Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band.peinlich waren. Aber sobald er einmal im Jahre 1813 durch den freiwillig Die Gegensätze seines Lebens konnten wohl kaum eine schärfere Form In neue und bedenklichere Widersprüche trat der spätreifende Künstler Da hat ihm sein scharfsehender und von der Romantik doch tief ergrif¬ Binnen zwei Jahren sehen wir den. auch in allen Hoffnungen äußerer peinlich waren. Aber sobald er einmal im Jahre 1813 durch den freiwillig Die Gegensätze seines Lebens konnten wohl kaum eine schärfere Form In neue und bedenklichere Widersprüche trat der spätreifende Künstler Da hat ihm sein scharfsehender und von der Romantik doch tief ergrif¬ Binnen zwei Jahren sehen wir den. auch in allen Hoffnungen äußerer <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0158" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/117690"/> <p xml:id="ID_496" prev="#ID_495"> peinlich waren. Aber sobald er einmal im Jahre 1813 durch den freiwillig<lb/> angezogenen Soldatenrock sich aus den gewohnten Bahnen losgerissen hatte,<lb/> war auch der Berufzauber gebrochen. Von dem unblutigen Feldzuge zurück¬<lb/> gekehrt, entschloß er sich, den Stand selbst zu wählen, den er früher zu pro-<lb/> tegiren beabsichtigt hatte und für den er, wie grollend auch gegen Napoleons<lb/> eisernes Regiment, doch dankbar in den unvergleichlichen Sammlungen der<lb/> Welthauptstadt steigende Begeisterung eingesogen hatte. Es bedürfte eines<lb/> ernsten Entschlusses für ihn, um so mehr, da uns versichert wird (S. 54),<lb/> daß der Stand eines Künstlers damals in Frankfurt „so wenig geachtet" war.</p><lb/> <p xml:id="ID_497"> Die Gegensätze seines Lebens konnten wohl kaum eine schärfere Form<lb/> erhalten, als in der Lehre unter dem Maler der Jacobinerzeit und des Kaiser¬<lb/> tumes, unter d^in Meister David, in die er, 28 Jahre alt, sich begab, nach¬<lb/> dem er wenige Monate früher gegen dasselbe Frankreich, aus welchem sein<lb/> Geschlecht stammte, die Waffen geführt hatte. Er gehörte bald darauf zu den<lb/> Trauernden über die Verbannung des Meisters aus Frankreich wegen jenes<lb/> Votums für Ludwigs XVI. Tod, welches der Unverstand der Bourbonen<lb/> noch nach 23 Jahren an dem größten Künstler des Landes rächen zu<lb/> müssen glaubte.</p><lb/> <p xml:id="ID_498"> In neue und bedenklichere Widersprüche trat der spätreifende Künstler<lb/> während eines langen Aufenthaltes in Italien, wo eben damals (1817—1824)<lb/> mit der Blüthe der Romantik die Apostasie unter den deutschen Malern zur<lb/> Modesache zu werden schien. Aber gerade die vollkommene Reinheit seiner<lb/> Begeisterung, die schöne Einfalt seiner Ueberzeugungen und Studien ließ ihn<lb/> die Gegensätze und Klippen gar nicht bemerken, an denen die sittliche Stärke<lb/> Anderer scheiterte. Er ward nach der Rückkehr in die Vaterstadt Kirchen-<lb/> vorstand der reformirten Gemeinde, während er sich in Heiligenbildern ver¬<lb/> suchte, und auch dies nicht, ohne an seiner eigenen Befähigung für die Kunst<lb/> irre zu werden.</p><lb/> <p xml:id="ID_499"> Da hat ihm sein scharfsehender und von der Romantik doch tief ergrif¬<lb/> fener Landsmann, der ungemein verdiente Geschichtsforscher I. Fr. Böhmer,<lb/> den hohen Freundschaftsdienst erwiesen, ihm in leicht verständlicher Bilder¬<lb/> sprache diese Widersprüche darzuthun und ihm die leider begründeten Zweifel<lb/> über seine künstlerische Befähigung zu stärken, als Passavant zu der Hoch¬<lb/> seier der Romantik in Deutschland, dem Albrecht Dürer-Feste in Nürnberg,<lb/> im April 1828 reiste.