Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

sagten: "wer seid ihr?" Da sagten wir: "aus Nürnberg und kommen von
Frankfurt," da sagte der Edelmann: "ihr seid die Rechten, gebt euch ge¬
fangen". Da antworteten wir: "ach lieber Junker, wessen wollt ihr uns
"zeihen, wir sind gute arme Handwerksleute." Da sagte der Edelmann:
"Kurzum, rührt mich an, ihr müßt gefangen sein." So rührten wir ihn an
und gaben uns gefangen. Ebenso mußte der Bauer .auch anrühren und un-
belohnt wegfahren und versprechen, in zwei Tagen nichts davon zu sagen.
Da sagte der Edelmann zu einem Knecht: "steig ab und bird sie zusammen."
Da stieg der Knecht ab und band uns alle drei zusammen mit einem Half¬
ter, einen Jeden mit einer Hand. Darauf ritten zwei vor und zwei nach und
wir mußten gebunden mitlaufen zwischen den Pferden über die Felder und
durch Holz, ungefähr IV- Meile und brachten uns so gebunden wieder in
ein kleines Föhrenwäldlein, dort hielten sie still, stiegen alle drei ab und
hießen uns drei Gebundene niedersitzen, und der Edelmann fing an: "jetzt
gebt her was ihr habt, denn wer das nicht thut, dessen Sache wird nicht
recht stehen, wenn wir etwas darüber bei ihm finden. Darum gebt von
euch was ihr habt. "Darauf warf Schwenttendorffer ein klein Säcklein mit Geld
zu seinem Watschler und sagte: "Liebe Herrn, ich hab fürwahr mit mehr, ich
will mich gern untersuchen lassen." Und sie sagten zum Hans Richter: "zeuch
deinen Rock ab," sie breiteten den auf und der Richter gürtete seinen Watschler
auch ab. Und sie nahmen auch mir den Watschler, darin war bei 1'/- Gul¬
den an Münze. Das schütteten sie alles auf des Richters Rock und klaub¬
ten das Geld aus einander und nach meinem Befinden ist des Geldes auf
10 oder 12 Gulden gewesen. Sie fanden darunter ein Goldstück, das dem
Schwenttendorffer gehört hatte. Da fragte der Edelman: "was gilt der Gul¬
den?" Da sagte Schwenttendorffer: "12 Pfd." So theilten sie das Geld in
Theile. Unterdeß kam der Bub heran geritten, dem gaben sie auch etliche
Pfennige davon."

So weit die Aussage des Köler. Er hatte das Glück, in der Nacht
auf dem Transport seine Bande zu lösen und nach Nürnberg zu entkommen.

Das war der Boden, aus welchem das Talent und der politische Feuer¬
eifer Ulrichs von Hütten erblühte. Wenn auch er, wie ihm seine Gegner
nachsagten, Mönchen die Ohren abschnitt und in der letzten Nothzeit durch ge¬
waltsame Reitererpressungen Geld suchte, so folgte er darin nur den Ge¬
wohnheiten seiner ganzen Verwandtschaft. Aber daß sich neben diesem wüsten
Wesen, welches ihm unvertilgbar im Fleisch lag, doch so mächtig Begeisterung
und Hingabe an die höchsten Ideale der damaligen Menschheit entwickeln
konnten, das wird seinem Andenken immer Bewunderung und zärtliches Mit¬
leid erhalten.




sagten: „wer seid ihr?" Da sagten wir: „aus Nürnberg und kommen von
Frankfurt," da sagte der Edelmann: „ihr seid die Rechten, gebt euch ge¬
fangen". Da antworteten wir: „ach lieber Junker, wessen wollt ihr uns
"zeihen, wir sind gute arme Handwerksleute." Da sagte der Edelmann:
„Kurzum, rührt mich an, ihr müßt gefangen sein." So rührten wir ihn an
und gaben uns gefangen. Ebenso mußte der Bauer .auch anrühren und un-
belohnt wegfahren und versprechen, in zwei Tagen nichts davon zu sagen.
Da sagte der Edelmann zu einem Knecht: „steig ab und bird sie zusammen."
Da stieg der Knecht ab und band uns alle drei zusammen mit einem Half¬
ter, einen Jeden mit einer Hand. Darauf ritten zwei vor und zwei nach und
wir mußten gebunden mitlaufen zwischen den Pferden über die Felder und
durch Holz, ungefähr IV- Meile und brachten uns so gebunden wieder in
ein kleines Föhrenwäldlein, dort hielten sie still, stiegen alle drei ab und
hießen uns drei Gebundene niedersitzen, und der Edelmann fing an: „jetzt
gebt her was ihr habt, denn wer das nicht thut, dessen Sache wird nicht
recht stehen, wenn wir etwas darüber bei ihm finden. Darum gebt von
euch was ihr habt. „Darauf warf Schwenttendorffer ein klein Säcklein mit Geld
zu seinem Watschler und sagte: „Liebe Herrn, ich hab fürwahr mit mehr, ich
will mich gern untersuchen lassen." Und sie sagten zum Hans Richter: „zeuch
deinen Rock ab," sie breiteten den auf und der Richter gürtete seinen Watschler
auch ab. Und sie nahmen auch mir den Watschler, darin war bei 1'/- Gul¬
den an Münze. Das schütteten sie alles auf des Richters Rock und klaub¬
ten das Geld aus einander und nach meinem Befinden ist des Geldes auf
10 oder 12 Gulden gewesen. Sie fanden darunter ein Goldstück, das dem
Schwenttendorffer gehört hatte. Da fragte der Edelman: „was gilt der Gul¬
den?" Da sagte Schwenttendorffer: „12 Pfd." So theilten sie das Geld in
Theile. Unterdeß kam der Bub heran geritten, dem gaben sie auch etliche
Pfennige davon."

