Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band.wurden, bestand in der Minderung und Klärung der öffentlichen Schulden. Eine sehr wichtige Stelle in der Reihe dieser Operationen nahm endlich Wurde so gegen Außen der bürgerliche Charakter des Gemeinwesens wurden, bestand in der Minderung und Klärung der öffentlichen Schulden. Eine sehr wichtige Stelle in der Reihe dieser Operationen nahm endlich Wurde so gegen Außen der bürgerliche Charakter des Gemeinwesens <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0487" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/287759"/> <p xml:id="ID_1236" prev="#ID_1235"> wurden, bestand in der Minderung und Klärung der öffentlichen Schulden.<lb/> Hierzu bedürfte es vor Allem baarer Mittel. Ein Theil derselben wurde da¬<lb/> durch herbeigeschafft, daß der neue Rath sich selbst mit einer.beträchtlichen<lb/> Steuer belegte: jedes seiner Mitglieder hatte 10 Mark zum gemeinen Beutel<lb/> zu zahlen. Das Uebrige warb der Ausschuß selbst unter den Freunden des<lb/> Regimentes und der Stadt zu niedrigen Zinsen. Mit diesen Mitteln in der<lb/> Hand lud er Diejenigen, deren Capitalien die Stadt in Händen hatte, ein,<lb/> sich darüber zu erklären, ob sie zu einer Herabsetzung des Zinsfußes bereit<lb/> seien. Wer dies weigerte, der erhielt sein Geld sofort zurück, und es hob den<lb/> Credit der Stadt nicht wenig, daß eine Anzahl göttinger Gläubiger auf der<lb/> Stelle befriedigt wurde; Andere ließen der Stadt ihr Geld noch ein Jahr zu<lb/> einem etwas geringeren Zinse, und endlich konnte die Verwaltung überall<lb/> bis auf 3 Procent heruntergehn. Aehnlich verfuhr man mit der Leibzucht.<lb/> Hatte der Rath früher 10 Mark auf 4 Leben bezahlt, so gab man jetzt auf<lb/> 3 Leben für das erste 10, für das zweite 8, für das dritte 6 Mark, später<lb/> sogar nur 10 Mark auf ein oder 7 auf zwei Leben. Und wer irgend Zins<lb/> oder Sold von der Stadt zu erheben hatte, mußte sich fortan die Zahlung<lb/> an zwei Terminen gefallen lassen, die der Stadt bequem lagen, nämlich zur<lb/> Schoßzeit.</p><lb/> <p xml:id="ID_1237"> Eine sehr wichtige Stelle in der Reihe dieser Operationen nahm endlich<lb/> die Kündigung der Pfandschlösser ein, welche allmählich vor sich ging. Mit<lb/> 'sum gab die Stadt ebenso viele Anlässe zum täglichen Kriege, ebenso viele<lb/> Berührungspunkte mit der feudalen Gesellschaft auf, um mehr und mehr<lb/> ^n eigentlich bürgerlichen Charakter ihrer Existenz herauszubilden, und die<lb/> Maßregel ist somit von ebenso politischer wie financieller Bedeutung. In<lb/> jener Beziehung entsprang sie derselben Einsicht, welche zur nämlichen Zeit die<lb/> Städte lehrte, sich im Kampfe mit der feudalen Welt ganz auf sich selbst zu<lb/> stellen und in größeren Bündnissen mit Ihresgleichen Schutz zu suchen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1238" next="#ID_1239"> Wurde so gegen Außen der bürgerliche Charakter des Gemeinwesens<lb/> deutlicher hervorgehoben, so gibt sich in der Art und Weise, wie jene finan-<lb/> ciellen Maßregeln begonnen und später fortgeführt wurden, die Tendenz kund<lb/> "^es Innen seinen staatlichen Charakter strenger durchzubilden. Wir nehmen<lb/> nämlich einerseits das Bestreben wahr, das Eigenthum der Stadt aus der<lb/> breiten Verzetteluug, in der es sich befand, zu sammeln und auf wenige er-<lb/> giebige Besitzstücke, wie z. B. die Mühlen, zu concentriren, diese aber von<lb/> fremden Mitbesitz und dritten Rechten ganz freizukaufen, andrerseits das<lb/> System der Anleihen zu beschränken und unter Aushebung unbequemer Zölle<lb/> die Finanzwirthschaft der Stadt möglichst ausschließlich auf die directe Steuer<lb/> on stellen. Indem sich die Stadt so mehr und mehr von dem Charakter<lb/> privater Existenzen unterschied, mußte dem Bürger die Vorstellung aufgehn,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0487]
wurden, bestand in der Minderung und Klärung der öffentlichen Schulden.
