen gehabt haben, denn
1849 lebte er nicht mehr. -- Bei der dritten Fälschung, welche allerdings
der Hauptsache nach gleichfalls Zimmermann in die Schuhe geschoben wird,
Weiß Hanusch selbst Haut" nicht rein zu waschen, und gesteht zu. daß Hanka
die Gedichte als Falsificat kennen mußte, sich aber dadurch nicht abhalten
ließ, die Fälschungen stets zu verkaufen, geschweige denn, daß er gesagt hätte,
was er wußte, daß die Gedichte unterschoben seien. Hanusch entschuldigt
dieses nicht, erklärt es aber "aus dem geistesdunklen Gemüthe Hankas".
"aus der Jmbeeilität seines Geistes und Charakters".

Ob sich aus dieser "Jmbeeilität" Hanka's nicht auch noch anderes, nicht
auch sein Verhältniß zu den übrigen Fälschungen erklären ließe, ob ihm nur
diese eine Fälschung und nicht auch ebensogut die anderen Gedichte als Fal-
sificate bekannt waren, und ob er nicht etwa aus derselben "Jmbeeilität
seines Geistes", aus der er nicht sagte, was er sicher wußte, daß,
einige Gedichte in der LwrodM LKIaclänie gefälscht sind. <meh sein Wissen
oder Mitwissen um die drei anderen Fälschungen verschwieg, das wollen wir
hier nicht untersuchen, eines aber scheint uns keinem Zweifel unterworfen zu
sein, daß Hanusch den Fälscher nicht eruirt hat, und daß nach den Aus¬
führungen von Hanusch Zimmermann die Falsisicate ebensowenig gemacht
hat, wie er sie gemacht haben kann.

Wer der Fälscher war? wir wissen es gleichfalls nicht mit Beweisen
darzuthun, und auf Vermuthungen uns einzulassen haben wir hier keine
Veranlassung. Vielleicht daß noch einmal der Zufall oder die Forschung
den Schleier lüftet, der sich jetzt über der Sache ausbreitet.

Viel Arbeit und Zeit sollte man indeß, scheint es uns, hierauf nicht ver¬
wenden, denn was ist der Wissenschaft und dem Leben gedient, wenn die
We der Falsificatoren um einen Namen reicher wird? Das, worauf es
ankommt, ist bereits zu Tage gefördert, -- Deutsche und Czechen zweifeln


Kleinodien der Nation selbst übergeben.....Er lechzte tief verletzt nach
Rache, die ihm auch Ruhm einbringen sollte. ... Er äffte den Patriarchen
Dobrowsky, lähmte.das Ansehen Hanka's, ließ seine Scheintriumphe durch
das böhmische Museum feiern, er. dem man vorwarf, die patriotischen Ten¬
denzen desselben Museums bei der Regierung als gefährlich zu denun-
ciren." ^-

Aber in diesem Fall hätte Zimmermann doch schließlich hervortreten und
die Belege dafür beibringen müssen, daß und wie er die größten slavischen
Gelehrten zum Besten gehabt hat. dann erst hätte von Rache die Rede sein
können. Doch diese ganze Annahme fällt zu Boden, denn die erste Fälschung
geschah bereits 1816. also zwei Jahre vor Gründung des Museums, die
zweite aber schon ein Jahr nach der Gründung. — Mit der vierten Fälschung
kann Zimmermann an und für sich nichts zu schaffen gehabt haben, denn
1849 lebte er nicht mehr. — Bei der dritten Fälschung, welche allerdings
der Hauptsache nach gleichfalls Zimmermann in die Schuhe geschoben wird,
Weiß Hanusch selbst Haut« nicht rein zu waschen, und gesteht zu. daß Hanka
die Gedichte als Falsificat kennen mußte, sich aber dadurch nicht abhalten
ließ, die Fälschungen stets zu verkaufen, geschweige denn, daß er gesagt hätte,
was er wußte, daß die Gedichte unterschoben seien. Hanusch entschuldigt
dieses nicht, erklärt es aber „aus dem geistesdunklen Gemüthe Hankas".
„aus der Jmbeeilität seines Geistes und Charakters".

Ob sich aus dieser „Jmbeeilität" Hanka's nicht auch noch anderes, nicht
auch sein Verhältniß zu den übrigen Fälschungen erklären ließe, ob ihm nur
diese eine Fälschung und nicht auch ebensogut die anderen Gedichte als Fal-
sificate bekannt waren, und ob er nicht etwa aus derselben „Jmbeeilität
seines Geistes", aus der er nicht sagte, was er sicher wußte, daß,
einige Gedichte in der LwrodM LKIaclänie gefälscht sind. <meh sein Wissen
oder Mitwissen um die drei anderen Fälschungen verschwieg, das wollen wir
hier nicht untersuchen, eines aber scheint uns keinem Zweifel unterworfen zu
sein, daß Hanusch den Fälscher nicht eruirt hat, und daß nach den Aus¬
führungen von Hanusch Zimmermann die Falsisicate ebensowenig gemacht
hat, wie er sie gemacht haben kann.

Wer der Fälscher war? wir wissen es gleichfalls nicht mit Beweisen
darzuthun, und auf Vermuthungen uns einzulassen haben wir hier keine
Veranlassung. Vielleicht daß noch einmal der Zufall oder die Forschung
den Schleier lüftet, der sich jetzt über der Sache ausbreitet.

Viel Arbeit und Zeit sollte man indeß, scheint es uns, hierauf nicht ver¬
wenden, denn was ist der Wissenschaft und dem Leben gedient, wenn die
We der Falsificatoren um einen Namen reicher wird? Das, worauf es
ankommt, ist bereits zu Tage gefördert, — Deutsche und Czechen zweifeln


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_362043/275>, abgerufen am 15.01.2025.