So weit die Aussage des Köler. Er hatte das Glück, in der Nacht
auf dem Transport seine Bande zu lösen und nach Nürnberg zu entkommen.

Das war der Boden, aus welchem das Talent und der politische Feuer¬
eifer Ulrichs von Hütten erblühte. Wenn auch er, wie ihm seine Gegner
nachsagten, Mönchen die Ohren abschnitt und in der letzten Nothzeit durch ge¬
waltsame Reitererpressungen Geld suchte, so folgte er darin nur den Ge¬
wohnheiten seiner ganzen Verwandtschaft. Aber daß sich neben diesem wüsten
Wesen, welches ihm unvertilgbar im Fleisch lag, doch so mächtig Begeisterung
und Hingabe an die höchsten Ideale der damaligen Menschheit entwickeln
konnten, das wird seinem Andenken immer Bewunderung und zärtliches Mit¬
leid erhalten.




<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0188" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/117720"/>
          <p xml:id="ID_585" prev="#ID_584"> sagten: &#x201E;wer seid ihr?" Da sagten wir: &#x201E;aus Nürnberg und kommen von<lb/>
Frankfurt," da sagte der Edelmann: &#x201E;ihr seid die Rechten, gebt euch ge¬<lb/>
fangen". Da antworteten wir: &#x201E;ach lieber Junker, wessen wollt ihr uns<lb/>
"zeihen, wir sind gute arme Handwerksleute." Da sagte der Edelmann:<lb/>
&#x201E;Kurzum, rührt mich an, ihr müßt gefangen sein." So rührten wir ihn an<lb/>
und gaben uns gefangen. Ebenso mußte der Bauer .auch anrühren und un-<lb/>
belohnt wegfahren und versprechen, in zwei Tagen nichts davon zu sagen.<lb/>
Da sagte der Edelmann zu einem Knecht: &#x201E;steig ab und bird sie zusammen."<lb/>
Da stieg der Knecht ab und band uns alle drei zusammen mit einem Half¬<lb/>
ter, einen Jeden mit einer Hand. Darauf ritten zwei vor und zwei nach und<lb/>
wir mußten gebunden mitlaufen zwischen den Pferden über die Felder und<lb/>
durch Holz, ungefähr IV- Meile und brachten uns so gebunden wieder in<lb/>
ein kleines Föhrenwäldlein, dort hielten sie still, stiegen alle drei ab und<lb/>
hießen uns drei Gebundene niedersitzen, und der Edelmann fing an: &#x201E;jetzt<lb/>
gebt her was ihr habt, denn wer das nicht thut, dessen Sache wird nicht<lb/>
recht stehen, wenn wir etwas darüber bei ihm finden. Darum gebt von<lb/>
euch was ihr habt. &#x201E;Darauf warf Schwenttendorffer ein klein Säcklein mit Geld<lb/>
zu seinem Watschler und sagte: &#x201E;Liebe Herrn, ich hab fürwahr mit mehr, ich<lb/>
will mich gern untersuchen lassen." Und sie sagten zum Hans Richter: &#x201E;zeuch<lb/>
deinen Rock ab," sie breiteten den auf und der Richter gürtete seinen Watschler<lb/>
auch ab. Und sie nahmen auch mir den Watschler, darin war bei 1'/- Gul¬<lb/>
den an Münze. Das schütteten sie alles auf des Richters Rock und klaub¬<lb/>
ten das Geld aus einander und nach meinem Befinden ist des Geldes auf<lb/>
10 oder 12 Gulden gewesen. Sie fanden darunter ein Goldstück, das dem<lb/>
Schwenttendorffer gehört hatte. Da fragte der Edelman: &#x201E;was gilt der Gul¬<lb/>
den?" Da sagte Schwenttendorffer: &#x201E;12 Pfd." So theilten sie das Geld in<lb/>
Theile. Unterdeß kam der Bub heran geritten, dem gaben sie auch etliche<lb/>
Pfennige davon."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_586"> So weit die Aussage des Köler. Er hatte das Glück, in der Nacht<lb/>
auf dem Transport seine Bande zu lösen und nach Nürnberg zu entkommen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_587"> Das war der Boden, aus welchem das Talent und der politische Feuer¬<lb/>
eifer Ulrichs von Hütten erblühte. Wenn auch er, wie ihm seine Gegner<lb/>
