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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band.

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fünften Bändchen der LtarobM LKIcMnie Hanka's (erschienen 1823) und
endlich die böhmischen Prophezeiungen Libussa's (erschienen 1849). Es wird
jetzt nicht mehr darum gestritten, ob diese Gedichte gefälscht sind, sondern
wer sie gefälscht hat, und darüber haben sich so eben zwei ezechische Gelehrte
ausgesprochen. Professor Schembera, ein verdienter böhmischer Schriftsteller,
treuer, erprobter Anhänger des Slaventhums hält in der (böhmisch ge¬
schriebenen) dritten Auflage seiner Geschichte der böhmischen Sprache und
Literatur (Wien 1868) den bekannten W. Hanka und einen Amanuensis an
der prager Universitätsbibliothek Jos. Linda für die Fälscher des Wyssehrad-
und Wenzelliedes. "Es war denselben unerträglich, die böhmische Literatur
ohne alle Denkmäler aus dem 12. und 13. Jahrhunderte zu wissen: sie be¬
schlossen daher im Jahre 1816, als sie damals gemeinschaftlich in der Michaels¬
gasse wohnten, diese Lücke durch ihre Kunstfertigkeit auszufüllen. Wie es
wahrscheinlich ist, verfertigte Hanka den Text und Linda, der eine
schöne Handschrift hatte, schrieb. Die erste Frucht ihrer geheimen Muße "das
Lied an den Wyssehrad" trug Hanka selbst zu Jungmann und Dobrowsky,
die zweite Frucht aber "das Minnelied", geschrieben mit einer Schrift, welche
die Züge der Königinhofer Handschrift nachahmte, unterschob der Schreiber
Linda dem Bibliothekscriptor I. Zimmermann und vergönnte ihm den Ruhm
der Entdeckung. Zimmermann sendete sie dem obersten Burggrafen, Grafen
Fr. von Kolowrat mit einem Beisatze, indem er sie für die älteste böhmische
Handschrift aus dem 12. Jahrhundert erklärte. Diese Meinung bestätigte
auch Hanka damit, daß er selbst sie in Druck gab, wodurch er zugleich be¬
urkundete, daß sie nicht ohne sein Wissen geschaffen wurde." --

Diese Aufstellung Schemberas bekämpft in einer Brochure unter dem
Titel: "die gefälschten böhmischen Gedichte aus den Jahren 1816--1849.
(Prag 1868)" Dr. I. Hanusch, Universitätsbibliothekar in Prag, ein gleich¬
falls verdienter czechischer Gelehrte, der die Fälschung gleichfalls als un¬
zweifelhaft annimmt, aber als Fälscher den erwähnten I. Zimmermann
bezeichnet

Daß dieser Mann, ein Mitglied des Kreuzherrnordens und Bibliothekar
des Klosters, außerdem Scriptor an der Universitätsbibliothek. Translator
in Ksbraieis und Büchercensor, eine ganz eigenthümlich angelegte Natur war,
ist richtig. Hanusch entwirft von ihm ein häßliches, aber sicher im allge¬
meinen richtiges Bild. Er nennt ihn stolz, eitel, neidisch, krankhaft boshaft,
einen Menschenverächter und Pessimisten. Er erwähnt, daß Dobrowsky noch
.im Jahre 1825 in der Bibliothek der Kreuzherrn die beste Handschrift der
Chronik des Benesch von Horschowitz gesehen habe, daß in derselben aber
1829 ein Stück gefehlt habe, und daß das fehlende Stück 1861 in der Uni¬
versitätsbibliothek hinter einer Verschalung gefunden worden sei. Wer anders


fünften Bändchen der LtarobM LKIcMnie Hanka's (erschienen 1823) und
endlich die böhmischen Prophezeiungen Libussa's (erschienen 1849). Es wird
jetzt nicht mehr darum gestritten, ob diese Gedichte gefälscht sind, sondern
wer sie gefälscht hat, und darüber haben sich so eben zwei ezechische Gelehrte
ausgesprochen. Professor Schembera, ein verdienter böhmischer Schriftsteller,
treuer, erprobter Anhänger des Slaventhums hält in der (böhmisch ge¬
schriebenen) dritten Auflage seiner Geschichte der böhmischen Sprache und
Literatur (Wien 1868) den bekannten W. Hanka und einen Amanuensis an
der prager Universitätsbibliothek Jos. Linda für die Fälscher des Wyssehrad-
und Wenzelliedes. „Es war denselben unerträglich, die böhmische Literatur
ohne alle Denkmäler aus dem 12. und 13. Jahrhunderte zu wissen: sie be¬
schlossen daher im Jahre 1816, als sie damals gemeinschaftlich in der Michaels¬
gasse wohnten, diese Lücke durch ihre Kunstfertigkeit auszufüllen. Wie es
wahrscheinlich ist, verfertigte Hanka den Text und Linda, der eine
schöne Handschrift hatte, schrieb. Die erste Frucht ihrer geheimen Muße „das
Lied an den Wyssehrad" trug Hanka selbst zu Jungmann und Dobrowsky,
die zweite Frucht aber „das Minnelied", geschrieben mit einer Schrift, welche
die Züge der Königinhofer Handschrift nachahmte, unterschob der Schreiber
Linda dem Bibliothekscriptor I. Zimmermann und vergönnte ihm den Ruhm
der Entdeckung. Zimmermann sendete sie dem obersten Burggrafen, Grafen
Fr. von Kolowrat mit einem Beisatze, indem er sie für die älteste böhmische
Handschrift aus dem 12. Jahrhundert erklärte. Diese Meinung bestätigte
auch Hanka damit, daß er selbst sie in Druck gab, wodurch er zugleich be¬
urkundete, daß sie nicht ohne sein Wissen geschaffen wurde." —

Diese Aufstellung Schemberas bekämpft in einer Brochure unter dem
Titel: „die gefälschten böhmischen Gedichte aus den Jahren 1816—1849.
(Prag 1868)" Dr. I. Hanusch, Universitätsbibliothekar in Prag, ein gleich¬
falls verdienter czechischer Gelehrte, der die Fälschung gleichfalls als un¬
zweifelhaft annimmt, aber als Fälscher den erwähnten I. Zimmermann
bezeichnet

Daß dieser Mann, ein Mitglied des Kreuzherrnordens und Bibliothekar
des Klosters, außerdem Scriptor an der Universitätsbibliothek. Translator
in Ksbraieis und Büchercensor, eine ganz eigenthümlich angelegte Natur war,
ist richtig. Hanusch entwirft von ihm ein häßliches, aber sicher im allge¬
meinen richtiges Bild. Er nennt ihn stolz, eitel, neidisch, krankhaft boshaft,
einen Menschenverächter und Pessimisten. Er erwähnt, daß Dobrowsky noch
.im Jahre 1825 in der Bibliothek der Kreuzherrn die beste Handschrift der
Chronik des Benesch von Horschowitz gesehen habe, daß in derselben aber
1829 ein Stück gefehlt habe, und daß das fehlende Stück 1861 in der Uni¬
versitätsbibliothek hinter einer Verschalung gefunden worden sei. Wer anders


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_362043/273>, abgerufen am 15.01.2025.