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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band.

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griffen; es find dabei die Naturallieferungen. welche die Stadt dazu leistete,
offenbar nicht mitberechnet. Von weit größerer Erheblichkeit erscheint es,
wenn die begüterten städtischen Geschlechter sich selbst durch den Rath, in
welchem sie sitzen, jenen schon oben bezeichneten hohen Zinsfuß bewilligen;
denn daß auch um weit niedrigeren Zins Capitalien zu haben waren, zeigte
sich, als der neue Rath später die 10 Procent allmälig auf 3 herabbrachte.

Endlich führte die Art der Verausgabung selbst zu neuem Schaden.
Theils nämlich wurde Sold, Zins und Leibzucht ausbezahlt, wenn es die
Berechtigten gerade begehrten, theils gab man in halbjährigen Raten und
zwar sonderbarer Weise an Terminen. die in die Ebbezeit der Casse fielen.
Dadurch wurde man. um nur die laufenden Ausgaben zu decken, wieder genöthigt
Anleihen zu erheben: eine Art der Verwaltung, die sich eben nur aus der
Boraussetzung erklärt, daß man Niemanden dafür Rechnung zu legen habe.
Nicht minder nachlässig war die Art und Weise der Vereinnahmung. Die
Einnahmen der Stadt flössen theils aus mancherlei Eigenthum und Gulden
an Grund und Boden und Gebäuden, aus einträglichen gewerblichen Unter-
nehmungen, namentlich den Weinkellern. Mühlen. Ziegeleien. Steinbrüchen
und aus der Münze, theils aus der Judenbede, den Erbschaften, Testamenten,
Bürgerbriefen und aus der Gerichtsbarkeit, theils aus den Zöllen, besonders
dem Mühlen-. Korn- und Markt-Zoll, endlich aus der directen Steuer des
Schlosses. Was nun jene Art von Einnahmen betrifft, die aus Besitztiteln
und nutzbaren Rechten stammten, so fällt in dem Eide der Rathsleute wie
nachmals Derjenigen, welche aus der Verbannung zurückkehrten, eine Clausel
auf. durch die sie verpflichtet werden, städtische Besitz, und Rechtsansprüche,
die ihnen bekannt sind, zur Kenntniß des Rathes zu bringen. Sie erklärt
sich einerseits aus der Heimlichkeit, mit welcher der Rath die Angelegenheiten
der Stadt betrieb, andrerseits aus der Zersplitterung und Zusammenhangs-
losigkeit seiner Geschäftsführung. Nur das. was als das Wichtigste erschien,
wurde collegialisch erledigt, die laufenden Geschäfte waren einzelnen Deputir-
ten aufgetragen, die ihren Aemtern willkürlich genug vorstehen mochten;
denn es gab keine Controle und keine geschäftliche Tradition, die über ihnen
gewesen wäre. Wie manches nutzbare Recht, um das vielleicht nur ein
Einzelner gewußt hatte, mochte auf diese Weise, besonders in unruhigen Zeiten
bei dem auffallenden Mangel an officiellen Aufzeichnungen, für die Stadt
verloren gegangen sein! Nicht besser stand es um die directe Steuer. Da¬
von berichtet uns die Heimliche Rechenschaft: "Hatte ein Bürger Schuld aus-
siehn. da brachte er ein Pfand für. wenn er wollte. Hatte auch ein Kauf-
Mann sein Gut draußen, da brachte er auch ein Pfand für, wenn er wollte.
Hatte ein Rentner Gut in einem Processe, der brachte auch ein Pfand, wenn


griffen; es find dabei die Naturallieferungen. welche die Stadt dazu leistete,
offenbar nicht mitberechnet. Von weit größerer Erheblichkeit erscheint es,
wenn die begüterten städtischen Geschlechter sich selbst durch den Rath, in
welchem sie sitzen, jenen schon oben bezeichneten hohen Zinsfuß bewilligen;
denn daß auch um weit niedrigeren Zins Capitalien zu haben waren, zeigte
sich, als der neue Rath später die 10 Procent allmälig auf 3 herabbrachte.

Endlich führte die Art der Verausgabung selbst zu neuem Schaden.
Theils nämlich wurde Sold, Zins und Leibzucht ausbezahlt, wenn es die
Berechtigten gerade begehrten, theils gab man in halbjährigen Raten und
zwar sonderbarer Weise an Terminen. die in die Ebbezeit der Casse fielen.
Dadurch wurde man. um nur die laufenden Ausgaben zu decken, wieder genöthigt
Anleihen zu erheben: eine Art der Verwaltung, die sich eben nur aus der
Boraussetzung erklärt, daß man Niemanden dafür Rechnung zu legen habe.
Nicht minder nachlässig war die Art und Weise der Vereinnahmung. Die
Einnahmen der Stadt flössen theils aus mancherlei Eigenthum und Gulden
an Grund und Boden und Gebäuden, aus einträglichen gewerblichen Unter-
nehmungen, namentlich den Weinkellern. Mühlen. Ziegeleien. Steinbrüchen
und aus der Münze, theils aus der Judenbede, den Erbschaften, Testamenten,
Bürgerbriefen und aus der Gerichtsbarkeit, theils aus den Zöllen, besonders
dem Mühlen-. Korn- und Markt-Zoll, endlich aus der directen Steuer des
Schlosses. Was nun jene Art von Einnahmen betrifft, die aus Besitztiteln
und nutzbaren Rechten stammten, so fällt in dem Eide der Rathsleute wie
nachmals Derjenigen, welche aus der Verbannung zurückkehrten, eine Clausel
auf. durch die sie verpflichtet werden, städtische Besitz, und Rechtsansprüche,
die ihnen bekannt sind, zur Kenntniß des Rathes zu bringen. Sie erklärt
sich einerseits aus der Heimlichkeit, mit welcher der Rath die Angelegenheiten
der Stadt betrieb, andrerseits aus der Zersplitterung und Zusammenhangs-
losigkeit seiner Geschäftsführung. Nur das. was als das Wichtigste erschien,
wurde collegialisch erledigt, die laufenden Geschäfte waren einzelnen Deputir-
ten aufgetragen, die ihren Aemtern willkürlich genug vorstehen mochten;
denn es gab keine Controle und keine geschäftliche Tradition, die über ihnen
gewesen wäre. Wie manches nutzbare Recht, um das vielleicht nur ein
Einzelner gewußt hatte, mochte auf diese Weise, besonders in unruhigen Zeiten
bei dem auffallenden Mangel an officiellen Aufzeichnungen, für die Stadt
verloren gegangen sein! Nicht besser stand es um die directe Steuer. Da¬
von berichtet uns die Heimliche Rechenschaft: „Hatte ein Bürger Schuld aus-
siehn. da brachte er ein Pfand für. wenn er wollte. Hatte auch ein Kauf-
Mann sein Gut draußen, da brachte er auch ein Pfand für, wenn er wollte.
Hatte ein Rentner Gut in einem Processe, der brachte auch ein Pfand, wenn


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_287271/485>, abgerufen am 06.02.2025.