Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

davon haben, daß der neue Bund noch anderen Zwecken nachgehe, als denen
der Erhöhung der heimathlichen Wehrkraft.

Die ersten über den Main getragenen politischen Beschlüsse des Zoll¬
parlaments würden eine sehr viel wirksamere Abhilfe dieser Uebelstände her¬
beiführen, als die, welche bisher geboten worden. Illusionen über den guten
Willen der zum norddeutschen Bunde gehörigen Regierungen waren allenfalls
möglich, daß aber das Bundeskanzleramt sich im gegebenen Falle an der Bürg¬
schaft des Herrn v. Varnbüler für gewissenhafte Ausführung der Bundes¬
beschlüsse genügen lassen würde, scheint undenkbar. Die Nothwendigkeit einer
Reorganisation des Bundes-Kanzleramts und der Beschaffung neuer Organe
desselben, welche den Erfordernissen der einzelnen Staatsinteressen direct ent¬
sprechen, würde von selbst zu ihrem Recht kommen, wenn das Zollpar¬
lament auch nur einzelne Zweige des öffentlichen Lebens in das Gebiet ge¬
meinsamer Berathung zöge. Wir können uns nicht vorstellen, daß das Bun¬
despräsidium die Geltendmachung seiner Autorität in Süddeutschland densel¬
ben Factoren überlassen würde, welche sich schon in dem nächsten Kreise seiner
Machtsphäre ungenügend oder geradezu unzuverlässig bewiesen haben. Im
Süden müßten vor allem die Völker bei gutem Willen erhalten werden,
und das könnte nur geschehen, wenn Organe vorhanden wären, durch welche
man wirken kann.

Die gleichen Bordseite versprechen wir uns für das künftige Verhältniß
des Reichstags zur Exekutive. Mit den Vertretern Süddeutschlands, welche
der nationalen Idee erst gewonnen werden müssen, wird der Natur der
Sache nach eine andere Sprache geführt werden müssen, als mit den Män¬
nern, welche die von dem Grafen Bismarck gegenwärtig verfolgten Ziele
einem Jahrzehnt angestrebt haben, und in dem Eifer für diese Ziele vor allem
seit darauf bedacht sein müssen, mit dem Manne Fühlung zu behalten, der sich
als das berufene Werkzeug zur Einigung Deutschland bewährt hat. Bei
einem Bruch zwischen dem Bundeskanzler und der nationalen Reichstagspar¬
tei haben beide Theile gleich viel zu verlieren -- während im Falle einer
Überschreitung der Mainlinie die Zahl derer Legion würde, welche den Tag
eines Conflicts mit Jubel begrüßen würden.

Während die Eigenthümlichkeit des gegenwärtig gegebenen Verhältnisses
darin besteht, daß der Reichstagsmajorität an der rücksichtslosen und konse¬
quenten Durchführung der nationalen Politik des Grafen Bismarck minde¬
stens ebensoviel gelegen ist, als diesem selbst, das Bewußtsein dieser Ueber¬
einstimmung aber über der Meinungsverschiedenheit wegen der anzuwenden¬
den Mittel in den Hintergrund getreten ist, würde der wenn auch nur theil-
und bedingungsweise Eintritt des Südens eine Opposition schaffen, welche
den Bundeskanzler und die bisherige Majorität zu festem Zusammenstehen


davon haben, daß der neue Bund noch anderen Zwecken nachgehe, als denen
der Erhöhung der heimathlichen Wehrkraft.

Die ersten über den Main getragenen politischen Beschlüsse des Zoll¬
parlaments würden eine sehr viel wirksamere Abhilfe dieser Uebelstände her¬
beiführen, als die, welche bisher geboten worden. Illusionen über den guten
Willen der zum norddeutschen Bunde gehörigen Regierungen waren allenfalls
möglich, daß aber das Bundeskanzleramt sich im gegebenen Falle an der Bürg¬
schaft des Herrn v. Varnbüler für gewissenhafte Ausführung der Bundes¬
beschlüsse genügen lassen würde, scheint undenkbar. Die Nothwendigkeit einer
Reorganisation des Bundes-Kanzleramts und der Beschaffung neuer Organe
desselben, welche den Erfordernissen der einzelnen Staatsinteressen direct ent¬
sprechen, würde von selbst zu ihrem Recht kommen, wenn das Zollpar¬
lament auch nur einzelne Zweige des öffentlichen Lebens in das Gebiet ge¬
meinsamer Berathung zöge. Wir können uns nicht vorstellen, daß das Bun¬
despräsidium die Geltendmachung seiner Autorität in Süddeutschland densel¬
ben Factoren überlassen würde, welche sich schon in dem nächsten Kreise seiner
Machtsphäre ungenügend oder geradezu unzuverlässig bewiesen haben. Im
Süden müßten vor allem die Völker bei gutem Willen erhalten werden,
und das könnte nur geschehen, wenn Organe vorhanden wären, durch welche
man wirken kann.

