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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band.

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bis zu Franks Tode, der im December 1791 erfolgte, und nachdem der Alte
mit fürstlichem Gepränge begraben worden war, setzte die incarnirte Emire
das Geschäft weiter fort.

Allmählich waren die Geldquellen der polnischen Emigration versiegt.
Eva machte Schulden, um den Glanz des Hofes fortzuführen, und als die¬
selben zuletzt drei Millionen Gulden erreichten, die wiederholten Vertröstun¬
gen auf russische Außenstände ebensowenig mehr verfangen wollten wie die
"rothen" Mahn- und Drohbriefe der Hofkabbalisten an die jüdisch-polnischen
Gemeinden, ja als zuletzt die "heilige Jungfrau" selbst mit Personalhaft bedroht
ward, da schwanden der Nimbus und der Glanz der Hofhaltung, und für die
Verständigeren wohl auch die Reize der Mystik. Die leichtgläubigen Offen¬
bacher freilich wollten noch lange nicht an die Schwindelei ihrer Polenfürstin
glauben, umsoweniger, als noch beim Durchzuge Kaiser Alexanders im Jahre
1813 Eva bei dem russischen Monarchen eine Audienz erhielt und, wahrschein¬
lich in Erinnerung der von ihrem Vater der russischen Regierung geleisteten
Dienste, ein Geldgeschenk, das allerdings nicht zur Befriedigung der Gläu¬
biger, wohl aber zu einiger Fristung des Haushaltes hinreichte. Erst im
Jahre 1817, nachdem der Humbug in Offenbach 28 Jahre gedauert hatte,
wurde endlich eine Untersuchung gegen das fremde Fräulein eingeleitet. Alle
Welt war gespannt, was nun an den Tag kommen würde. Da hieß es mit
einem Male, das Fräulein sei gestorben. Kaum zwölf Stunden nach dem
angeblichen Todesfall wurde der Sarg geschlossen und ein stilles Leichen-
begängniß abgehalten. -- Wenn, wie Herr Schenck-Rinck vermuthet, Eva da¬
mals nicht gestorben, sondern unter Mithilfe eines ehemaligen isenburgischen
Beamten entflohen ist, so war der Abschluß dieses frankistischen Schwindels
nur seines Anfanges würdig und die Gläubiger waren, wie Grätz treffend
bemerkt, ebenso geprellt wie die Gläubigen. ^--




Aus Schleswig^Holsiem.

. Die Zustände in den Herzogthümern zu schildern, ist keine leichte Auf¬
gabe. Preußen hat hier ein Land gewonnen, welches eigentlich erst seit ei¬
nigen Jahrzehnten dem politischen Leben Deutschlands näher getreten war,
und selbst da, wo Berührung stattfand, hauptsächlich auf dem Gebiete politi¬
scher Hoffnungen und Ideale. Denn.Verwaltung und Justiz, Kirche und Staat
waren im Style des achtzehnten Jahrhunderts; wer etwa die Beschreibung
Holsteins im alten Büsching aus den siebziger Jahren las, erhielt daraus ein


bis zu Franks Tode, der im December 1791 erfolgte, und nachdem der Alte
mit fürstlichem Gepränge begraben worden war, setzte die incarnirte Emire
das Geschäft weiter fort.

Allmählich waren die Geldquellen der polnischen Emigration versiegt.
Eva machte Schulden, um den Glanz des Hofes fortzuführen, und als die¬
selben zuletzt drei Millionen Gulden erreichten, die wiederholten Vertröstun¬
gen auf russische Außenstände ebensowenig mehr verfangen wollten wie die
„rothen" Mahn- und Drohbriefe der Hofkabbalisten an die jüdisch-polnischen
Gemeinden, ja als zuletzt die „heilige Jungfrau" selbst mit Personalhaft bedroht
ward, da schwanden der Nimbus und der Glanz der Hofhaltung, und für die
Verständigeren wohl auch die Reize der Mystik. Die leichtgläubigen Offen¬
bacher freilich wollten noch lange nicht an die Schwindelei ihrer Polenfürstin
glauben, umsoweniger, als noch beim Durchzuge Kaiser Alexanders im Jahre
1813 Eva bei dem russischen Monarchen eine Audienz erhielt und, wahrschein¬
lich in Erinnerung der von ihrem Vater der russischen Regierung geleisteten
Dienste, ein Geldgeschenk, das allerdings nicht zur Befriedigung der Gläu¬
biger, wohl aber zu einiger Fristung des Haushaltes hinreichte. Erst im
Jahre 1817, nachdem der Humbug in Offenbach 28 Jahre gedauert hatte,
wurde endlich eine Untersuchung gegen das fremde Fräulein eingeleitet. Alle
Welt war gespannt, was nun an den Tag kommen würde. Da hieß es mit
einem Male, das Fräulein sei gestorben. Kaum zwölf Stunden nach dem
angeblichen Todesfall wurde der Sarg geschlossen und ein stilles Leichen-
begängniß abgehalten. — Wenn, wie Herr Schenck-Rinck vermuthet, Eva da¬
mals nicht gestorben, sondern unter Mithilfe eines ehemaligen isenburgischen
Beamten entflohen ist, so war der Abschluß dieses frankistischen Schwindels
nur seines Anfanges würdig und die Gläubiger waren, wie Grätz treffend
bemerkt, ebenso geprellt wie die Gläubigen. ^—




