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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band.

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ihn den "heiligen Herrn" nennen. Die Moral, die er seinen Leuten bei¬
brachte, war höchst verwerflich; Betrug war nach seiner Ansicht nur geschickter
Kunstgriff; vor allem, lehrte er, müsse man nach Reichthum streben. Gold
und Rache an den Feinden waren die Lieblingsthemata seiner Lehre. Seine
Polnischen Juden köderte er noch mit der Versicherung, daß sie allein die
Auserwählten Gottes seien.

Zur Befestigung seiner Autorität und zur Begeisterung seiner militäri¬
schen Escorte mußte namentlich auch seine inzwischen zu einer blendenden
Schönheit herangewachsene Tochter herhalten, die während der Gefangenschaft
des Vaters in polnisch-aristocratischen Kreisen erzogen worden war. Sie
wurde in das kabbalistische System Franks eingeweiht, indem ihr die Re¬
präsentation des Glaubens, "Emuna" oder "Emire", zugetheilt wurde. Sie
soll mit einem polnischen Edelmann, einem Lubomirski, verlobt gewesen sein,
auch wurde erzählt, daß Kaiser Joseph der Zweite, von ihrer Schönheit ent¬
zückt, um ihre Hand angehalten habe. Die Angaben über Franks Erlebnisse
in Oestreich schwanken jedoch, so sehr, daß die Begegnung mit dem Kaiser
in Wien fingirt sein kann.

Eine Speculation, die Frank schon in früheren Jahren eifrig betrieben
hatte, sollte ihm noch im vorgerückten Alter glücken: es war die auf
den sWverainen Besitz eines isolirten Landstriches. Von dem regierenden
Fürsten Wolfgang Ernst von Homburg-Birstein, der von Schulden gedrängt
war, kaufte der polnische Convertit das Schloß in Offenbach mit den Präro¬
gativen eigener Polizei und Gerichtsbarkeit über seine Gutsbewohner, was
mit vollständiger Unabhängigkeit im damaligen deutschen Reiche ziemlich
gleichbedeutend war. Der Zug der "Polacken" von Brunn nach Offenbach
(1788--89), der Luxus und das fremde Treiben in der neuen Residenz Franks
sind von Schenck-Rinck nach örtlichen Quellen in der Eingangs citirten Schrift
geschildert. In Offenbach war Frank für Aufrechthaltung seiner mysteriösen
Stellung besonders thätig; er ließ sich nur noch Baron oder auch den Polen¬
fürsten nennen, gelegentlich auch durch seine Leute aussprengen, er sei
kein Geringerer als der vom Throne gestoßene und für todt ausgegebene
Peter III. von Rußland, das schöne Fräulein aber seine Romanowna, eine
natürliche Tochter der Kaiserin Elisabeth. Die "Pflegetochter" gab sich denn
auch zu allen Schwindeleien ihres Vaters her, sie unterzeichnete sogar ein
Actenstück mit dem Namen Eva Romanowna. -- Während auf diese Weise
die Umgebung Franks fortdauernd in Täuschung erhalten wurde, wußte man
zugleich aus Polen, Mähren und Böhmen allmählich an tausend dienstwillige
Leute an den Hof des podolischen Gottmenschen zu ziehen. So ging das ---
wahrscheinlich durch ein chemisches Laboratorium unterstützte -- kabbalistische
Gaukelspiel, sowie das militärische Gepränge und der übrige Hocuspocus fort


ihn den „heiligen Herrn" nennen. Die Moral, die er seinen Leuten bei¬
brachte, war höchst verwerflich; Betrug war nach seiner Ansicht nur geschickter
Kunstgriff; vor allem, lehrte er, müsse man nach Reichthum streben. Gold
und Rache an den Feinden waren die Lieblingsthemata seiner Lehre. Seine
Polnischen Juden köderte er noch mit der Versicherung, daß sie allein die
Auserwählten Gottes seien.

Zur Befestigung seiner Autorität und zur Begeisterung seiner militäri¬
schen Escorte mußte namentlich auch seine inzwischen zu einer blendenden
Schönheit herangewachsene Tochter herhalten, die während der Gefangenschaft
des Vaters in polnisch-aristocratischen Kreisen erzogen worden war. Sie
wurde in das kabbalistische System Franks eingeweiht, indem ihr die Re¬
präsentation des Glaubens, „Emuna" oder „Emire", zugetheilt wurde. Sie
soll mit einem polnischen Edelmann, einem Lubomirski, verlobt gewesen sein,
auch wurde erzählt, daß Kaiser Joseph der Zweite, von ihrer Schönheit ent¬
zückt, um ihre Hand angehalten habe. Die Angaben über Franks Erlebnisse
in Oestreich schwanken jedoch, so sehr, daß die Begegnung mit dem Kaiser
in Wien fingirt sein kann.