Die gleichen Bordseite versprechen wir uns für das künftige Verhältniß
des Reichstags zur Exekutive. Mit den Vertretern Süddeutschlands, welche
der nationalen Idee erst gewonnen werden müssen, wird der Natur der
Sache nach eine andere Sprache geführt werden müssen, als mit den Män¬
nern, welche die von dem Grafen Bismarck gegenwärtig verfolgten Ziele
einem Jahrzehnt angestrebt haben, und in dem Eifer für diese Ziele vor allem
seit darauf bedacht sein müssen, mit dem Manne Fühlung zu behalten, der sich
als das berufene Werkzeug zur Einigung Deutschland bewährt hat. Bei
einem Bruch zwischen dem Bundeskanzler und der nationalen Reichstagspar¬
tei haben beide Theile gleich viel zu verlieren — während im Falle einer
Überschreitung der Mainlinie die Zahl derer Legion würde, welche den Tag
eines Conflicts mit Jubel begrüßen würden.

Während die Eigenthümlichkeit des gegenwärtig gegebenen Verhältnisses
darin besteht, daß der Reichstagsmajorität an der rücksichtslosen und konse¬
quenten Durchführung der nationalen Politik des Grafen Bismarck minde¬
stens ebensoviel gelegen ist, als diesem selbst, das Bewußtsein dieser Ueber¬
einstimmung aber über der Meinungsverschiedenheit wegen der anzuwenden¬
den Mittel in den Hintergrund getreten ist, würde der wenn auch nur theil-
und bedingungsweise Eintritt des Südens eine Opposition schaffen, welche
den Bundeskanzler und die bisherige Majorität zu festem Zusammenstehen


