Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band.larvung und Einkerkerung herbei, und da das Vergehen der Gefangenen Aber gerade nach der Taufe Franks begann der Argwohn der Geist¬ 24*
larvung und Einkerkerung herbei, und da das Vergehen der Gefangenen Aber gerade nach der Taufe Franks begann der Argwohn der Geist¬ 24*
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0191" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/117723"/> <p xml:id="ID_595" prev="#ID_594"> larvung und Einkerkerung herbei, und da das Vergehen der Gefangenen<lb/> religiöser Natur war, intercedirte der Bischof von Kamienjetz Podolski, Ni¬<lb/> kolaus Dembowski, und zog den Prozeß vor sein Tribunal. Frank half<lb/> seinen Anhängern aus der Schlinge, indem er ihnen vorschrieb, zu erklären,<lb/> sie glaubten an die Dreieinigkeit und vorwürfen den Talmud. Die Wich¬<lb/> tigkeit dieser Erklärung für die Verherrlichung der Kirche benutzend, sprach<lb/> der Bischof die Frankisten frei und gestattete ihnen freie Niederlassung bei<lb/> Kamienjetz. Die Frankisten erhoben nun aus Rache gegen ihre talmudisti-<lb/> schen Angeber die Anklage des Christenmordes und veranlaßten Dembowski,<lb/> eine Disputation zwischen Anhängern und Gegnern des Talmud auszuschrei¬<lb/> ben, bei der sie begreiflicher Weise den Sieg errangen. Nun wurde der Tal¬<lb/> mud überall in Podolien durch Henkershand verbrannt und die orthodoxen<lb/> Juden schwer verfolgt. Nach dem Tode ihres Beschützers Dembowski er¬<lb/> boten sich die Frankisten, um zu ihrer Rache gegen die Talmudisten noch<lb/> freiere Hand zu gewinnen, sie wollten die christliche Taufe annehmen, und<lb/> eine neue Disputation vor dem erzbischöflichen Administrator Mikulski in<lb/> Lemberg fiel abermals zu ihren Gunsten aus. Erst als das Wortgefecht sich<lb/> für seine Leute glücklich wandte, war Frank nach Lemberg gekommen und<lb/> hier wie ein orientalischer Fürst aufgetreten. Auf sein Geheiß nahmen an<lb/> tausend heimliche Sabbatianer die Taufe. Er selbst ließ nur den halben<lb/> Taufakt an sich vollziehen, die Ergänzung wollte er in Warschau nachholen;<lb/> wohin er reiste, um den König von Polen zum Taufpathen zu bekom¬<lb/> men. Es sollte sich bald zeigen, wie sehr ihm diese Ehre zu Statten kam.<lb/> Seine Frau und sein neugeborenes Töchterchen wurden ebenfalls in War¬<lb/> schau getauft. Die letztere, welche den Namen Eva oder Awalejb erhielt,<lb/> sollte später eine wichtige Rolle im Anschluß an die ihres Vaters spielen.</p><lb/> <p xml:id="ID_596" next="#ID_597"> Aber gerade nach der Taufe Franks begann der Argwohn der Geist¬<lb/> lichen, durch das Geheimnißvolle des Neophyten und seiner eigenthümlichen<lb/> Herrschaft über seine Anhänger geweckt, an der Aufrichtigkeit seines christlichen<lb/> Bekenntnisses zu zweifeln. Unvorsichtigerweise verrieth Frank selbst, daß<lb/> ihm die Taufe nur als Mittel diente, seine und der Seinigen Existenz<lb/> zu sichern und zu fördern. Einige der von ihm selbst zur militärischen Dis-<lb/> ciplinirung seiner Anhänger ausgewählten Begleiter verriethen ihn aus Nai¬<lb/> vetät oder Bosheit, indem sie dem Katecheten der Neophyten eröffneten, aus<lb/> welchen Gründen sie für ihren Herrn jene so auffällige Verehrung hegten.<lb/> Sie gestanden, daß sie Frank nicht blos für ihren Propheten, für einen<lb/> Wunderthäter, sondern für d»n Heiland hielten, der in ihm verborgen oder<lb/> wiedergeboren sei. Gleichzeitig stellte sich heraus, daß manche der getauften<lb/> Frankisten, im Einklang mit der kabbalistisch-sabbatianischen Theorie von der<lb/> geschlechtlichenWahlverwandtschast der Seelen, die Bigamie beibehalten hatten,</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 24*</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0191]
