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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band.

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Wissenschaften aufgehoben, die bisher geltende freiere Unterrichtsmethode ab¬
geschafft und angeordnet, daß man sich in Allem an gewisse amtlich vor¬
geschriebene Lehrbücher zu halten habe.

So war man nach wiederholten Reformen nach einem halben Jahrhun¬
dert wieder bei dem durch Piaristen etwas modificirten Lehrsystem der Je¬
suiten angekommen, das trotz aller. Klagen bis 1838 unverändert bestand,
in welchem Jahre man abermals eine Verbesserung auch des Gymnasial¬
wesens in Angriff nahm. Es wurde vorgeschlagen, den Gymnasialunterricht
auf 8 Jahre auszudehnen, deutsche Sprache und Literatur, sowie Mathe¬
matik und Naturgeschichte unter die Lehrgegenstände aufzunehmen, den Unter¬
richt im Griechischen sowie die Lecture der Klassiker mehr zu berücksichtigen,
Fachlehrer einzuführen und den Gebrauch der officiell bestimmten Lehrbücher
abzuschaffen.

Erst 1842 erfolgte der Bericht der Studienhofcommission über die
Gutachten der Studiendirectorate, auf dessen Grundlage ein eigenes Comite
die Revision des gesammten Studienplanes ausarbeiten sollte. Die Ver¬
handlungen über diesen 1846 überreichten Entwurf zogen sich aber so lange
hin, daß sie noch nicht beendet waren, als 1848 die alten Verhältnisse Oest¬
reichs zusammenbrachen.

Eine der ersten Thaten des am 23. März ernannten Unterrichts-Mi¬
nisteriums war, daß dasselbe den Lehrern der Gymnasien die unmittelbare
Leitung der Studienangelegenheiten übertrug, über welche früher die Local-
vorstände oder Landesstellen zu entscheiden hatten. Auch wurden die Lehrer¬
kollegien wieder eingeführt, und ein in Anlehnung an die Einrichtungen der
übrigen Culturvölker ausgearbeiteter Entwurf von Grundzügen für Reorga¬
nisation des gesammten Unterrichtswesens veröffentlicht. Am 16. September
1849 wurde endlich, nachdem vorher noch Uebergangsbestimmungen ins Leben
getreten waren, der neue Organisationsentwurf, der im einzelnen durch spä¬
tere Nachtragbestimmungen ergänzt und verändert noch heute gilt, für den
Umfang des ganzen Reiches veröffentlicht. Dieses mal ließ man es aber nicht
bei dem Entwurf bewenden, sondern suchte denselben auszuführen. Man war
zunächst darauf bedacht, die nöthigen Lehrer zu gewinnen, sowie die noth¬
wendigen Lehrbücher und Lehrmittel zu beschaffen. Man vervollständigte
auch alle Gymnasien auf 8 Classen (Ober- und Untergymnasien je zu
4 Classen), führte Maturitätsprüfungen ein, gründete neue Gymnasien, und
übernahm von Staatswegen solche, welche bisher von geistlichen Orden ge¬
leitet worden waren, während man andere derartige Anstalten, wenn sie bis
1849 als staatsgiltig angesehen worden waren und die neuen Einrichtungen
annahmen, in ihren Händen ließ.

Es gab also von nun an, abgesehen von den hier nicht in Rede stehenden


Wissenschaften aufgehoben, die bisher geltende freiere Unterrichtsmethode ab¬
geschafft und angeordnet, daß man sich in Allem an gewisse amtlich vor¬
geschriebene Lehrbücher zu halten habe.

So war man nach wiederholten Reformen nach einem halben Jahrhun¬
dert wieder bei dem durch Piaristen etwas modificirten Lehrsystem der Je¬
suiten angekommen, das trotz aller. Klagen bis 1838 unverändert bestand,
in welchem Jahre man abermals eine Verbesserung auch des Gymnasial¬
wesens in Angriff nahm. Es wurde vorgeschlagen, den Gymnasialunterricht
auf 8 Jahre auszudehnen, deutsche Sprache und Literatur, sowie Mathe¬
matik und Naturgeschichte unter die Lehrgegenstände aufzunehmen, den Unter¬
richt im Griechischen sowie die Lecture der Klassiker mehr zu berücksichtigen,
Fachlehrer einzuführen und den Gebrauch der officiell bestimmten Lehrbücher
abzuschaffen.

Erst 1842 erfolgte der Bericht der Studienhofcommission über die
Gutachten der Studiendirectorate, auf dessen Grundlage ein eigenes Comite
die Revision des gesammten Studienplanes ausarbeiten sollte. Die Ver¬
handlungen über diesen 1846 überreichten Entwurf zogen sich aber so lange
hin, daß sie noch nicht beendet waren, als 1848 die alten Verhältnisse Oest¬
reichs zusammenbrachen.

