Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band.Culturaufgabe des preußischen Staates so groß gemacht, daß er jetzt in der Dieser ideale Protestantismus Preußens hat immer noch den alten Feind, der Es ist in Wahrheit ein unablässiger und heftiger Krieg, in welchem Der ständige Gesandte und der Botschafter des Papstes ist aus diesem Für diese wünschenswerthe Thätigkeit ist in Berlin, wie verlautet, der 15
Culturaufgabe des preußischen Staates so groß gemacht, daß er jetzt in der Dieser ideale Protestantismus Preußens hat immer noch den alten Feind, der Es ist in Wahrheit ein unablässiger und heftiger Krieg, in welchem Der ständige Gesandte und der Botschafter des Papstes ist aus diesem Für diese wünschenswerthe Thätigkeit ist in Berlin, wie verlautet, der 15
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0119" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/117651"/> <p xml:id="ID_362" prev="#ID_361"> Culturaufgabe des preußischen Staates so groß gemacht, daß er jetzt in der<lb/> Lage ist, Deutschland zu werden.</p><lb/> <p xml:id="ID_363"> Dieser ideale Protestantismus Preußens hat immer noch den alten Feind, der<lb/> unversöhnbar ist, weil auch er durch eine mächtige Idee getragen wird, und dieser<lb/> Feind ist die herrschende Partei der römischen Kirche. Die Prätensionen<lb/> der geistigen Bevormundung, welche die Kirche aufrecht erhalten muß, wenn<lb/> sie bestehen soll, sind völlig unverträglich mit unserem preußischen Leben, sie<lb/> arbeiten feindselig jeden Tag gegen Bestehen und Wachsthum unseres Staates,<lb/> sie sind nicht durch Nachgiebigkeit zu versöhnen, nicht durch Gerechtigkeit zu<lb/> entwaffnen. Jenes Dogma, nach welchem jeder Protestant Rebell gegen Gott<lb/> und der Seligkeit im jenseits verlustig ist, zwingt mit eiserner Nothwen¬<lb/> digkeit, das "Bestehen protestantischer Bildung, ja die gesammte Cultur,<lb/> durch welche Preußen aufgeblüht ist, für ein unermeßliches Unglück, für einen<lb/> Abfall vom Heiligsten und ein Werk des Teufels zu halten. 'Nicht die Mil¬<lb/> lionen unserer katholischen Mitbrüder ziehen diese Consequenzen ihres kirch¬<lb/> lichen Dogmas, auch in vielen einzelnen ihrer geistlichen Führer temperirt<lb/> sich diese mittelalterliche Lehre milder und humaner, aber dasselbe Dogma<lb/> gilt, wirkt und herrscht noch heut in der Kirche, es vermag jeden Gläubigen<lb/> in entscheidender Stunde über seine Pflicht gegen den Staat zu beirren und es<lb/> arbeitet scharf, unverhüllt, mit dem Gefühl der Todfeindschaft gegen unser<lb/> Ketzerthum in jeden kriegerischen Talent der Clerisei.^</p><lb/> <p xml:id="ID_364"> Es ist in Wahrheit ein unablässiger und heftiger Krieg, in welchem<lb/> Preußen mit der Idee der römischen Kirche steht, und es ist nicht schicklich und<lb/> nicht klug, Gesandte einer Macht, mit welcher man im Kampf auf Tod und<lb/> Leben steht, an seinem Hofe zu halten. Der päpstliche Stuhl hat mit der<lb/> vornehmen Dreistigkeit, welche beschränktem Standpunkt und legitimistischer<lb/> Prätension überall eigen ist, genau dasselbe längst erklärt, er selbst hat seit<lb/> Jahrhunderten den nichtkatholischen Fürsten die Anerkennung ihrer politi¬<lb/> schen Berechtigung verweigert.- welche der Monarch dem Monarchen durch<lb/> Absendung eines ständigen Gesandten ausdrückt, er selbst hat ganz richtig den<lb/> Satz hervorgehoben, daß die römische Curie nicht nur eine "Macht ist, wie<lb/> der türkische Kaiser, welche sich bescheidet, Staat und Kirche der eigenen<lb/> Unterthanen zu regieren, sondern die höchste Macht der Christenheit, welcher<lb/> nach vielen Richtungen auch die höchste Herrschaft im politischen Staatsleben<lb/> zustehe, und welche die höchste Autorität sei für Lehre, Familie, Zucht, Gewissen<lb/> aller Christen; — obgleich die Bildung, Familienzucht und Gewissensruhe,<lb/> welche die alte Kirche zu geben vermag, längst nicht mehr den Anforderungen<lb/> und Bedürfnissen eines modernen Staates entsprechen.</p><lb/> <p xml:id="ID_365"> Der ständige Gesandte und der Botschafter des Papstes ist aus diesem<lb/> Grunde in dem Staate, welchem er bevollmächtigt wird, nicht der Gesandte<lb/> einer fremden Großmacht, sondern er ist zugleich der delegirte Herrscher-über die<lb/> katholischen Unterthanen dieses Staates. Er wird nicht nur Mittelpunkt für<lb/> die Interessen der katholischen Kirche in Preußen, also eine Gegenregierung<lb/> gegen das Ministerium des Cultus, sondern er wird zugleich Mittelpunkt<lb/> aller römischen Forderungen und Intriguen, eine Stärkung aller Gegner,<lb/> eine Macht, welche überall verleitet, anzieht und statt der treuen Hingabe<lb/> an den Staat den Gehorsam gegen den römischen Stuhl verkündet.</p><lb/> <p xml:id="ID_366"> Für diese wünschenswerthe Thätigkeit ist in Berlin, wie verlautet, der<lb/> Erzbischof aus Posen Ledochowski ausersehen, ein aristokratischer Pole und<lb/> ein Jesuit, der die Kunst seines Ordens.vortrefflich versteht, Geringes zu<lb/> opfern, um Großes durchzusetzen. Die Wahl wäre bedeutsam für die nächste<lb/> Zukunft Preußens.*</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 15</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0119]
Culturaufgabe des preußischen Staates so groß gemacht, daß er jetzt in der
Lage ist, Deutschland zu werden.