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0184" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/117716"/>
          <p xml:id="ID_567" prev="#ID_566"> davon haben, daß der neue Bund noch anderen Zwecken nachgehe, als denen<lb/>
der Erhöhung der heimathlichen Wehrkraft.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_568"> Die ersten über den Main getragenen politischen Beschlüsse des Zoll¬<lb/>
parlaments würden eine sehr viel wirksamere Abhilfe dieser Uebelstände her¬<lb/>
beiführen, als die, welche bisher geboten worden. Illusionen über den guten<lb/>
Willen der zum norddeutschen Bunde gehörigen Regierungen waren allenfalls<lb/>
möglich, daß aber das Bundeskanzleramt sich im gegebenen Falle an der Bürg¬<lb/>
schaft des Herrn v. Varnbüler für gewissenhafte Ausführung der Bundes¬<lb/>
beschlüsse genügen lassen würde, scheint undenkbar. Die Nothwendigkeit einer<lb/>
Reorganisation des Bundes-Kanzleramts und der Beschaffung neuer Organe<lb/>
desselben, welche den Erfordernissen der einzelnen Staatsinteressen direct ent¬<lb/>
sprechen, würde von selbst zu ihrem Recht kommen, wenn das Zollpar¬<lb/>
lament auch nur einzelne Zweige des öffentlichen Lebens in das Gebiet ge¬<lb/>
meinsamer Berathung zöge. Wir können uns nicht vorstellen, daß das Bun¬<lb/>
despräsidium die Geltendmachung seiner Autorität in Süddeutschland densel¬<lb/>
ben Factoren überlassen würde, welche sich schon in dem nächsten Kreise seiner<lb/>
Machtsphäre ungenügend oder geradezu unzuverlässig bewiesen haben. Im<lb/>
Süden müßten vor allem die Völker bei gutem Willen erhalten werden,<lb/>
und das könnte nur geschehen, wenn Organe vorhanden wären, durch welche<lb/>
man wirken kann.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_569"> Die gleichen Bordseite versprechen wir uns für das künftige Verhältniß<lb/>
des Reichstags zur Exekutive. Mit den Vertretern Süddeutschlands, welche<lb/>
der nationalen Idee erst gewonnen werden müssen, wird der Natur der<lb/>
Sache nach eine andere Sprache geführt werden müssen, als mit den Män¬<lb/>
nern, welche die von dem Grafen Bismarck gegenwärtig verfolgten Ziele<lb/>
einem Jahrzehnt angestrebt haben, und in dem Eifer für diese Ziele vor allem<lb/>
seit darauf bedacht sein müssen, mit dem Manne Fühlung zu behalten, der sich<lb/>
als das berufene Werkzeug zur Einigung Deutschland bewährt hat. Bei<lb/>
einem Bruch zwischen dem Bundeskanzler und der nationalen Reichstagspar¬<lb/>
tei haben beide Theile gleich viel zu verlieren &#x2014; während im Falle einer<lb/>
Überschreitung der Mainlinie die Zahl derer Legion würde, welche den Tag<lb/>
eines Conflicts mit Jubel begrüßen würden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_570" next="#ID_571"> Während die Eigenthümlichkeit des gegenwärtig gegebenen Verhältnisses<lb/>
darin besteht, daß der Reichstagsmajorität an der rücksichtslosen und konse¬<lb/>
quenten Durchführung der nationalen Politik des Grafen Bismarck minde¬<lb/>
stens ebensoviel gelegen ist, als diesem selbst, das Bewußtsein dieser Ueber¬<lb/>
einstimmung aber über der Meinungsverschiedenheit wegen der anzuwenden¬<lb/>
den Mittel in den Hintergrund getreten ist, würde der wenn auch nur theil-<lb/>
und bedingungsweise Eintritt des Südens eine Opposition schaffen, welche<lb/>
den Bundeskanzler und die bisherige Majorität zu festem Zusammenstehen</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0184] davon haben, daß der neue Bund noch anderen Zwecken nachgehe, als denen der Erhöhung der heimathlichen Wehrkraft. Die ersten über den Main getragenen politischen Beschlüsse des Zoll¬ parlaments würden eine sehr viel wirksamere Abhilfe dieser Uebelstände her¬ beiführen, als die, welche bisher geboten worden. Illusionen über den guten Willen der zum norddeutschen Bunde gehörigen Regierungen waren allenfalls möglich, daß aber das Bundeskanzleramt sich im gegebenen Falle an der Bürg¬ schaft des Herrn v. Varnbüler für gewissenhafte Ausführung der Bundes¬ beschlüsse genügen lassen würde, scheint undenkbar. Die Nothwendigkeit einer Reorganisation des Bundes-Kanzleramts und der Beschaffung neuer Organe desselben, welche den Erfordernissen der einzelnen Staatsinteressen direct ent¬ sprechen, würde von selbst zu ihrem Recht kommen, wenn das Zollpar¬ lament auch nur einzelne Zweige des öffentlichen Lebens in das Gebiet ge¬ meinsamer Berathung zöge. Wir können uns nicht vorstellen, daß das Bun¬ despräsidium die Geltendmachung seiner Autorität in Süddeutschland densel¬ ben Factoren überlassen würde, welche sich schon in dem nächsten Kreise seiner Machtsphäre ungenügend oder geradezu unzuverlässig bewiesen haben. Im Süden müßten vor allem die Völker bei gutem Willen erhalten werden, und das könnte nur geschehen, wenn Organe vorhanden wären, durch welche man wirken kann. Die gleichen Bordseite versprechen wir uns für das künftige Verhältniß des Reichstags zur Exekutive. Mit den Vertretern Süddeutschlands, welche der nationalen Idee erst gewonnen werden müssen, wird der Natur der Sache nach eine andere Sprache geführt werden müssen, als mit den Män¬ nern, welche die von dem Grafen Bismarck gegenwärtig verfolgten Ziele einem Jahrzehnt angestrebt haben, und in dem Eifer für diese Ziele vor allem seit darauf bedacht sein müssen, mit dem Manne Fühlung zu behalten, der sich als das berufene Werkzeug zur Einigung Deutschland bewährt hat. Bei einem Bruch zwischen dem Bundeskanzler und der nationalen Reichstagspar¬ tei haben beide Theile gleich viel zu verlieren — während im Falle einer Überschreitung der Mainlinie die Zahl derer Legion würde, welche den Tag eines Conflicts mit Jubel begrüßen würden. Während die Eigenthümlichkeit des gegenwärtig gegebenen Verhältnisses darin besteht, daß der Reichstagsmajorität an der rücksichtslosen und konse¬ quenten Durchführung der nationalen Politik des Grafen Bismarck minde¬ stens ebensoviel gelegen ist, als diesem selbst, das Bewußtsein dieser Ueber¬ einstimmung aber über der Meinungsverschiedenheit wegen der anzuwenden¬ den Mittel in den Hintergrund getreten ist, würde der wenn auch nur theil- und bedingungsweise Eintritt des Südens eine Opposition schaffen, welche den Bundeskanzler und die bisherige Majorität zu festem Zusammenstehen

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_362043
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_362043/184
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_362043/184>, abgerufen am 15.01.2025.