Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band.Schädigungsversuchen ihrer zahlreichen Gegner immer doppelte Blößen boten; Es liegt auf der Hand, wie schwer schon die Summe der hier berührten Gehen wir nun auf die stehenden Ausgaben der Stadt ein, so treffen 57*
Schädigungsversuchen ihrer zahlreichen Gegner immer doppelte Blößen boten; Es liegt auf der Hand, wie schwer schon die Summe der hier berührten Gehen wir nun auf die stehenden Ausgaben der Stadt ein, so treffen 57*
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Schädigungsversuchen ihrer zahlreichen Gegner immer doppelte Blößen boten;
daß sie auf der einen Seite in die endlosen Händel der Ritter hineingezogen
und, um sie auszufechten, genöthigt wurden sich unter den Rittern selbst ihre
Freunde zu suchen; daß sie andererseits ihre Waaren auf den überall un¬
sichern Wegen zu decken hatten. Durch diesen Mangel an Concentration
wurde der Schutz, den die Stadt sich und den Ihrigen schuldete, unVerhältniß'
mäßig vertheuert.
Es liegt auf der Hand, wie schwer schon die Summe der hier berührten
Verhältnisse auf den Etat einer Stadt drücken mußte, direct durch eine
Menge unproductiver Ausgaben, indirect durch eine beträchtliche Minderung
der Steuerkraft ihrer Angehörigen. Ueberdieß war es-bei dem Charakter jener
Ausgaben gar nicht möglich, auch nur annähernd einen Voranschlag für die
Verwaltungskosten der Stadt aufzustellen; und wenn dann, wie so häufig, der
Fall eines außerordentlichen Bedürfnisses eintrat, so war dies Bedürfniß den
Gilden und der Gemeinde nur selten einleuchtend zu machen. Im Gegentheil
hatten diese die Einsicht oder mindestens das Gefühl, daß es sich dabei mehr
oder weniger um eine Angelegenheit ihrer privilegirten Mitbürger handle, und
jede Schoßerhöhung wurde unter solchen Umständen ein gefährliches Experi¬
ment. Der Rath mußte sich das nothwendige Geld daher auf einem Wege
zu verschaffen suchen, der sich der Controle der Bürger entzog: er machte
Anleihen und wieder Anleihen, und bald genug hatte er die Stadt mit einer
Masse von Passiver belastet, für welche nirgends ein reales Aequivalent vor¬
handen war. Der Zinsfuß war außerordentlich hoch: in den sechziger Jahren
gab der Rath 11 und 10 Procent, und für die in der beliebten Form der
Leibzucht angelegten Capitalien — die so in kurzer Zeit sowohl dem Staate
als der Familie verloren gingen — 10 Procent auf je 4 Leben. Die Stadt
geriet!) auf diese Weise allgemach in die schwebende Schuld und bei der Un¬
regelmäßigkeit der Schoßeinzahlung gab es bald eine Zeit, wo der Rath neue
Anleihen aufnehmen mußte, um die Zinsen der alten zu decken. Der gemeine
Mann konnte bei alledem nur das Gefühl haben, daß der Capitalist das
gemeine Gut für eigenen Nutzen mißbrauche, und so verschärfte sich der
Gegensatz von Vornehm und Gering durch den von Reich und Arm.
Gehen wir nun auf die stehenden Ausgaben der Stadt ein, so treffen
wir zunächst auf zwei Punkte, die mit den eben bezeichneten Verhältnissen in
allernächster Verbindung stehen. Von erheblichsten Nachtheile war für die
Stadt vor Allem der Besitz der Pfandschlösser. Sie kamen ihr zu Handen
theils als Pfänder für Anleihen, die den Fürsten nicht gut zu weigern
waren, theils suchte man sie auch wohl im eigenen Interesse zu erwerben, um
nicht einen bösen Nachbar in bedrohliche Nähe zu bekommen, oder um einen neuen
Vertheidigungspunkt zu gewinnen, und endlich ging überhaupt die Neigung
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