Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band.ferner daß sie im katholischen Gottesdienst statt aller Gebetbücher der Kirche Von Polen hinweg wandte sich jetzt Frank nach Brünn, wo er bereits ferner daß sie im katholischen Gottesdienst statt aller Gebetbücher der Kirche Von Polen hinweg wandte sich jetzt Frank nach Brünn, wo er bereits <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0192" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/117724"/> <p xml:id="ID_597" prev="#ID_596"> ferner daß sie im katholischen Gottesdienst statt aller Gebetbücher der Kirche<lb/> den Sohar lasen und daß Frank in den christlichen Gebetbüchern der Con-<lb/> vertiten seinen Namen Jacob dem von Jesus hatte substituiren lassen. In¬<lb/> folge dieser und ähnlicher Enthüllungen ließ der Generalofficial der Inqui¬<lb/> sition den Convertitenhäuptling am 26. Januar 1760 verhaften. Die<lb/> Untersuchung bestätigte seine Betrügereien — man glaubt, daß ihm die<lb/> Tortur Geständnisse abgepreßt habe —. und so wurde er denn als öffentlicher<lb/> Betrüger verurtheilt, jedoch nicht zum Tode, wie das Gesetz eigentlich ver¬<lb/> langt hätte, sondern mit Rücksicht auf die königliche Pathenschaft zu lebens¬<lb/> länglicher Haft in der Feste Czenstochau. Hier, in dem heute so berühmten<lb/> Wallfahrtsorte, wurde Frank dreizehn Jahre hindurch festgehalten. Der päpst¬<lb/> liche Nuntius Serra in Warschau, der an der Untersuchung gegen Frank<lb/> das lebhafteste Interesse nahm, schickte zu jener Zeit die jetzt erst durch<lb/> Theiner veröffentlichten Briefe über Franks religiöse Betrügerei nach Rom;<lb/> wären diese Berichte damals ins Publieum gelangt, so würde Franks<lb/> Schwindlerrolle wohl mit seiner Gefangenschaft zu Ende gewesen sein. Statt<lb/> dessen trat das Gegentheil ein: Franks „Martyrium" an der „Pforte Roms",<lb/> wie die Sabbatianer nach einer talmudischen Reminiscenz Czenstochau nannten,<lb/> diente nur zu seiner weiteren mystischen Verherrlichung, umsomehr, da er noch<lb/> im Gefängniß nicht von allem Verkehr abgeschlossen blieb und seine Spiegel¬<lb/> fechterei unbeirrt fortsetzte. So wollte er unter anderem Wunderbaren ein<lb/> gestorbenes Kind vom Tode auferweckt haben; andererseits war er weltklug<lb/> genug, um bei der eintretenden Auflösung Polens und der überhandnehmen¬<lb/> den Einmischung Rußlands die Fühlung mit dieser Macht und der griechischen<lb/> Kirche zu suchen, was ihm jedoch anfangs nicht recht gelingen wollte. End¬<lb/> lich aber, nach der Uebergabe Czenstochaus an die Russen, wurde er von diesen<lb/> in Freiheit gesetzt (1772), und in späterer Zeit erhielt er sogar Geldunter¬<lb/> stützung von der russischen Negierung.</p><lb/> <p xml:id="ID_598" next="#ID_599"> Von Polen hinweg wandte sich jetzt Frank nach Brünn, wo er bereits<lb/> Anhänger besaß, deren Zahl sich bald durch den Zuzug von Genossen aus<lb/> Polen sehr verstärkte. Von seinen Freunden schickte er zwei Brüder Schor-<lb/> Wolowski und Jemerdski Dembowski als Kundschafter und Apostel nach<lb/> Polen zurück, wo sich denn auch sein Cultus im Geheimen erhielt. Aus<lb/> seinen vertrautesten Anhängern bildete er eine Genossenschaft („Chebra"), auch<lb/> das Lager („Maschneh") genannt. Die neue Religion, die er jetzt systema¬<lb/> tisch lehrte, nannte er mit dem hebräischen Worte „Dath". Sie be¬<lb/> stand zunächst darin, daß jede bestehende Religion und jeder confessionelle<lb/> Ritus abgestreift und nur gegen den Meister selbst Gehorsam geübt werden<lb/> sollte. Seine eigene Person stellte Frank als den Mittelpunkt der Welt und<lb/> der Zukunft hin und nannte sich Atomen und Gott; seine Anhänger mußten</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0192]
