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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band.

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die großen Seehandelsstädte alle weit aufwärts am Flusse liegen; so Bremen
an der Weser, Hamburg an der Elbe, Stettin an der Oder, Danzig an der
Weichsel. Königsberg am Pregel, Riga an der Dura. Deshalb ist das
Fahrwasser bei allen diesen Städten nicht sonderlich tief: auch Hamburg, der
am meisten begünstigte Platz, hat nicht mehr als 14--19 Fuß Wassertiefe
in der Ebbe -- tiefgehende Schiffe mit schwerer Ladung müssen die Fluth,
welche das Wasser 18 Meilen aufwärts staut, zum Herauskommen abwarten
und auch diese genügt oft nicht: man muß erst einen Theil der Ladung bei
Cuxhaven. Brockdorf (z. B. die Guanoschiffe von 23--24 Fuß Tiefgang)
oder Stade in flachgehende Fahrzeuge löschen, damit das erleichterte Schiff
gefahrlos nach Hamburg hinaufzugehen vermag. Diese Verhältnisse sind
auch für den Schutz der Häfen und der Küste von Wichtigkeit und es ist
wohl der Mühe werth, gerade bei Hamburg dieselben genauer ins Auge
zu fassen.

Wir begeben uns in Hamburg an Bord eines Dampfers, welcher nach
Cuxhaven hinab und weiter nach England geht. Auf dem hohen östlichen
User der Elbe liegt rechts die altehrwürdige Hansestadt, in der sich die größten
Contraste vereinigen. Ueberall Erinnerungen an eine lange schicksalsreiche Ver¬
gangenheit und doch Alles durchzogen von modernem, schnellpulsirendem Leben,
die stattliche Behäbigkeit der alten Zeit in wundersamer Mischung mit dem
aufstrebenden Erwerbseifer unseres Jahrhunderts. Die gemüthlichen Häuser
des alten Stadttheils an der oberen Elbe mit ihren Giebelfronten, blanken
kleinen Fenstern und grünen Jalousien wie in Holland, im Farbenschmuck
ihrer rothen Ziegel, freundlich halb versteckt hinter dem Laub einzelner Bäume,
Seemannstreiben in allen Winkeln der schmalen Gäßchen, und im Gegensatz
dazu die stolzen Paläste des neuen Stadttheils an breiten prächtigen Straßen,
lange Fronten hellschimmernder fünfstöckiger Prachtbauten und großartige
Quais am breiten Spiegel des Alsterbassins, die neue Börse, die gothischen
Spitzen der Nicolaikirche und die entzückenden Parkanlagen an den ehe¬
maligen Wällen. Ein anderes Bild bietet wieder der Hafen, den früher
die Elbe ausschließlich bildete, während man jetzt noch einen großen und
schönen Seitencanal nach der Seite des Sandthors geschaffen hat. Früher
konnten nämlich die Schiffe, selbst wenn sie bis auf 16 Fuß geliechtet hatten,
zu Hamburg nur im Elbstrom, nicht hart am Ufer anlegen und es wurde
somit eine vierfache Umladung der Waaren nothwendig: in Stade auf einen
Liechter oder vor Hamburg in einen Ewer, von diesem ans Land, vom Quai
einen Wagen und vom Wagen auf die Bahn. Seit Vollendung des Sand-
thorquais vermögen die Seeschiffe ihre Waaren mittelst der Ladetakel und
Nocktakel (Flaschenzüge an den Raaen) direct auf den Quai zu übertragen,
von wo sie entweder in die längs des letzteren laufenden ungeheueren langen


die großen Seehandelsstädte alle weit aufwärts am Flusse liegen; so Bremen
an der Weser, Hamburg an der Elbe, Stettin an der Oder, Danzig an der
Weichsel. Königsberg am Pregel, Riga an der Dura. Deshalb ist das
Fahrwasser bei allen diesen Städten nicht sonderlich tief: auch Hamburg, der
am meisten begünstigte Platz, hat nicht mehr als 14—19 Fuß Wassertiefe
in der Ebbe — tiefgehende Schiffe mit schwerer Ladung müssen die Fluth,
welche das Wasser 18 Meilen aufwärts staut, zum Herauskommen abwarten
und auch diese genügt oft nicht: man muß erst einen Theil der Ladung bei
Cuxhaven. Brockdorf (z. B. die Guanoschiffe von 23—24 Fuß Tiefgang)
oder Stade in flachgehende Fahrzeuge löschen, damit das erleichterte Schiff
gefahrlos nach Hamburg hinaufzugehen vermag. Diese Verhältnisse sind
auch für den Schutz der Häfen und der Küste von Wichtigkeit und es ist
wohl der Mühe werth, gerade bei Hamburg dieselben genauer ins Auge
zu fassen.

