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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band.

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Darüber läßt sich im Augenblick noch nichts bestimmtes sagen. Die
süddeutschen Patrioten, denen man Neigung zum Eintritt in die nationallibe¬
rale Partei zutrauen mag, die in der That größtentheils schon früher mit
den Führern derselben gemeinschaftliche Feldzüge durchgefochten haben, die
Volk und M. Barth, die Bluntschli und Roggenbach, die Metz und Bam-
berger, finden ihre Freunde dem Grafen Bismarck entfremdeter als je seit dem
Sommer 1866, der Fortschrittspartei wiederum genäherter und in ihrem
Bewußtsein als Parteiführer offenbar gehoben. Es liegt die Vermuthung
nahe, daß die Erwartung der Ankunft des süddeutschen Zuzugs nicht ohne
Einfluß auf die Entschiedenheit geblieben ist, mit welcher die nationalliberale
Partei auf dem Verantwortlichkeitszusatz zu dem Gesetz über die Bundes¬
schuldenverwaltung bestanden hat. Den im Dienste des Liberalismus ergrauten
süddeutschen nationalen glaubte man den Zutritt nicht wirksamer empfehlen
zu können, als durch das Schauspiel einer Festigkeit in konstitutionellen Forde¬
rungen, die sich durch keine Drohungen von der Ministerbank erschüttern ließ.

So alt und tief eingewurzelt bei den süddeutschen Liberalen aber auch
die Liebe zur Freiheit ist, ihre Sehnsucht nach vollendeter vaterländischer Ein¬
heit ist dermalen doch muthmaßlich das stärkere Gefühl in ihnen. Ihr Ver¬
hältniß zu den Nationalliberalen des norddeutschen Reichstages entspricht
dem, welches die Vertreter der neuen Provinzen ihrer Zeit zu den National-
liberalen des preußischen Abgeordnetenhauses einnahmen. Man könnte daher
erwarten, Redner wie Volk, Metz, Bluntschli würden jetzt ähnliche Rollen
übernehmen, wie sie Braun und Miquel bei Beginn des ersten Reichs¬
tages behaupteten; dem entsprechend würden sich dann auch die kleinen Dif¬
ferenzen erneuern, in welche der feurige Positivismus der Mique'l und Braun
zuweilen mit dem oppositionellen Mißtrauen der alten preußischen Verfassungs¬
kämpfe im Schoße der Fraction gerathen ist. Doch sind theils seitdem die
Meinungen im allgemeinen so gedämpft worden, theils die unmittelbaren
Aufgaben des Zollparlaments für patriotische Ergüsse so wenig angethan,
daß das vorhandene überschüssige und gesparte Pathos vielleicht auf andere
Weise verwendet wird, z. B. aus die Vertheidigung der deutschen Partei in
Würtemberg gegen ihre systematische gesetz- und vertragswidrige Unterdrückung
bei den Wahlen.

Nicht von allen süddeutschen nationalen steht übrigens im Augenblick
schon fest, ob sie zu den norddeutschen Nationalliberalen stoßen werden.
Metz z. B. neigt persönlich stark zur Fortschrittspartei, vielleicht auch Cramer,
der vor drei bis vier Jahren sogar Miene machte, zu den Radicalen überzu¬
gehen. Immerhin sollte man denken, daß der Wunsch, sich von ihren inländi¬
schen Parteigenossen nicht zu separiren, sowie deren überwiegende Hineigung
zur nationalliberalen Fraction den Ausschlag geben werde.




Darüber läßt sich im Augenblick noch nichts bestimmtes sagen. Die
süddeutschen Patrioten, denen man Neigung zum Eintritt in die nationallibe¬
rale Partei zutrauen mag, die in der That größtentheils schon früher mit
den Führern derselben gemeinschaftliche Feldzüge durchgefochten haben, die
Volk und M. Barth, die Bluntschli und Roggenbach, die Metz und Bam-
berger, finden ihre Freunde dem Grafen Bismarck entfremdeter als je seit dem
Sommer 1866, der Fortschrittspartei wiederum genäherter und in ihrem
Bewußtsein als Parteiführer offenbar gehoben. Es liegt die Vermuthung
nahe, daß die Erwartung der Ankunft des süddeutschen Zuzugs nicht ohne
Einfluß auf die Entschiedenheit geblieben ist, mit welcher die nationalliberale
Partei auf dem Verantwortlichkeitszusatz zu dem Gesetz über die Bundes¬
schuldenverwaltung bestanden hat. Den im Dienste des Liberalismus ergrauten
süddeutschen nationalen glaubte man den Zutritt nicht wirksamer empfehlen
zu können, als durch das Schauspiel einer Festigkeit in konstitutionellen Forde¬
rungen, die sich durch keine Drohungen von der Ministerbank erschüttern ließ.

So alt und tief eingewurzelt bei den süddeutschen Liberalen aber auch
die Liebe zur Freiheit ist, ihre Sehnsucht nach vollendeter vaterländischer Ein¬
heit ist dermalen doch muthmaßlich das stärkere Gefühl in ihnen. Ihr Ver¬
hältniß zu den Nationalliberalen des norddeutschen Reichstages entspricht
dem, welches die Vertreter der neuen Provinzen ihrer Zeit zu den National-
liberalen des preußischen Abgeordnetenhauses einnahmen. Man könnte daher
erwarten, Redner wie Volk, Metz, Bluntschli würden jetzt ähnliche Rollen
übernehmen, wie sie Braun und Miquel bei Beginn des ersten Reichs¬
tages behaupteten; dem entsprechend würden sich dann auch die kleinen Dif¬
ferenzen erneuern, in welche der feurige Positivismus der Mique'l und Braun
zuweilen mit dem oppositionellen Mißtrauen der alten preußischen Verfassungs¬
kämpfe im Schoße der Fraction gerathen ist. Doch sind theils seitdem die
Meinungen im allgemeinen so gedämpft worden, theils die unmittelbaren
Aufgaben des Zollparlaments für patriotische Ergüsse so wenig angethan,
daß das vorhandene überschüssige und gesparte Pathos vielleicht auf andere
Weise verwendet wird, z. B. aus die Vertheidigung der deutschen Partei in
Würtemberg gegen ihre systematische gesetz- und vertragswidrige Unterdrückung
bei den Wahlen.

Nicht von allen süddeutschen nationalen steht übrigens im Augenblick
schon fest, ob sie zu den norddeutschen Nationalliberalen stoßen werden.
Metz z. B. neigt persönlich stark zur Fortschrittspartei, vielleicht auch Cramer,
der vor drei bis vier Jahren sogar Miene machte, zu den Radicalen überzu¬
gehen. Immerhin sollte man denken, daß der Wunsch, sich von ihren inländi¬
schen Parteigenossen nicht zu separiren, sowie deren überwiegende Hineigung
zur nationalliberalen Fraction den Ausschlag geben werde.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_362043/171>, abgerufen am 15.01.2025.