Eine der ersten Thaten des am 23. März ernannten Unterrichts-Mi¬
nisteriums war, daß dasselbe den Lehrern der Gymnasien die unmittelbare
Leitung der Studienangelegenheiten übertrug, über welche früher die Local-
vorstände oder Landesstellen zu entscheiden hatten. Auch wurden die Lehrer¬
kollegien wieder eingeführt, und ein in Anlehnung an die Einrichtungen der
übrigen Culturvölker ausgearbeiteter Entwurf von Grundzügen für Reorga¬
nisation des gesammten Unterrichtswesens veröffentlicht. Am 16. September
1849 wurde endlich, nachdem vorher noch Uebergangsbestimmungen ins Leben
getreten waren, der neue Organisationsentwurf, der im einzelnen durch spä¬
tere Nachtragbestimmungen ergänzt und verändert noch heute gilt, für den
Umfang des ganzen Reiches veröffentlicht. Dieses mal ließ man es aber nicht
bei dem Entwurf bewenden, sondern suchte denselben auszuführen. Man war
zunächst darauf bedacht, die nöthigen Lehrer zu gewinnen, sowie die noth¬
wendigen Lehrbücher und Lehrmittel zu beschaffen. Man vervollständigte
auch alle Gymnasien auf 8 Classen (Ober- und Untergymnasien je zu
4 Classen), führte Maturitätsprüfungen ein, gründete neue Gymnasien, und
übernahm von Staatswegen solche, welche bisher von geistlichen Orden ge¬
leitet worden waren, während man andere derartige Anstalten, wenn sie bis
1849 als staatsgiltig angesehen worden waren und die neuen Einrichtungen
annahmen, in ihren Händen ließ.

Es gab also von nun an, abgesehen von den hier nicht in Rede stehenden


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[0134] Wissenschaften aufgehoben, die bisher geltende freiere Unterrichtsmethode ab¬ geschafft und angeordnet, daß man sich in Allem an gewisse amtlich vor¬ geschriebene Lehrbücher zu halten habe. So war man nach wiederholten Reformen nach einem halben Jahrhun¬ dert wieder bei dem durch Piaristen etwas modificirten Lehrsystem der Je¬ suiten angekommen, das trotz aller. Klagen bis 1838 unverändert bestand, in welchem Jahre man abermals eine Verbesserung auch des Gymnasial¬ wesens in Angriff nahm. Es wurde vorgeschlagen, den Gymnasialunterricht auf 8 Jahre auszudehnen, deutsche Sprache und Literatur, sowie Mathe¬ matik und Naturgeschichte unter die Lehrgegenstände aufzunehmen, den Unter¬ richt im Griechischen sowie die Lecture der Klassiker mehr zu berücksichtigen, Fachlehrer einzuführen und den Gebrauch der officiell bestimmten Lehrbücher abzuschaffen. Erst 1842 erfolgte der Bericht der Studienhofcommission über die Gutachten der Studiendirectorate, auf dessen Grundlage ein eigenes Comite die Revision des gesammten Studienplanes ausarbeiten sollte. Die Ver¬ handlungen über diesen 1846 überreichten Entwurf zogen sich aber so lange hin, daß sie noch nicht beendet waren, als 1848 die alten Verhältnisse Oest¬ reichs zusammenbrachen. Eine der ersten Thaten des am 23. März ernannten Unterrichts-Mi¬ nisteriums war, daß dasselbe den Lehrern der Gymnasien die unmittelbare Leitung der Studienangelegenheiten übertrug, über welche früher die Local- vorstände oder Landesstellen zu entscheiden hatten. Auch wurden die Lehrer¬ kollegien wieder eingeführt, und ein in Anlehnung an die Einrichtungen der übrigen Culturvölker ausgearbeiteter Entwurf von Grundzügen für Reorga¬ nisation des gesammten Unterrichtswesens veröffentlicht. Am 16. September 1849 wurde endlich, nachdem vorher noch Uebergangsbestimmungen ins Leben getreten waren, der neue Organisationsentwurf, der im einzelnen durch spä¬ tere Nachtragbestimmungen ergänzt und verändert noch heute gilt, für den Umfang des ganzen Reiches veröffentlicht. Dieses mal ließ man es aber nicht bei dem Entwurf bewenden, sondern suchte denselben auszuführen. Man war zunächst darauf bedacht, die nöthigen Lehrer zu gewinnen, sowie die noth¬ wendigen Lehrbücher und Lehrmittel zu beschaffen. Man vervollständigte auch alle Gymnasien auf 8 Classen (Ober- und Untergymnasien je zu 4 Classen), führte Maturitätsprüfungen ein, gründete neue Gymnasien, und übernahm von Staatswegen solche, welche bisher von geistlichen Orden ge¬ leitet worden waren, während man andere derartige Anstalten, wenn sie bis 1849 als staatsgiltig angesehen worden waren und die neuen Einrichtungen annahmen, in ihren Händen ließ. Es gab also von nun an, abgesehen von den hier nicht in Rede stehenden

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_362043/134>, abgerufen am 15.01.2025.