nachsagten, Mönchen die Ohren abschnitt und in der letzten Nothzeit durch ge¬<lb/>
waltsame Reitererpressungen Geld suchte, so folgte er darin nur den Ge¬<lb/>
wohnheiten seiner ganzen Verwandtschaft. Aber daß sich neben diesem wüsten<lb/>
Wesen, welches ihm unvertilgbar im Fleisch lag, doch so mächtig Begeisterung<lb/>
und Hingabe an die höchsten Ideale der damaligen Menschheit entwickeln<lb/>
konnten, das wird seinem Andenken immer Bewunderung und zärtliches Mit¬<lb/>
leid erhalten.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0188] sagten: „wer seid ihr?" Da sagten wir: „aus Nürnberg und kommen von Frankfurt," da sagte der Edelmann: „ihr seid die Rechten, gebt euch ge¬ fangen". Da antworteten wir: „ach lieber Junker, wessen wollt ihr uns "zeihen, wir sind gute arme Handwerksleute." Da sagte der Edelmann: „Kurzum, rührt mich an, ihr müßt gefangen sein." So rührten wir ihn an und gaben uns gefangen. Ebenso mußte der Bauer .auch anrühren und un- belohnt wegfahren und versprechen, in zwei Tagen nichts davon zu sagen. Da sagte der Edelmann zu einem Knecht: „steig ab und bird sie zusammen." Da stieg der Knecht ab und band uns alle drei zusammen mit einem Half¬ ter, einen Jeden mit einer Hand. Darauf ritten zwei vor und zwei nach und wir mußten gebunden mitlaufen zwischen den Pferden über die Felder und durch Holz, ungefähr IV- Meile und brachten uns so gebunden wieder in ein kleines Föhrenwäldlein, dort hielten sie still, stiegen alle drei ab und hießen uns drei Gebundene niedersitzen, und der Edelmann fing an: „jetzt gebt her was ihr habt, denn wer das nicht thut, dessen Sache wird nicht recht stehen, wenn wir etwas darüber bei ihm finden. Darum gebt von euch was ihr habt. „Darauf warf Schwenttendorffer ein klein Säcklein mit Geld zu seinem Watschler und sagte: „Liebe Herrn, ich hab fürwahr mit mehr, ich will mich gern untersuchen lassen." Und sie sagten zum Hans Richter: „zeuch deinen Rock ab," sie breiteten den auf und der Richter gürtete seinen Watschler auch ab. Und sie nahmen auch mir den Watschler, darin war bei 1'/- Gul¬ den an Münze. Das schütteten sie alles auf des Richters Rock und klaub¬ ten das Geld aus einander und nach meinem Befinden ist des Geldes auf 10 oder 12 Gulden gewesen. Sie fanden darunter ein Goldstück, das dem Schwenttendorffer gehört hatte. Da fragte der Edelman: „was gilt der Gul¬ den?" Da sagte Schwenttendorffer: „12 Pfd." So theilten sie das Geld in Theile. Unterdeß kam der Bub heran geritten, dem gaben sie auch etliche Pfennige davon." So weit die Aussage des Köler. Er hatte das Glück, in der Nacht auf dem Transport seine Bande zu lösen und nach Nürnberg zu entkommen. Das war der Boden, aus welchem das Talent und der politische Feuer¬ eifer Ulrichs von Hütten erblühte. Wenn auch er, wie ihm seine Gegner nachsagten, Mönchen die Ohren abschnitt und in der letzten Nothzeit durch ge¬ waltsame Reitererpressungen Geld suchte, so folgte er darin nur den Ge¬ wohnheiten seiner ganzen Verwandtschaft. Aber daß sich neben diesem wüsten Wesen, welches ihm unvertilgbar im Fleisch lag, doch so mächtig Begeisterung und Hingabe an die höchsten Ideale der damaligen Menschheit entwickeln konnten, das wird seinem Andenken immer Bewunderung und zärtliches Mit¬ leid erhalten.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_362043
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_362043/188
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_362043/188>, abgerufen am 15.01.2025.