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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band.

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der Kirche erklären, wenn der Staat verlangt, daß Jemand, der an seinen
öffentlichen Anstalten Philologie oder Naturgeschichte lehren will, seine Be¬
fähigung hiezu auch vor Philologen und Naturforschern nachweise.

Daß Jemand ein Examen bestanden haben kann und doch kein guter
Lehrer sein muß, brauchen Kie Jesuiten uns nicht erst zu sagen. Sie sollen
aber nicht vergessen, daß man über das Können jedenfalls noch mehr im
Unklaren ist, wenn Jemand nicht einmal Beweise seines Wissens abgelegt hat.

Wie über künftige Lehrer, so wird natürlich auch über Schüler und ihre
Leistungen ein Fachmann besser urtheilen, als der Schulpräfect, die Haus"
obern und Provinzialen. Wenn die Jesuiten sagen, es sei nicht möglich,
daß sich in ihren Gymnasien Fehler und Mängel einschleichen, weil der
Schulpräfect, Hausobere und selbst der Provinzial dieselbe visitiren, so zeigt
das nur, wie urtheilslos sie auf pädagogischen Gebiet sind und welcher
argen Selbsttäuschung sie sich auch in dieser Beziehung überlassen.

Wie nur ein Fachmann endgiltig über Schüler und ihre Leistungen ur¬
theilen kann, so kann nur ein solcher diese Schüler gehörig unterrichten.
Wer den Nachweis nicht liefern will, daß er Fachmann sei, paßt eben
nicht zum Lehrer in einer öffentlichen Anstalt. Die Jesuiten können für ihre
Gymnasien kein Oeffentlichkeitsrecht beanspruchen, solange sie den vom Staat
vorgeschriebenen Bedingungen nicht nachkommen. Sie können es um so
weniger, als der Staat den geistlichen Gymnasien das Oeffentlichkeitsrecht
überhaupt nur unter der ausdrücklichen Bestimmung ertheilt hat, daß jeder
Lehrer dieselbe Stelle auch an einem Staatsgymnasium bekleiden kann, d. h.
gehörig gebildet und geprüft ist. Daß nun der Staat im Gegensatz zu den
von ihm selbst aufgestellten Bedingungen den Jesuitengymnasien dennoch
das Oeffentlichkeitsrecht zugestanden hat, gereicht der Regierung zum Vor¬
wurf. Statt seine Gesetze selbst zu achten, hat der Staat den Jesuitengym¬
nasien, obwohl sie sich offen gegen diese Gesetze erklärten und kühn aus-
sprachen, daß sie dieselben weder beobachten könnten noch wollten, Staats¬
zuschüsse bewilligt, ohne daß den Staatsorganen auch nur ein Einfluß auf
die Besetzung der Lehranstalten eingeräumt worden wäre, was doch das Ge¬
setz gleichfalls ausdrücklich verlangt.

So hat der Staat alles gewährt, was er gewähren durfte, der Orden alles
verweigert, wozu er durch das Gesetz verbunden war. Man hat die Zuge¬
ständnisse nicht gemacht, weil der Orden den Verpflichtungen, an welche sonst
diese Begünstigungen geknüpft wurden, nachkam, sondern obwohl er sich von
allen eximirte. Und das ist es, was die Autorität des Staates untergräbt
und den Bestand der gegenwärtigen Jesuitengymnasien in Oestreich gemein¬
schädlich macht. Nicht nur weil in den Jesuitengymnasien nichts geleistet wird,
muß man sich gegen ihren ferneren Bestand aussprechen, -- bei der geringen


Grenzboten II. 18V8.. 1s

der Kirche erklären, wenn der Staat verlangt, daß Jemand, der an seinen
öffentlichen Anstalten Philologie oder Naturgeschichte lehren will, seine Be¬
fähigung hiezu auch vor Philologen und Naturforschern nachweise.

Daß Jemand ein Examen bestanden haben kann und doch kein guter
Lehrer sein muß, brauchen Kie Jesuiten uns nicht erst zu sagen. Sie sollen
aber nicht vergessen, daß man über das Können jedenfalls noch mehr im
Unklaren ist, wenn Jemand nicht einmal Beweise seines Wissens abgelegt hat.

Wie über künftige Lehrer, so wird natürlich auch über Schüler und ihre
Leistungen ein Fachmann besser urtheilen, als der Schulpräfect, die Haus»
obern und Provinzialen. Wenn die Jesuiten sagen, es sei nicht möglich,
daß sich in ihren Gymnasien Fehler und Mängel einschleichen, weil der
Schulpräfect, Hausobere und selbst der Provinzial dieselbe visitiren, so zeigt
das nur, wie urtheilslos sie auf pädagogischen Gebiet sind und welcher
argen Selbsttäuschung sie sich auch in dieser Beziehung überlassen.