Eine Speculation, die Frank schon in früheren Jahren eifrig betrieben
hatte, sollte ihm noch im vorgerückten Alter glücken: es war die auf
den sWverainen Besitz eines isolirten Landstriches. Von dem regierenden
Fürsten Wolfgang Ernst von Homburg-Birstein, der von Schulden gedrängt
war, kaufte der polnische Convertit das Schloß in Offenbach mit den Präro¬
gativen eigener Polizei und Gerichtsbarkeit über seine Gutsbewohner, was
mit vollständiger Unabhängigkeit im damaligen deutschen Reiche ziemlich
gleichbedeutend war. Der Zug der „Polacken" von Brunn nach Offenbach
(1788—89), der Luxus und das fremde Treiben in der neuen Residenz Franks
sind von Schenck-Rinck nach örtlichen Quellen in der Eingangs citirten Schrift
geschildert. In Offenbach war Frank für Aufrechthaltung seiner mysteriösen
Stellung besonders thätig; er ließ sich nur noch Baron oder auch den Polen¬
fürsten nennen, gelegentlich auch durch seine Leute aussprengen, er sei
kein Geringerer als der vom Throne gestoßene und für todt ausgegebene
Peter III. von Rußland, das schöne Fräulein aber seine Romanowna, eine
natürliche Tochter der Kaiserin Elisabeth. Die „Pflegetochter" gab sich denn
auch zu allen Schwindeleien ihres Vaters her, sie unterzeichnete sogar ein
Actenstück mit dem Namen Eva Romanowna. — Während auf diese Weise
die Umgebung Franks fortdauernd in Täuschung erhalten wurde, wußte man
zugleich aus Polen, Mähren und Böhmen allmählich an tausend dienstwillige
Leute an den Hof des podolischen Gottmenschen zu ziehen. So ging das -—
wahrscheinlich durch ein chemisches Laboratorium unterstützte — kabbalistische
Gaukelspiel, sowie das militärische Gepränge und der übrige Hocuspocus fort


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[0193] ihn den „heiligen Herrn" nennen. Die Moral, die er seinen Leuten bei¬ brachte, war höchst verwerflich; Betrug war nach seiner Ansicht nur geschickter Kunstgriff; vor allem, lehrte er, müsse man nach Reichthum streben. Gold und Rache an den Feinden waren die Lieblingsthemata seiner Lehre. Seine Polnischen Juden köderte er noch mit der Versicherung, daß sie allein die Auserwählten Gottes seien. Zur Befestigung seiner Autorität und zur Begeisterung seiner militäri¬ schen Escorte mußte namentlich auch seine inzwischen zu einer blendenden Schönheit herangewachsene Tochter herhalten, die während der Gefangenschaft des Vaters in polnisch-aristocratischen Kreisen erzogen worden war. Sie wurde in das kabbalistische System Franks eingeweiht, indem ihr die Re¬ präsentation des Glaubens, „Emuna" oder „Emire", zugetheilt wurde. Sie soll mit einem polnischen Edelmann, einem Lubomirski, verlobt gewesen sein, auch wurde erzählt, daß Kaiser Joseph der Zweite, von ihrer Schönheit ent¬ zückt, um ihre Hand angehalten habe. Die Angaben über Franks Erlebnisse in Oestreich schwanken jedoch, so sehr, daß die Begegnung mit dem Kaiser in Wien fingirt sein kann. Eine Speculation, die Frank schon in früheren Jahren eifrig betrieben hatte, sollte ihm noch im vorgerückten Alter glücken: es war die auf den sWverainen Besitz eines isolirten Landstriches. Von dem regierenden Fürsten Wolfgang Ernst von Homburg-Birstein, der von Schulden gedrängt war, kaufte der polnische Convertit das Schloß in Offenbach mit den Präro¬ gativen eigener Polizei und Gerichtsbarkeit über seine Gutsbewohner, was mit vollständiger Unabhängigkeit im damaligen deutschen Reiche ziemlich gleichbedeutend war. Der Zug der „Polacken" von Brunn nach Offenbach (1788—89), der Luxus und das fremde Treiben in der neuen Residenz Franks sind von Schenck-Rinck nach örtlichen Quellen in der Eingangs citirten Schrift geschildert. In Offenbach war Frank für Aufrechthaltung seiner mysteriösen Stellung besonders thätig; er ließ sich nur noch Baron oder auch den Polen¬ fürsten nennen, gelegentlich auch durch seine Leute aussprengen, er sei kein Geringerer als der vom Throne gestoßene und für todt ausgegebene Peter III. von Rußland, das schöne Fräulein aber seine Romanowna, eine natürliche Tochter der Kaiserin Elisabeth. Die „Pflegetochter" gab sich denn auch zu allen Schwindeleien ihres Vaters her, sie unterzeichnete sogar ein Actenstück mit dem Namen Eva Romanowna. — Während auf diese Weise die Umgebung Franks fortdauernd in Täuschung erhalten wurde, wußte man zugleich aus Polen, Mähren und Böhmen allmählich an tausend dienstwillige Leute an den Hof des podolischen Gottmenschen zu ziehen. So ging das -— wahrscheinlich durch ein chemisches Laboratorium unterstützte — kabbalistische Gaukelspiel, sowie das militärische Gepränge und der übrige Hocuspocus fort

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_362043/193>, abgerufen am 15.01.2025.