larvung und Einkerkerung herbei, und da das Vergehen der Gefangenen
religiöser Natur war, intercedirte der Bischof von Kamienjetz Podolski, Ni¬
kolaus Dembowski, und zog den Prozeß vor sein Tribunal. Frank half
seinen Anhängern aus der Schlinge, indem er ihnen vorschrieb, zu erklären,
sie glaubten an die Dreieinigkeit und vorwürfen den Talmud. Die Wich¬
tigkeit dieser Erklärung für die Verherrlichung der Kirche benutzend, sprach
der Bischof die Frankisten frei und gestattete ihnen freie Niederlassung bei
Kamienjetz. Die Frankisten erhoben nun aus Rache gegen ihre talmudisti-
schen Angeber die Anklage des Christenmordes und veranlaßten Dembowski,
eine Disputation zwischen Anhängern und Gegnern des Talmud auszuschrei¬
ben, bei der sie begreiflicher Weise den Sieg errangen. Nun wurde der Tal¬
mud überall in Podolien durch Henkershand verbrannt und die orthodoxen
Juden schwer verfolgt. Nach dem Tode ihres Beschützers Dembowski er¬
boten sich die Frankisten, um zu ihrer Rache gegen die Talmudisten noch
freiere Hand zu gewinnen, sie wollten die christliche Taufe annehmen, und
eine neue Disputation vor dem erzbischöflichen Administrator Mikulski in
Lemberg fiel abermals zu ihren Gunsten aus. Erst als das Wortgefecht sich
für seine Leute glücklich wandte, war Frank nach Lemberg gekommen und
hier wie ein orientalischer Fürst aufgetreten. Auf sein Geheiß nahmen an
tausend heimliche Sabbatianer die Taufe. Er selbst ließ nur den halben
Taufakt an sich vollziehen, die Ergänzung wollte er in Warschau nachholen;
wohin er reiste, um den König von Polen zum Taufpathen zu bekom¬
men. Es sollte sich bald zeigen, wie sehr ihm diese Ehre zu Statten kam.
Seine Frau und sein neugeborenes Töchterchen wurden ebenfalls in War¬
schau getauft. Die letztere, welche den Namen Eva oder Awalejb erhielt,
sollte später eine wichtige Rolle im Anschluß an die ihres Vaters spielen.
Aber gerade nach der Taufe Franks begann der Argwohn der Geist¬
lichen, durch das Geheimnißvolle des Neophyten und seiner eigenthümlichen
Herrschaft über seine Anhänger geweckt, an der Aufrichtigkeit seines christlichen
Bekenntnisses zu zweifeln. Unvorsichtigerweise verrieth Frank selbst, daß
ihm die Taufe nur als Mittel diente, seine und der Seinigen Existenz
zu sichern und zu fördern. Einige der von ihm selbst zur militärischen Dis-
ciplinirung seiner Anhänger ausgewählten Begleiter verriethen ihn aus Nai¬
vetät oder Bosheit, indem sie dem Katecheten der Neophyten eröffneten, aus
welchen Gründen sie für ihren Herrn jene so auffällige Verehrung hegten.
Sie gestanden, daß sie Frank nicht blos für ihren Propheten, für einen
Wunderthäter, sondern für d»n Heiland hielten, der in ihm verborgen oder
wiedergeboren sei. Gleichzeitig stellte sich heraus, daß manche der getauften
Frankisten, im Einklang mit der kabbalistisch-sabbatianischen Theorie von der
geschlechtlichenWahlverwandtschast der Seelen, die Bigamie beibehalten hatten,
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