Dieser ideale Protestantismus Preußens hat immer noch den alten Feind, der
unversöhnbar ist, weil auch er durch eine mächtige Idee getragen wird, und dieser
Feind ist die herrschende Partei der römischen Kirche. Die Prätensionen
der geistigen Bevormundung, welche die Kirche aufrecht erhalten muß, wenn
sie bestehen soll, sind völlig unverträglich mit unserem preußischen Leben, sie
arbeiten feindselig jeden Tag gegen Bestehen und Wachsthum unseres Staates,
sie sind nicht durch Nachgiebigkeit zu versöhnen, nicht durch Gerechtigkeit zu
entwaffnen. Jenes Dogma, nach welchem jeder Protestant Rebell gegen Gott
und der Seligkeit im jenseits verlustig ist, zwingt mit eiserner Nothwen¬
digkeit, das "Bestehen protestantischer Bildung, ja die gesammte Cultur,
durch welche Preußen aufgeblüht ist, für ein unermeßliches Unglück, für einen
Abfall vom Heiligsten und ein Werk des Teufels zu halten. 'Nicht die Mil¬
lionen unserer katholischen Mitbrüder ziehen diese Consequenzen ihres kirch¬
lichen Dogmas, auch in vielen einzelnen ihrer geistlichen Führer temperirt
sich diese mittelalterliche Lehre milder und humaner, aber dasselbe Dogma
gilt, wirkt und herrscht noch heut in der Kirche, es vermag jeden Gläubigen
in entscheidender Stunde über seine Pflicht gegen den Staat zu beirren und es
arbeitet scharf, unverhüllt, mit dem Gefühl der Todfeindschaft gegen unser
Ketzerthum in jeden kriegerischen Talent der Clerisei.^
Es ist in Wahrheit ein unablässiger und heftiger Krieg, in welchem
Preußen mit der Idee der römischen Kirche steht, und es ist nicht schicklich und
nicht klug, Gesandte einer Macht, mit welcher man im Kampf auf Tod und
Leben steht, an seinem Hofe zu halten. Der päpstliche Stuhl hat mit der
vornehmen Dreistigkeit, welche beschränktem Standpunkt und legitimistischer
Prätension überall eigen ist, genau dasselbe längst erklärt, er selbst hat seit
Jahrhunderten den nichtkatholischen Fürsten die Anerkennung ihrer politi¬
schen Berechtigung verweigert.- welche der Monarch dem Monarchen durch
Absendung eines ständigen Gesandten ausdrückt, er selbst hat ganz richtig den
Satz hervorgehoben, daß die römische Curie nicht nur eine "Macht ist, wie
der türkische Kaiser, welche sich bescheidet, Staat und Kirche der eigenen
Unterthanen zu regieren, sondern die höchste Macht der Christenheit, welcher
nach vielen Richtungen auch die höchste Herrschaft im politischen Staatsleben
zustehe, und welche die höchste Autorität sei für Lehre, Familie, Zucht, Gewissen
aller Christen; — obgleich die Bildung, Familienzucht und Gewissensruhe,
welche die alte Kirche zu geben vermag, längst nicht mehr den Anforderungen
und Bedürfnissen eines modernen Staates entsprechen.
Der ständige Gesandte und der Botschafter des Papstes ist aus diesem
Grunde in dem Staate, welchem er bevollmächtigt wird, nicht der Gesandte
einer fremden Großmacht, sondern er ist zugleich der delegirte Herrscher-über die
katholischen Unterthanen dieses Staates. Er wird nicht nur Mittelpunkt für
die Interessen der katholischen Kirche in Preußen, also eine Gegenregierung
gegen das Ministerium des Cultus, sondern er wird zugleich Mittelpunkt
aller römischen Forderungen und Intriguen, eine Stärkung aller Gegner,
eine Macht, welche überall verleitet, anzieht und statt der treuen Hingabe
an den Staat den Gehorsam gegen den römischen Stuhl verkündet.
Für diese wünschenswerthe Thätigkeit ist in Berlin, wie verlautet, der
Erzbischof aus Posen Ledochowski ausersehen, ein aristokratischer Pole und
ein Jesuit, der die Kunst seines Ordens.vortrefflich versteht, Geringes zu
opfern, um Großes durchzusetzen. Die Wahl wäre bedeutsam für die nächste
Zukunft Preußens.*
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