Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band.hellenischen Begeisterung gebildet und seitdem längst überlebt hatten, war Und die unschätzbare Gelegenheit, durch ein Werk von so nachhaltiger hellenischen Begeisterung gebildet und seitdem längst überlebt hatten, war Und die unschätzbare Gelegenheit, durch ein Werk von so nachhaltiger <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0233" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/117765"/> <p xml:id="ID_751" prev="#ID_750"> hellenischen Begeisterung gebildet und seitdem längst überlebt hatten, war<lb/> Herr von Prokesch, damals k. k. Gesandter in Athen, schon im I. 1834 an<lb/> das Werk einer aktenmäßigen Darstellung der Geschichte des Abfalls der<lb/> Griechen und der Gründung des hellenischen Königreichs gegangen- Im<lb/> Frühjahr 1848 hatte der Freund von Gentz, der Teilnehmer an der großen<lb/> Zeit der östreichischen Präponderanz in Europa, seine fleißige Arbeit beendet<lb/> und in der damals geschriebenen Vorrede rühmen können, „er sei berufen, die<lb/> Fackel der Geschichte in das diplomatische Labyrinth des Befreiungskrieges<lb/> zu tragen, er sei durch seine freundschaftlichen Beziehungen zu vielen der ein¬<lb/> greifenden Männer befähigt gewesen, Quellen zu benutzen, die kein Anderer<lb/> sammeln konntet Selbst das stolze Wort, mit welchem er seine Vorrede<lb/> schloß: „Alles was bis jetzt über diesen Gegenstand geschrieben wurde, ist Par¬<lb/> teischrift oder gar schwaches Stückwerk. Ich will etwas Vollständiges, von<lb/> Parteileidenschaften Unentstelltes geben", hatte damals sein unbestreitbares<lb/> Recht und es läßt sich wohl behaupten, daß eine sofortige Veröffentlichung<lb/> dieses Werks, bei zahlreichen neueren Historikern und ihren Lesern eine von<lb/> den gegenwärtigen Vorstellungen in wesentlichen Beziehungen abweichende<lb/> Ausfassung des metternichschen Verhaltens zur orientalischen Frage begründet<lb/> und das Prestige, welches diese Politik ihrer Zeit umgab, zum Theil er¬<lb/> halten hätte. Die optimistischen Vorstellungen von dem Charakter jener<lb/> Revolution und ihren Theilnehmern, der man bis zum Ausgang der dreißiger<lb/> Jahre gehuldigt hatte, waren bereits aus der Mode und harrten nur eines<lb/> ausreichenden Correctivs, um sich berichtigen zu lassen; durch die Enthüllun¬<lb/> gen, welche das Werk von Prokesch enthielt, konnten sie einen Stoß er¬<lb/> fahren, der sie ohne Mühe nahezu in ihr Gegentheil verwandelt hätte.</p><lb/> <p xml:id="ID_752" next="#ID_753"> Und die unschätzbare Gelegenheit, durch ein Werk von so nachhaltiger<lb/> Bedeutung dauernd auf die Vorstellungen der Zeitgenossen wirken, diese für<lb/> die östreichischen Anschauungen über die orientalische Frage gewinnen zu kön¬<lb/> nen, hat das wiener Cabinet sich entgehen lassen — ohne allen Grund und<lb/> einzig aus der ledigen Gewohnheit ängstlicher Lichtscheu! Eine dem ersten<lb/> Bande vorgedruckte Notiz des Autors bemerkt, dieses schon vor zwanzig<lb/> Jahren zum Abschluß gebrachte Werk, sei „durch außerordentliche Umstände<lb/> seither am Erscheinen gehindert" gewesen. Ja noch mehr! Der größte Theil<lb/> desselben sei schon im Jahre 18S3 fertig gedruckt gewesen. Diese „außer¬<lb/> ordentlichen Umstände" sind nur in der abnormen Geistesverfassung der da¬<lb/> maligen Träger der östreichischen Politik zu suchen. Trotz des schroffen, bis<lb/> heute weder ausgeglichenen noch vergessenen Gegensatzes, in welchen Oestreich<lb/> während des eben damals entbrennenden orientalischen Krieges zu Rußland<lb/> trat und trotz der Gründe, welche gerade 18S3 dafür sprechen mußten,<lb/> des Kaiserstaats Interesse an der Aufrechterhaltung der Türkei und der</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0233]
