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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band.

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sprechen; und für sicher kann nur das Eine gelten, daß der Schatz sich nicht
innerhalb einer Baulichkeit befand, also für ein Depositum anzusehen ist.
Lehrreich wäre ein "Pergamentstück", das aus dem Tumult gerettet worden
ist, aus welchem ein handschriftenkundiger mittelalterlicher Gelehrter, vermuth¬
lich aus keinem anderen Anlaß als um sein Licht nicht unter den Scheffel
zu stellen, dreifache Schrift aus verschiedener Zeit und unter AnderM den
Namen Herzogs Ulrich von Braunschweig gelesen hat. Leider Gottes steht
auf dem Pergament auch nicht ein Buchstabe und das ganze Pergament ist
ungeglättetes simples Leder.

Interessant und erfreulich war es zu beobachten, wie rasch sich die Nach¬
richt von dem Funde verbreitete, wie schnell und rege von allen Seiten die
Theilnahme wuchs -- mag immerhin die Neugierde vor dem Kunstinteresse
die Oberhand behalten haben. Nach den zahlreichen Besprechungen in Zeit¬
schriften und Tagesblättern, welche schon Abbildungen gebracht haben oder in
kurzer Zeit bringen werden, darf ich darauf verzichten, Ihnen eine umständ¬
liche Beschreibung des Ganzen zu geben, die ohnehin aus zurückliegender
Erinnerung geschrieben des Vorzugs frischer Eindrücke entbehren würde, und
beschränke mich für heute darauf, Ihnen dasjenige kurz und trocken zusammen¬
zustellen, was nach den Untersuchungen, die von verschiedenen Seiten geführt
worden sind, gegenwärtig für gesichert gelten darf. Photographien welche
Herr A. H. Burdorf in Hildesheim besorgt und verschickt, oder Gipsabgüsse
aus dem Atelier des Herrn Lusthardt, Bildhauers in Hildesheim, befinden
sich vermuthlich schon in Ihren Händen wie in Händen aller Derer, die sich
näher für den Fund interessiren. Auch steht wohl zu hoffen, daß bald Nach¬
bildungen in Bronce zu haben sein werden.

Wie unschätzbare Dienste die Epigraphik der Kunstgeschichte leistet, hat
sich auch hier wieder einleuchtend gezeigt. Die Meinungen über Entstehungs¬
zeit und Kunst der gefundenen Gegenstände würden vermuthlich noch jetzt sich
kreuzen, wenn nicht lateinische Inschriften -- im Ganzen vier und zwanzig
-- nach ihrer Fassung und der Form der Buchstaben mit aller Bestimmtheit
auf die erste Kaiserzeit hinwiesen, stadtrömischen Ursprung wahrscheinlich
machten und einen Spielraum von höchstens 30--40 Jahren zuließen. Sie
sind wie die Stempel auf unserm Silbergeschirr, an Orten wo sie nicht auf¬
fallen, möglichst unscheinlich und klein angebracht, meist punctirt, aber auch
eingravirt. Sie enthalten sämmtlich, außer den üblichen Abkürzungen und Zei¬
chen genaue Angaben des Gewichts nach römischen Pfunden, Unzen und
Scrupeln d. h. Vierundzwanzigsteln einer Unze; außerdem aber eine Reihe von
Nummern, welche vermuthlich blos Bedeutung für den Verkauf gehabt haben.
Die Namen der Künstler, die man sich nach zahlreichen Analogien als in
Rom arbeitende griechische Sclaven vorstellen darf, sind nicht genannt; tage-


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sprechen; und für sicher kann nur das Eine gelten, daß der Schatz sich nicht
innerhalb einer Baulichkeit befand, also für ein Depositum anzusehen ist.
Lehrreich wäre ein „Pergamentstück", das aus dem Tumult gerettet worden
ist, aus welchem ein handschriftenkundiger mittelalterlicher Gelehrter, vermuth¬
lich aus keinem anderen Anlaß als um sein Licht nicht unter den Scheffel
zu stellen, dreifache Schrift aus verschiedener Zeit und unter AnderM den
Namen Herzogs Ulrich von Braunschweig gelesen hat. Leider Gottes steht
auf dem Pergament auch nicht ein Buchstabe und das ganze Pergament ist
ungeglättetes simples Leder.

Interessant und erfreulich war es zu beobachten, wie rasch sich die Nach¬
richt von dem Funde verbreitete, wie schnell und rege von allen Seiten die
Theilnahme wuchs — mag immerhin die Neugierde vor dem Kunstinteresse
die Oberhand behalten haben. Nach den zahlreichen Besprechungen in Zeit¬
schriften und Tagesblättern, welche schon Abbildungen gebracht haben oder in
kurzer Zeit bringen werden, darf ich darauf verzichten, Ihnen eine umständ¬
liche Beschreibung des Ganzen zu geben, die ohnehin aus zurückliegender
Erinnerung geschrieben des Vorzugs frischer Eindrücke entbehren würde, und
beschränke mich für heute darauf, Ihnen dasjenige kurz und trocken zusammen¬
zustellen, was nach den Untersuchungen, die von verschiedenen Seiten geführt
worden sind, gegenwärtig für gesichert gelten darf. Photographien welche
Herr A. H. Burdorf in Hildesheim besorgt und verschickt, oder Gipsabgüsse
aus dem Atelier des Herrn Lusthardt, Bildhauers in Hildesheim, befinden
sich vermuthlich schon in Ihren Händen wie in Händen aller Derer, die sich
näher für den Fund interessiren. Auch steht wohl zu hoffen, daß bald Nach¬
bildungen in Bronce zu haben sein werden.

Wie unschätzbare Dienste die Epigraphik der Kunstgeschichte leistet, hat
sich auch hier wieder einleuchtend gezeigt. Die Meinungen über Entstehungs¬
zeit und Kunst der gefundenen Gegenstände würden vermuthlich noch jetzt sich
kreuzen, wenn nicht lateinische Inschriften — im Ganzen vier und zwanzig
— nach ihrer Fassung und der Form der Buchstaben mit aller Bestimmtheit
auf die erste Kaiserzeit hinwiesen, stadtrömischen Ursprung wahrscheinlich
machten und einen Spielraum von höchstens 30—40 Jahren zuließen. Sie
sind wie die Stempel auf unserm Silbergeschirr, an Orten wo sie nicht auf¬
fallen, möglichst unscheinlich und klein angebracht, meist punctirt, aber auch
eingravirt. Sie enthalten sämmtlich, außer den üblichen Abkürzungen und Zei¬
chen genaue Angaben des Gewichts nach römischen Pfunden, Unzen und
Scrupeln d. h. Vierundzwanzigsteln einer Unze; außerdem aber eine Reihe von
Nummern, welche vermuthlich blos Bedeutung für den Verkauf gehabt haben.
Die Namen der Künstler, die man sich nach zahlreichen Analogien als in
Rom arbeitende griechische Sclaven vorstellen darf, sind nicht genannt; tage-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_287271/517>, abgerufen am 06.02.2025.