ferner daß sie im katholischen Gottesdienst statt aller Gebetbücher der Kirche
den Sohar lasen und daß Frank in den christlichen Gebetbüchern der Con-
vertiten seinen Namen Jacob dem von Jesus hatte substituiren lassen. In¬
folge dieser und ähnlicher Enthüllungen ließ der Generalofficial der Inqui¬
sition den Convertitenhäuptling am 26. Januar 1760 verhaften. Die
Untersuchung bestätigte seine Betrügereien — man glaubt, daß ihm die
Tortur Geständnisse abgepreßt habe —. und so wurde er denn als öffentlicher
Betrüger verurtheilt, jedoch nicht zum Tode, wie das Gesetz eigentlich ver¬
langt hätte, sondern mit Rücksicht auf die königliche Pathenschaft zu lebens¬
länglicher Haft in der Feste Czenstochau. Hier, in dem heute so berühmten
Wallfahrtsorte, wurde Frank dreizehn Jahre hindurch festgehalten. Der päpst¬
liche Nuntius Serra in Warschau, der an der Untersuchung gegen Frank
das lebhafteste Interesse nahm, schickte zu jener Zeit die jetzt erst durch
Theiner veröffentlichten Briefe über Franks religiöse Betrügerei nach Rom;
wären diese Berichte damals ins Publieum gelangt, so würde Franks
Schwindlerrolle wohl mit seiner Gefangenschaft zu Ende gewesen sein. Statt
dessen trat das Gegentheil ein: Franks „Martyrium" an der „Pforte Roms",
wie die Sabbatianer nach einer talmudischen Reminiscenz Czenstochau nannten,
diente nur zu seiner weiteren mystischen Verherrlichung, umsomehr, da er noch
im Gefängniß nicht von allem Verkehr abgeschlossen blieb und seine Spiegel¬
fechterei unbeirrt fortsetzte. So wollte er unter anderem Wunderbaren ein
gestorbenes Kind vom Tode auferweckt haben; andererseits war er weltklug
genug, um bei der eintretenden Auflösung Polens und der überhandnehmen¬
den Einmischung Rußlands die Fühlung mit dieser Macht und der griechischen
Kirche zu suchen, was ihm jedoch anfangs nicht recht gelingen wollte. End¬
lich aber, nach der Uebergabe Czenstochaus an die Russen, wurde er von diesen
in Freiheit gesetzt (1772), und in späterer Zeit erhielt er sogar Geldunter¬
stützung von der russischen Negierung.
Von Polen hinweg wandte sich jetzt Frank nach Brünn, wo er bereits
Anhänger besaß, deren Zahl sich bald durch den Zuzug von Genossen aus
Polen sehr verstärkte. Von seinen Freunden schickte er zwei Brüder Schor-
Wolowski und Jemerdski Dembowski als Kundschafter und Apostel nach
Polen zurück, wo sich denn auch sein Cultus im Geheimen erhielt. Aus
seinen vertrautesten Anhängern bildete er eine Genossenschaft („Chebra"), auch
das Lager („Maschneh") genannt. Die neue Religion, die er jetzt systema¬
tisch lehrte, nannte er mit dem hebräischen Worte „Dath". Sie be¬
stand zunächst darin, daß jede bestehende Religion und jeder confessionelle
Ritus abgestreift und nur gegen den Meister selbst Gehorsam geübt werden
sollte. Seine eigene Person stellte Frank als den Mittelpunkt der Welt und
der Zukunft hin und nannte sich Atomen und Gott; seine Anhänger mußten
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