hellenischen Begeisterung gebildet und seitdem längst überlebt hatten, war
Herr von Prokesch, damals k. k. Gesandter in Athen, schon im I. 1834 an
das Werk einer aktenmäßigen Darstellung der Geschichte des Abfalls der
Griechen und der Gründung des hellenischen Königreichs gegangen- Im
Frühjahr 1848 hatte der Freund von Gentz, der Teilnehmer an der großen
Zeit der östreichischen Präponderanz in Europa, seine fleißige Arbeit beendet
und in der damals geschriebenen Vorrede rühmen können, „er sei berufen, die
Fackel der Geschichte in das diplomatische Labyrinth des Befreiungskrieges
zu tragen, er sei durch seine freundschaftlichen Beziehungen zu vielen der ein¬
greifenden Männer befähigt gewesen, Quellen zu benutzen, die kein Anderer
sammeln konntet Selbst das stolze Wort, mit welchem er seine Vorrede
schloß: „Alles was bis jetzt über diesen Gegenstand geschrieben wurde, ist Par¬
teischrift oder gar schwaches Stückwerk. Ich will etwas Vollständiges, von
Parteileidenschaften Unentstelltes geben", hatte damals sein unbestreitbares
Recht und es läßt sich wohl behaupten, daß eine sofortige Veröffentlichung
dieses Werks, bei zahlreichen neueren Historikern und ihren Lesern eine von
den gegenwärtigen Vorstellungen in wesentlichen Beziehungen abweichende
Ausfassung des metternichschen Verhaltens zur orientalischen Frage begründet
und das Prestige, welches diese Politik ihrer Zeit umgab, zum Theil er¬
halten hätte. Die optimistischen Vorstellungen von dem Charakter jener
Revolution und ihren Theilnehmern, der man bis zum Ausgang der dreißiger
Jahre gehuldigt hatte, waren bereits aus der Mode und harrten nur eines
ausreichenden Correctivs, um sich berichtigen zu lassen; durch die Enthüllun¬
gen, welche das Werk von Prokesch enthielt, konnten sie einen Stoß er¬
fahren, der sie ohne Mühe nahezu in ihr Gegentheil verwandelt hätte.
Und die unschätzbare Gelegenheit, durch ein Werk von so nachhaltiger
Bedeutung dauernd auf die Vorstellungen der Zeitgenossen wirken, diese für
die östreichischen Anschauungen über die orientalische Frage gewinnen zu kön¬
nen, hat das wiener Cabinet sich entgehen lassen — ohne allen Grund und
einzig aus der ledigen Gewohnheit ängstlicher Lichtscheu! Eine dem ersten
Bande vorgedruckte Notiz des Autors bemerkt, dieses schon vor zwanzig
Jahren zum Abschluß gebrachte Werk, sei „durch außerordentliche Umstände
seither am Erscheinen gehindert" gewesen. Ja noch mehr! Der größte Theil
desselben sei schon im Jahre 18S3 fertig gedruckt gewesen. Diese „außer¬
ordentlichen Umstände" sind nur in der abnormen Geistesverfassung der da¬
maligen Träger der östreichischen Politik zu suchen. Trotz des schroffen, bis
heute weder ausgeglichenen noch vergessenen Gegensatzes, in welchen Oestreich
während des eben damals entbrennenden orientalischen Krieges zu Rußland
trat und trotz der Gründe, welche gerade 18S3 dafür sprechen mußten,
des Kaiserstaats Interesse an der Aufrechterhaltung der Türkei und der
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