Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band.eine gute Entreprise: Grund genug, sich gegen ihn und seine Aemter, so lange Eine weitere wirthschaftliche Erschwerung dieser ungünstigen Verhältnisse eine gute Entreprise: Grund genug, sich gegen ihn und seine Aemter, so lange Eine weitere wirthschaftliche Erschwerung dieser ungünstigen Verhältnisse <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0482" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/287754"/> <p xml:id="ID_1222" prev="#ID_1221"> eine gute Entreprise: Grund genug, sich gegen ihn und seine Aemter, so lange<lb/> er in keiner höheren Rechtfertigung auftrat, nach Möglichkeit zu wehren. Es<lb/> gab jedenfalls — ehe nicht ganz neue Ueberzeugungen aufkamen — keine<lb/> Macht, die stark genug gewesen wäre, die Friedensstörer nachdrücklich zu<lb/> strafen, Fleiß und Unternehmungsgeist zu schützen. Selten kam es zu einem<lb/> Richterspruch, der aus den höheren Gesichtspunkten des Staates ergangen<lb/> wäre, und noch seltener zur Execution eines solchen; neben dem täglichen<lb/> Kriege ging ein tägliches Theidingen der Parteien her, das eigentlich nur im<lb/> jeweiligem gegenseitigen Aufrechnen der Kerbhölzer bestand. Das Theidingen<lb/> wurde recht eigentlich die Signatur einer Zeit, welcher das strenge Maß der<lb/> Gesetzlichkeit abhanden gekommen war.</p><lb/> <p xml:id="ID_1223" next="#ID_1224"> Eine weitere wirthschaftliche Erschwerung dieser ungünstigen Verhältnisse<lb/> lag in der eigenthümlichen unfertigen Existenzweise der Städte. Bei dem<lb/> oben mitgetheilten Verzeichnisse ist es sehr auffällig, daß die Stadt zumeist<lb/> auf ihren Dörfern, auf den Höfen der Ihrigen geschädigt wurde. Nun be¬<lb/> gegnen freilich an anderen Stellen auch die Nachrichten von weggenommenem<lb/> Tuch-Producten-Ladungen :c., aber in der That überwiegen doch die land¬<lb/> wirtschaftlichen Verluste. Schon hieraus erkennt man — und jenes Ver¬<lb/> hältniß wiederholt sich auch anderwärts — wie sehr die Stadt noch in das<lb/> agrarische Leben verflochten war und daß mit Nichten die Mauer den Bürger<lb/> und Bauer völlig trennte. Die alten Burgensen waren zum Theil Grund¬<lb/> besitzer (in verschiedenen Stellungen), die in die Stadt gezogen waren, zum<lb/> Theil Kaufleute, die sich auch draußen zu begütern gesucht hatten, und diese<lb/> regierenden „Geschlechter" haben noch einen durchaus feudalen, rittermäßigen<lb/> Zug; sie haben ihre Existenz noch keineswegs allein auf den Handel, auf die<lb/> Industrie gestellt, und nicht selten muß es die Stadt büßen, wenn ihre Ehr¬<lb/> baren die ritterliche Lust einer Rauferei anwandelt. Gerade eine solche ohne<lb/> rechten Grund mit dem Magdeburger Erzbischof angezettelte Fehde war es,<lb/> die in Braunschweig, als sie übel auslief und die Auslösung einer Anzahl von<lb/> Bürgern nöthig machte, den Aufruhr von 1374 ausbrechen ließ. Von aus¬<lb/> schließlich bürgerlicher Existenz waren wohl nur die Handwerker, wenn auch<lb/> unter ihnen Manche angetroffen werden, die draußen Grund und Boden,<lb/> Belehnung und Pfandschaft erworben haben. So gab es in den Städten<lb/> zwei Arten von Bürgern, die, von verschiedener socialer Stellung und ver¬<lb/> schiedener socialer Lebensanschauung, einander nur mit Mißtrauen betrachteten<lb/> und die erst eine innigere Verbindung unter sich eingehen mußten, ehe sich<lb/> die Städte als selbständige Organismen von den Landschaften ablösen konnten.<lb/> In der Reihe von Revolutionen, welche das 14. Jahrhundert brachte, hat<lb/> sich dieser Proceß vollzogen. Für unseren Gesichtspunkt aber ist es wichtig<lb/> hervorzuheben, daß die Städte, so lange sie jenes Doppelleben führten, den</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0482]