Hierzu bedürfte es vor Allem baarer Mittel. Ein Theil derselben wurde da¬
durch herbeigeschafft, daß der neue Rath sich selbst mit einer.beträchtlichen
Steuer belegte: jedes seiner Mitglieder hatte 10 Mark zum gemeinen Beutel
zu zahlen. Das Uebrige warb der Ausschuß selbst unter den Freunden des
Regimentes und der Stadt zu niedrigen Zinsen. Mit diesen Mitteln in der
Hand lud er Diejenigen, deren Capitalien die Stadt in Händen hatte, ein,
sich darüber zu erklären, ob sie zu einer Herabsetzung des Zinsfußes bereit
seien. Wer dies weigerte, der erhielt sein Geld sofort zurück, und es hob den
Credit der Stadt nicht wenig, daß eine Anzahl göttinger Gläubiger auf der
Stelle befriedigt wurde; Andere ließen der Stadt ihr Geld noch ein Jahr zu
einem etwas geringeren Zinse, und endlich konnte die Verwaltung überall
bis auf 3 Procent heruntergehn. Aehnlich verfuhr man mit der Leibzucht.
Hatte der Rath früher 10 Mark auf 4 Leben bezahlt, so gab man jetzt auf
3 Leben für das erste 10, für das zweite 8, für das dritte 6 Mark, später
sogar nur 10 Mark auf ein oder 7 auf zwei Leben. Und wer irgend Zins
oder Sold von der Stadt zu erheben hatte, mußte sich fortan die Zahlung
an zwei Terminen gefallen lassen, die der Stadt bequem lagen, nämlich zur
Schoßzeit.
Eine sehr wichtige Stelle in der Reihe dieser Operationen nahm endlich
die Kündigung der Pfandschlösser ein, welche allmählich vor sich ging. Mit
'sum gab die Stadt ebenso viele Anlässe zum täglichen Kriege, ebenso viele
Berührungspunkte mit der feudalen Gesellschaft auf, um mehr und mehr
^n eigentlich bürgerlichen Charakter ihrer Existenz herauszubilden, und die
Maßregel ist somit von ebenso politischer wie financieller Bedeutung. In
jener Beziehung entsprang sie derselben Einsicht, welche zur nämlichen Zeit die
Städte lehrte, sich im Kampfe mit der feudalen Welt ganz auf sich selbst zu
stellen und in größeren Bündnissen mit Ihresgleichen Schutz zu suchen.
Wurde so gegen Außen der bürgerliche Charakter des Gemeinwesens
deutlicher hervorgehoben, so gibt sich in der Art und Weise, wie jene finan-
ciellen Maßregeln begonnen und später fortgeführt wurden, die Tendenz kund
"^es Innen seinen staatlichen Charakter strenger durchzubilden. Wir nehmen
nämlich einerseits das Bestreben wahr, das Eigenthum der Stadt aus der
breiten Verzetteluug, in der es sich befand, zu sammeln und auf wenige er-
giebige Besitzstücke, wie z. B. die Mühlen, zu concentriren, diese aber von
fremden Mitbesitz und dritten Rechten ganz freizukaufen, andrerseits das
System der Anleihen zu beschränken und unter Aushebung unbequemer Zölle
die Finanzwirthschaft der Stadt möglichst ausschließlich auf die directe Steuer
on stellen. Indem sich die Stadt so mehr und mehr von dem Charakter
privater Existenzen unterschied, mußte dem Bürger die Vorstellung aufgehn,
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