Wie nur ein Fachmann endgiltig über Schüler und ihre Leistungen ur¬
theilen kann, so kann nur ein solcher diese Schüler gehörig unterrichten.
Wer den Nachweis nicht liefern will, daß er Fachmann sei, paßt eben
nicht zum Lehrer in einer öffentlichen Anstalt. Die Jesuiten können für ihre
Gymnasien kein Oeffentlichkeitsrecht beanspruchen, solange sie den vom Staat
vorgeschriebenen Bedingungen nicht nachkommen. Sie können es um so
weniger, als der Staat den geistlichen Gymnasien das Oeffentlichkeitsrecht
überhaupt nur unter der ausdrücklichen Bestimmung ertheilt hat, daß jeder
Lehrer dieselbe Stelle auch an einem Staatsgymnasium bekleiden kann, d. h.
gehörig gebildet und geprüft ist. Daß nun der Staat im Gegensatz zu den
von ihm selbst aufgestellten Bedingungen den Jesuitengymnasien dennoch
das Oeffentlichkeitsrecht zugestanden hat, gereicht der Regierung zum Vor¬
wurf. Statt seine Gesetze selbst zu achten, hat der Staat den Jesuitengym¬
nasien, obwohl sie sich offen gegen diese Gesetze erklärten und kühn aus-
sprachen, daß sie dieselben weder beobachten könnten noch wollten, Staats¬
zuschüsse bewilligt, ohne daß den Staatsorganen auch nur ein Einfluß auf
die Besetzung der Lehranstalten eingeräumt worden wäre, was doch das Ge¬
setz gleichfalls ausdrücklich verlangt.

So hat der Staat alles gewährt, was er gewähren durfte, der Orden alles
verweigert, wozu er durch das Gesetz verbunden war. Man hat die Zuge¬
ständnisse nicht gemacht, weil der Orden den Verpflichtungen, an welche sonst
diese Begünstigungen geknüpft wurden, nachkam, sondern obwohl er sich von
allen eximirte. Und das ist es, was die Autorität des Staates untergräbt
und den Bestand der gegenwärtigen Jesuitengymnasien in Oestreich gemein¬
schädlich macht. Nicht nur weil in den Jesuitengymnasien nichts geleistet wird,
muß man sich gegen ihren ferneren Bestand aussprechen, — bei der geringen


Grenzboten II. 18V8.. 1s
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[0141] der Kirche erklären, wenn der Staat verlangt, daß Jemand, der an seinen öffentlichen Anstalten Philologie oder Naturgeschichte lehren will, seine Be¬ fähigung hiezu auch vor Philologen und Naturforschern nachweise. Daß Jemand ein Examen bestanden haben kann und doch kein guter Lehrer sein muß, brauchen Kie Jesuiten uns nicht erst zu sagen. Sie sollen aber nicht vergessen, daß man über das Können jedenfalls noch mehr im Unklaren ist, wenn Jemand nicht einmal Beweise seines Wissens abgelegt hat. Wie über künftige Lehrer, so wird natürlich auch über Schüler und ihre Leistungen ein Fachmann besser urtheilen, als der Schulpräfect, die Haus» obern und Provinzialen. Wenn die Jesuiten sagen, es sei nicht möglich, daß sich in ihren Gymnasien Fehler und Mängel einschleichen, weil der Schulpräfect, Hausobere und selbst der Provinzial dieselbe visitiren, so zeigt das nur, wie urtheilslos sie auf pädagogischen Gebiet sind und welcher argen Selbsttäuschung sie sich auch in dieser Beziehung überlassen. Wie nur ein Fachmann endgiltig über Schüler und ihre Leistungen ur¬ theilen kann, so kann nur ein solcher diese Schüler gehörig unterrichten. Wer den Nachweis nicht liefern will, daß er Fachmann sei, paßt eben nicht zum Lehrer in einer öffentlichen Anstalt. Die Jesuiten können für ihre Gymnasien kein Oeffentlichkeitsrecht beanspruchen, solange sie den vom Staat vorgeschriebenen Bedingungen nicht nachkommen. Sie können es um so weniger, als der Staat den geistlichen Gymnasien das Oeffentlichkeitsrecht überhaupt nur unter der ausdrücklichen Bestimmung ertheilt hat, daß jeder Lehrer dieselbe Stelle auch an einem Staatsgymnasium bekleiden kann, d. h. gehörig gebildet und geprüft ist. Daß nun der Staat im Gegensatz zu den von ihm selbst aufgestellten Bedingungen den Jesuitengymnasien dennoch das Oeffentlichkeitsrecht zugestanden hat, gereicht der Regierung zum Vor¬ wurf. Statt seine Gesetze selbst zu achten, hat der Staat den Jesuitengym¬ nasien, obwohl sie sich offen gegen diese Gesetze erklärten und kühn aus- sprachen, daß sie dieselben weder beobachten könnten noch wollten, Staats¬ zuschüsse bewilligt, ohne daß den Staatsorganen auch nur ein Einfluß auf die Besetzung der Lehranstalten eingeräumt worden wäre, was doch das Ge¬ setz gleichfalls ausdrücklich verlangt. So hat der Staat alles gewährt, was er gewähren durfte, der Orden alles verweigert, wozu er durch das Gesetz verbunden war. Man hat die Zuge¬ ständnisse nicht gemacht, weil der Orden den Verpflichtungen, an welche sonst diese Begünstigungen geknüpft wurden, nachkam, sondern obwohl er sich von allen eximirte. Und das ist es, was die Autorität des Staates untergräbt und den Bestand der gegenwärtigen Jesuitengymnasien in Oestreich gemein¬ schädlich macht. Nicht nur weil in den Jesuitengymnasien nichts geleistet wird, muß man sich gegen ihren ferneren Bestand aussprechen, — bei der geringen Grenzboten II. 18V8.. 1s

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_362043/141>, abgerufen am 15.01.2025.