eine gute Entreprise: Grund genug, sich gegen ihn und seine Aemter, so lange
er in keiner höheren Rechtfertigung auftrat, nach Möglichkeit zu wehren. Es
gab jedenfalls — ehe nicht ganz neue Ueberzeugungen aufkamen — keine
Macht, die stark genug gewesen wäre, die Friedensstörer nachdrücklich zu
strafen, Fleiß und Unternehmungsgeist zu schützen. Selten kam es zu einem
Richterspruch, der aus den höheren Gesichtspunkten des Staates ergangen
wäre, und noch seltener zur Execution eines solchen; neben dem täglichen
Kriege ging ein tägliches Theidingen der Parteien her, das eigentlich nur im
jeweiligem gegenseitigen Aufrechnen der Kerbhölzer bestand. Das Theidingen
wurde recht eigentlich die Signatur einer Zeit, welcher das strenge Maß der
Gesetzlichkeit abhanden gekommen war.
Eine weitere wirthschaftliche Erschwerung dieser ungünstigen Verhältnisse
lag in der eigenthümlichen unfertigen Existenzweise der Städte. Bei dem
oben mitgetheilten Verzeichnisse ist es sehr auffällig, daß die Stadt zumeist
auf ihren Dörfern, auf den Höfen der Ihrigen geschädigt wurde. Nun be¬
gegnen freilich an anderen Stellen auch die Nachrichten von weggenommenem
Tuch-Producten-Ladungen :c., aber in der That überwiegen doch die land¬
wirtschaftlichen Verluste. Schon hieraus erkennt man — und jenes Ver¬
hältniß wiederholt sich auch anderwärts — wie sehr die Stadt noch in das
agrarische Leben verflochten war und daß mit Nichten die Mauer den Bürger
und Bauer völlig trennte. Die alten Burgensen waren zum Theil Grund¬
besitzer (in verschiedenen Stellungen), die in die Stadt gezogen waren, zum
Theil Kaufleute, die sich auch draußen zu begütern gesucht hatten, und diese
regierenden „Geschlechter" haben noch einen durchaus feudalen, rittermäßigen
Zug; sie haben ihre Existenz noch keineswegs allein auf den Handel, auf die
Industrie gestellt, und nicht selten muß es die Stadt büßen, wenn ihre Ehr¬
baren die ritterliche Lust einer Rauferei anwandelt. Gerade eine solche ohne
rechten Grund mit dem Magdeburger Erzbischof angezettelte Fehde war es,
die in Braunschweig, als sie übel auslief und die Auslösung einer Anzahl von
Bürgern nöthig machte, den Aufruhr von 1374 ausbrechen ließ. Von aus¬
schließlich bürgerlicher Existenz waren wohl nur die Handwerker, wenn auch
unter ihnen Manche angetroffen werden, die draußen Grund und Boden,
Belehnung und Pfandschaft erworben haben. So gab es in den Städten
zwei Arten von Bürgern, die, von verschiedener socialer Stellung und ver¬
schiedener socialer Lebensanschauung, einander nur mit Mißtrauen betrachteten
und die erst eine innigere Verbindung unter sich eingehen mußten, ehe sich
die Städte als selbständige Organismen von den Landschaften ablösen konnten.
In der Reihe von Revolutionen, welche das 14. Jahrhundert brachte, hat
sich dieser Proceß vollzogen. Für unseren Gesichtspunkt aber ist es wichtig
hervorzuheben, daß die Städte, so lange sie jenes Doppelleben führten, den
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