</p><lb/> <p xml:id="ID_500" next="#ID_501"> Binnen zwei Jahren sehen wir den. auch in allen Hoffnungen äußerer<lb/> Sicherung und Anerkennung Getäuschten im vollen Mannesalter noch einmal<lb/> eine Aenderung wagen, die seinem Gemüthe entspricht, ohne ihn in schroffen<lb/> Gegensatz zu seiner eigenen Vergangenheit oder der seiner Familie zu bringen.<lb/> „Als die Zeit seines Kirchendienstes vorüber war, zog er sich mehr und mehr</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0158]
peinlich waren. Aber sobald er einmal im Jahre 1813 durch den freiwillig
angezogenen Soldatenrock sich aus den gewohnten Bahnen losgerissen hatte,
war auch der Berufzauber gebrochen. Von dem unblutigen Feldzuge zurück¬
gekehrt, entschloß er sich, den Stand selbst zu wählen, den er früher zu pro-
tegiren beabsichtigt hatte und für den er, wie grollend auch gegen Napoleons
eisernes Regiment, doch dankbar in den unvergleichlichen Sammlungen der
Welthauptstadt steigende Begeisterung eingesogen hatte. Es bedürfte eines
ernsten Entschlusses für ihn, um so mehr, da uns versichert wird (S. 54),
daß der Stand eines Künstlers damals in Frankfurt „so wenig geachtet" war.
Die Gegensätze seines Lebens konnten wohl kaum eine schärfere Form
erhalten, als in der Lehre unter dem Maler der Jacobinerzeit und des Kaiser¬
tumes, unter d^in Meister David, in die er, 28 Jahre alt, sich begab, nach¬
dem er wenige Monate früher gegen dasselbe Frankreich, aus welchem sein
Geschlecht stammte, die Waffen geführt hatte. Er gehörte bald darauf zu den
Trauernden über die Verbannung des Meisters aus Frankreich wegen jenes
Votums für Ludwigs XVI. Tod, welches der Unverstand der Bourbonen
noch nach 23 Jahren an dem größten Künstler des Landes rächen zu
müssen glaubte.
In neue und bedenklichere Widersprüche trat der spätreifende Künstler
während eines langen Aufenthaltes in Italien, wo eben damals (1817—1824)
mit der Blüthe der Romantik die Apostasie unter den deutschen Malern zur
Modesache zu werden schien. Aber gerade die vollkommene Reinheit seiner
Begeisterung, die schöne Einfalt seiner Ueberzeugungen und Studien ließ ihn
die Gegensätze und Klippen gar nicht bemerken, an denen die sittliche Stärke
Anderer scheiterte. Er ward nach der Rückkehr in die Vaterstadt Kirchen-
vorstand der reformirten Gemeinde, während er sich in Heiligenbildern ver¬
suchte, und auch dies nicht, ohne an seiner eigenen Befähigung für die Kunst
irre zu werden.
Da hat ihm sein scharfsehender und von der Romantik doch tief ergrif¬
fener Landsmann, der ungemein verdiente Geschichtsforscher I. Fr. Böhmer,
den hohen Freundschaftsdienst erwiesen, ihm in leicht verständlicher Bilder¬
sprache diese Widersprüche darzuthun und ihm die leider begründeten Zweifel
über seine künstlerische Befähigung zu stärken, als Passavant zu der Hoch¬
seier der Romantik in Deutschland, dem Albrecht Dürer-Feste in Nürnberg,
im April 1828 reiste.
Binnen zwei Jahren sehen wir den. auch in allen Hoffnungen äußerer
Sicherung und Anerkennung Getäuschten im vollen Mannesalter noch einmal
eine Aenderung wagen, die seinem Gemüthe entspricht, ohne ihn in schroffen
Gegensatz zu seiner eigenen Vergangenheit oder der seiner Familie zu bringen.
„Als die Zeit seines Kirchendienstes vorüber war, zog er sich mehr und mehr
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