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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band.

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auch die Ausführung recht bald folgen lassen wird. Die Interessen der Boden¬
cultur, der Landwirthschaft und der Industrie gehen hier Hand in Hand: sie ver¬
langen die Herabsetzung einer "Steuer", welche die Aufbringung der meisten
übrigen Steuern wesentlich erschwert, weil sie einmal verhindert, daß dem
Boden zurückgegeben werde, was ihm genommen wurde, und weil sie zweitens
die Ausbeutung der vorhandenen Erträge beeinträchtigt.




Aus Schwaben.

Die Introduction ist vorüber, und wenn man von ihr auf den Charakter
des nachfolgenden Stücks schließen darf, verspricht dasselbe lebhaft, bewegt,
effectreich zu werden. Ein rascheres Tempo muß in den Gang unserer Staats¬
maschine kommen. Das bedeuten, wie wir belehrt worden sind, die Neu¬
wahlen, die so viele Frischlinge der Kammer zugeführt haben. Krieg gegen
das Ministerium! so tönt der Ruf auf der Linken wie auf der Rechten, aus
den Reihen der Volkspartei wie aus denen der nationalen. Mögen nur,
sagte Karl Mayer, von der einen Seite wir von der Volkspartei, von der
anderen die "Preußen" auf das Ministerium dretnschlagen, so wird doch
Klarheit in die Situation kommen. Von dieser wünschenswerten Klarheit
war überhaupt in den einleitenden Debatten viel die Rede. Die Linke scheint
ganz besonders dieses Bedürfniß zu empfinden.

Unter so kriegerischen Auspicien eröffnet die neue Session. Es liegt auf
der Hand, daß der Lieblingswunsch des Particularismus, innerhalb des
souveränen Staats das Haus der Freiheit zu errichten und auszubauen, um
darin gegen alle Stürme wie gegen alle Verlockung gesichert ein behagliches
Dasein zu führen, beneidenswerth für die außerhalb wohnenden Brüder --
wofern dieser Name, den man gern für die Gesinnungsgenossen jenseits der
Vogesen reservirt, anwendbar ist auf das barbarische Mischvolk nördlich vom
Main -- es liegt auf der Hand, daß die Verwirklichung dieses Lieblings¬
wunsches bei so kriegerischer Disposition der Gemüther erhebliche Schwierig¬
keiten haben' wird. Man versteht jetzt, warum die Regierung vorsichtig mit
der Ankündigung großer Reformen gewesen ist. So wie die Parteien sich
gegenüberstehen, wird Niemand diese Kammer zu der Pflanzung lebensfähiger
und grundlegender Einrichtungen für berufen erachten. Es überwiegt die
Leidenschaft des Moments. Für jetzt ist die Losung nicht aufbauen, sondern
niederreißen, nämlich das Ministerium, ^dasso ü mal-störo!


auch die Ausführung recht bald folgen lassen wird. Die Interessen der Boden¬
cultur, der Landwirthschaft und der Industrie gehen hier Hand in Hand: sie ver¬
langen die Herabsetzung einer „Steuer", welche die Aufbringung der meisten
übrigen Steuern wesentlich erschwert, weil sie einmal verhindert, daß dem
Boden zurückgegeben werde, was ihm genommen wurde, und weil sie zweitens
die Ausbeutung der vorhandenen Erträge beeinträchtigt.




Aus Schwaben.

Die Introduction ist vorüber, und wenn man von ihr auf den Charakter
des nachfolgenden Stücks schließen darf, verspricht dasselbe lebhaft, bewegt,
effectreich zu werden. Ein rascheres Tempo muß in den Gang unserer Staats¬
maschine kommen. Das bedeuten, wie wir belehrt worden sind, die Neu¬
wahlen, die so viele Frischlinge der Kammer zugeführt haben. Krieg gegen
das Ministerium! so tönt der Ruf auf der Linken wie auf der Rechten, aus
den Reihen der Volkspartei wie aus denen der nationalen. Mögen nur,
sagte Karl Mayer, von der einen Seite wir von der Volkspartei, von der
anderen die „Preußen" auf das Ministerium dretnschlagen, so wird doch
Klarheit in die Situation kommen. Von dieser wünschenswerten Klarheit
war überhaupt in den einleitenden Debatten viel die Rede. Die Linke scheint
ganz besonders dieses Bedürfniß zu empfinden.

Unter so kriegerischen Auspicien eröffnet die neue Session. Es liegt auf
der Hand, daß der Lieblingswunsch des Particularismus, innerhalb des
souveränen Staats das Haus der Freiheit zu errichten und auszubauen, um
darin gegen alle Stürme wie gegen alle Verlockung gesichert ein behagliches
Dasein zu führen, beneidenswerth für die außerhalb wohnenden Brüder —
wofern dieser Name, den man gern für die Gesinnungsgenossen jenseits der
Vogesen reservirt, anwendbar ist auf das barbarische Mischvolk nördlich vom
Main — es liegt auf der Hand, daß die Verwirklichung dieses Lieblings¬
wunsches bei so kriegerischer Disposition der Gemüther erhebliche Schwierig¬
keiten haben' wird. Man versteht jetzt, warum die Regierung vorsichtig mit
der Ankündigung großer Reformen gewesen ist. So wie die Parteien sich
gegenüberstehen, wird Niemand diese Kammer zu der Pflanzung lebensfähiger
und grundlegender Einrichtungen für berufen erachten. Es überwiegt die
Leidenschaft des Moments. Für jetzt ist die Losung nicht aufbauen, sondern
niederreißen, nämlich das Ministerium, ^dasso ü mal-störo!


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_287271/534>, abgerufen am 06.02.2025.