Wir begeben uns in Hamburg an Bord eines Dampfers, welcher nach
Cuxhaven hinab und weiter nach England geht. Auf dem hohen östlichen
User der Elbe liegt rechts die altehrwürdige Hansestadt, in der sich die größten
Contraste vereinigen. Ueberall Erinnerungen an eine lange schicksalsreiche Ver¬
gangenheit und doch Alles durchzogen von modernem, schnellpulsirendem Leben,
die stattliche Behäbigkeit der alten Zeit in wundersamer Mischung mit dem
aufstrebenden Erwerbseifer unseres Jahrhunderts. Die gemüthlichen Häuser
des alten Stadttheils an der oberen Elbe mit ihren Giebelfronten, blanken
kleinen Fenstern und grünen Jalousien wie in Holland, im Farbenschmuck
ihrer rothen Ziegel, freundlich halb versteckt hinter dem Laub einzelner Bäume,
Seemannstreiben in allen Winkeln der schmalen Gäßchen, und im Gegensatz
dazu die stolzen Paläste des neuen Stadttheils an breiten prächtigen Straßen,
lange Fronten hellschimmernder fünfstöckiger Prachtbauten und großartige
Quais am breiten Spiegel des Alsterbassins, die neue Börse, die gothischen
Spitzen der Nicolaikirche und die entzückenden Parkanlagen an den ehe¬
maligen Wällen. Ein anderes Bild bietet wieder der Hafen, den früher
die Elbe ausschließlich bildete, während man jetzt noch einen großen und
schönen Seitencanal nach der Seite des Sandthors geschaffen hat. Früher
konnten nämlich die Schiffe, selbst wenn sie bis auf 16 Fuß geliechtet hatten,
zu Hamburg nur im Elbstrom, nicht hart am Ufer anlegen und es wurde
somit eine vierfache Umladung der Waaren nothwendig: in Stade auf einen
Liechter oder vor Hamburg in einen Ewer, von diesem ans Land, vom Quai
einen Wagen und vom Wagen auf die Bahn. Seit Vollendung des Sand-
thorquais vermögen die Seeschiffe ihre Waaren mittelst der Ladetakel und
Nocktakel (Flaschenzüge an den Raaen) direct auf den Quai zu übertragen,
von wo sie entweder in die längs des letzteren laufenden ungeheueren langen


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[0490] die großen Seehandelsstädte alle weit aufwärts am Flusse liegen; so Bremen an der Weser, Hamburg an der Elbe, Stettin an der Oder, Danzig an der Weichsel. Königsberg am Pregel, Riga an der Dura. Deshalb ist das Fahrwasser bei allen diesen Städten nicht sonderlich tief: auch Hamburg, der am meisten begünstigte Platz, hat nicht mehr als 14—19 Fuß Wassertiefe in der Ebbe — tiefgehende Schiffe mit schwerer Ladung müssen die Fluth, welche das Wasser 18 Meilen aufwärts staut, zum Herauskommen abwarten und auch diese genügt oft nicht: man muß erst einen Theil der Ladung bei Cuxhaven. Brockdorf (z. B. die Guanoschiffe von 23—24 Fuß Tiefgang) oder Stade in flachgehende Fahrzeuge löschen, damit das erleichterte Schiff gefahrlos nach Hamburg hinaufzugehen vermag. Diese Verhältnisse sind auch für den Schutz der Häfen und der Küste von Wichtigkeit und es ist wohl der Mühe werth, gerade bei Hamburg dieselben genauer ins Auge zu fassen. Wir begeben uns in Hamburg an Bord eines Dampfers, welcher nach Cuxhaven hinab und weiter nach England geht. Auf dem hohen östlichen User der Elbe liegt rechts die altehrwürdige Hansestadt, in der sich die größten Contraste vereinigen. Ueberall Erinnerungen an eine lange schicksalsreiche Ver¬ gangenheit und doch Alles durchzogen von modernem, schnellpulsirendem Leben, die stattliche Behäbigkeit der alten Zeit in wundersamer Mischung mit dem aufstrebenden Erwerbseifer unseres Jahrhunderts. Die gemüthlichen Häuser des alten Stadttheils an der oberen Elbe mit ihren Giebelfronten, blanken kleinen Fenstern und grünen Jalousien wie in Holland, im Farbenschmuck ihrer rothen Ziegel, freundlich halb versteckt hinter dem Laub einzelner Bäume, Seemannstreiben in allen Winkeln der schmalen Gäßchen, und im Gegensatz dazu die stolzen Paläste des neuen Stadttheils an breiten prächtigen Straßen, lange Fronten hellschimmernder fünfstöckiger Prachtbauten und großartige Quais am breiten Spiegel des Alsterbassins, die neue Börse, die gothischen Spitzen der Nicolaikirche und die entzückenden Parkanlagen an den ehe¬ maligen Wällen. Ein anderes Bild bietet wieder der Hafen, den früher die Elbe ausschließlich bildete, während man jetzt noch einen großen und schönen Seitencanal nach der Seite des Sandthors geschaffen hat. Früher konnten nämlich die Schiffe, selbst wenn sie bis auf 16 Fuß geliechtet hatten, zu Hamburg nur im Elbstrom, nicht hart am Ufer anlegen und es wurde somit eine vierfache Umladung der Waaren nothwendig: in Stade auf einen Liechter oder vor Hamburg in einen Ewer, von diesem ans Land, vom Quai einen Wagen und vom Wagen auf die Bahn. Seit Vollendung des Sand- thorquais vermögen die Seeschiffe ihre Waaren mittelst der Ladetakel und Nocktakel (Flaschenzüge an den Raaen) direct auf den Quai zu übertragen, von wo sie entweder in die längs des letzteren laufenden ungeheueren langen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_287271/490>, abgerufen am 05.02.2025.