Aus Schleswig^Holsiem.

. Die Zustände in den Herzogthümern zu schildern, ist keine leichte Auf¬
gabe. Preußen hat hier ein Land gewonnen, welches eigentlich erst seit ei¬
nigen Jahrzehnten dem politischen Leben Deutschlands näher getreten war,
und selbst da, wo Berührung stattfand, hauptsächlich auf dem Gebiete politi¬
scher Hoffnungen und Ideale. Denn.Verwaltung und Justiz, Kirche und Staat
waren im Style des achtzehnten Jahrhunderts; wer etwa die Beschreibung
Holsteins im alten Büsching aus den siebziger Jahren las, erhielt daraus ein


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[0194] bis zu Franks Tode, der im December 1791 erfolgte, und nachdem der Alte mit fürstlichem Gepränge begraben worden war, setzte die incarnirte Emire das Geschäft weiter fort. Allmählich waren die Geldquellen der polnischen Emigration versiegt. Eva machte Schulden, um den Glanz des Hofes fortzuführen, und als die¬ selben zuletzt drei Millionen Gulden erreichten, die wiederholten Vertröstun¬ gen auf russische Außenstände ebensowenig mehr verfangen wollten wie die „rothen" Mahn- und Drohbriefe der Hofkabbalisten an die jüdisch-polnischen Gemeinden, ja als zuletzt die „heilige Jungfrau" selbst mit Personalhaft bedroht ward, da schwanden der Nimbus und der Glanz der Hofhaltung, und für die Verständigeren wohl auch die Reize der Mystik. Die leichtgläubigen Offen¬ bacher freilich wollten noch lange nicht an die Schwindelei ihrer Polenfürstin glauben, umsoweniger, als noch beim Durchzuge Kaiser Alexanders im Jahre 1813 Eva bei dem russischen Monarchen eine Audienz erhielt und, wahrschein¬ lich in Erinnerung der von ihrem Vater der russischen Regierung geleisteten Dienste, ein Geldgeschenk, das allerdings nicht zur Befriedigung der Gläu¬ biger, wohl aber zu einiger Fristung des Haushaltes hinreichte. Erst im Jahre 1817, nachdem der Humbug in Offenbach 28 Jahre gedauert hatte, wurde endlich eine Untersuchung gegen das fremde Fräulein eingeleitet. Alle Welt war gespannt, was nun an den Tag kommen würde. Da hieß es mit einem Male, das Fräulein sei gestorben. Kaum zwölf Stunden nach dem angeblichen Todesfall wurde der Sarg geschlossen und ein stilles Leichen- begängniß abgehalten. — Wenn, wie Herr Schenck-Rinck vermuthet, Eva da¬ mals nicht gestorben, sondern unter Mithilfe eines ehemaligen isenburgischen Beamten entflohen ist, so war der Abschluß dieses frankistischen Schwindels nur seines Anfanges würdig und die Gläubiger waren, wie Grätz treffend bemerkt, ebenso geprellt wie die Gläubigen. ^— Aus Schleswig^Holsiem. . Die Zustände in den Herzogthümern zu schildern, ist keine leichte Auf¬ gabe. Preußen hat hier ein Land gewonnen, welches eigentlich erst seit ei¬ nigen Jahrzehnten dem politischen Leben Deutschlands näher getreten war, und selbst da, wo Berührung stattfand, hauptsächlich auf dem Gebiete politi¬ scher Hoffnungen und Ideale. Denn.Verwaltung und Justiz, Kirche und Staat waren im Style des achtzehnten Jahrhunderts; wer etwa die Beschreibung Holsteins im alten Büsching aus den siebziger Jahren las, erhielt daraus ein

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_362043/194>, abgerufen am 15.01.2025.