Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band.verstrichen war, so konnte man mir nicht augenblicklich helfen. Während ich Vor meiner Hausthür stand ein Wagen. Aus meine Frage, wer zu " verstrichen war, so konnte man mir nicht augenblicklich helfen. Während ich Vor meiner Hausthür stand ein Wagen. Aus meine Frage, wer zu « <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0464" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/287736"/> <p xml:id="ID_1158" prev="#ID_1157"> verstrichen war, so konnte man mir nicht augenblicklich helfen. Während ich<lb/> mich ankleidete, trat Hoffmann ein und holte mich in die Wohnung des<lb/> Thronfolgers, wo mich der Generaladjutant Kawelin empfing. Als ich ihm<lb/> meinen Wunsch mitgetheilt hatte, erklärte er mir, daß es unmöglich sei, den¬<lb/> selben zu erfüllen, da seine Instruction ihm Solches verbiete; ich möchte ihm<lb/> (Kawelin) meine Bittschrift überreichen. er werde dieselbe Er. Kaiserl. Hoheit<lb/> übergeben. Da ich bemerkte, daß ich keine Bittschrift abgefaßt hätte, fragte<lb/> der General mich: „Was wünschen Sie zu erbitten?" — „Für mich selbst kann<lb/> ich gar Nichts verlangen, weil ich in meinem hilflosen kranken Zustande<lb/> von gar keiner Gnade Gebrauch machen kann; ich wollte den Thronfolger<lb/> bitten, daß für meine Gattin und für meine Kinder im Fall meines Todes<lb/> gesorgt werde". — General Kawelin gab mir den Rath, sogleich eine Bitt¬<lb/> schrift aufzusetzen und sie ihm eine halbe Stunde vor der Messe abzugeben, weil<lb/> man nach der Kirche sofort die Reise fortsetzen werde. Im Vorhause befahl<lb/> er dem daselbst anwesenden Geistlichen die Messe um sechs Uhr anzufangen<lb/> und sie eiligst zu vollenden, damit der hohe Reisende an demselben Tage<lb/> zur Nacht Slatoust erreichen könne, einen 200 Werst (29. d. M.) entfernten<lb/> Ort. Auf der Treppe begegnete ich dem Flügeladjutant S. A> Jurjewitsch,<lb/> der mich bat, Frau von Naryschkin die Grüße ihrer Brüder, der Grafen<lb/> Gregoire und Alexis Konownitzin. abzustatten. Beim Weggehen bemerkte ich<lb/> den Thronfolger am Fenster stehend: der Ausdruck seiner Gesichtszüge schien<lb/> mir zu sagen, daß er mein Beschützer sein werde.</p><lb/> <p xml:id="ID_1159"> Vor meiner Hausthür stand ein Wagen. Aus meine Frage, wer zu<lb/> mir gekommen sei, antwortete der Kutscher „ein General" (das russische Volk<lb/> nennt bekanntlich alle Excellenzen, wenn sie auch Professoren, Aerzte oder<lb/> Richter sind, Generale). — Zu meiner unaussprechlichen Freude war es der<lb/> edle unvergeßliche Wassily Andrejewitsch Schukowsky, der rühmlich bekannte.<lb/> Dichter und Lehrer des Thronfolgers; er tröstete meine Frau, liebkoste meine<lb/> kaum vom Schlaf erwachten Kinder und küßte sie, obschon sie sich blöde ab¬<lb/> wendeten und weinten. Als ich ihm meine erfolglosen Bemühungen, den<lb/> Thronfolger persönlich zu sprechen, mittheilte und hinzufügte, daß General<lb/> Kawelin mir den Rath gegeben, sogleich eine Bittschrift aufzusetzen, sagte er<lb/> mir: „Sie haben jetzt keine Zeit dazu, wir reisen sogleich ab; Sie können<lb/> aber ganz ruhig sein, ich werde Sr. Kaiserlichen Hoheit Alles vortragen.<lb/> Seit dreizehn Jahren bin ich täglich um ihn, und ich habe mich schon längst<lb/> davon überzeugt, daß sein Herz an der rechten Stelle schlägt; wo er Gutes<lb/> thun kann, da thut er es gern." — Nicht lange konnte ich mich an der<lb/> Unterhaltung des liebenswürdigen Dichters erfreuen. Er wunderte sich, daß<lb/> wir in Sibirien schon sein neuestes Werk „Undine" gelesen hatten; mit großem<lb/> Lobe erwähnte er der Dichtungen unseres Odojewsky und bedauerte innig,</p><lb/> <p xml:id="ID_1160" next="#ID_1161"> «</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0464]
verstrichen war, so konnte man mir nicht augenblicklich helfen. Während ich
mich ankleidete, trat Hoffmann ein und holte mich in die Wohnung des
Thronfolgers, wo mich der Generaladjutant Kawelin empfing. Als ich ihm
meinen Wunsch mitgetheilt hatte, erklärte er mir, daß es unmöglich sei, den¬
selben zu erfüllen, da seine Instruction ihm Solches verbiete; ich möchte ihm
(Kawelin) meine Bittschrift überreichen. er werde dieselbe Er. Kaiserl. Hoheit
übergeben. Da ich bemerkte, daß ich keine Bittschrift abgefaßt hätte, fragte
der General mich: „Was wünschen Sie zu erbitten?" — „Für mich selbst kann
ich gar Nichts verlangen, weil ich in meinem hilflosen kranken Zustande
von gar keiner Gnade Gebrauch machen kann; ich wollte den Thronfolger
bitten, daß für meine Gattin und für meine Kinder im Fall meines Todes
gesorgt werde". — General Kawelin gab mir den Rath, sogleich eine Bitt¬
schrift aufzusetzen und sie ihm eine halbe Stunde vor der Messe abzugeben, weil
man nach der Kirche sofort die Reise fortsetzen werde. Im Vorhause befahl
er dem daselbst anwesenden Geistlichen die Messe um sechs Uhr anzufangen
und sie eiligst zu vollenden, damit der hohe Reisende an demselben Tage
zur Nacht Slatoust erreichen könne, einen 200 Werst (29. d. M.) entfernten
Ort. Auf der Treppe begegnete ich dem Flügeladjutant S. A> Jurjewitsch,
der mich bat, Frau von Naryschkin die Grüße ihrer Brüder, der Grafen
Gregoire und Alexis Konownitzin. abzustatten. Beim Weggehen bemerkte ich
den Thronfolger am Fenster stehend: der Ausdruck seiner Gesichtszüge schien
mir zu sagen, daß er mein Beschützer sein werde.
Vor meiner Hausthür stand ein Wagen. Aus meine Frage, wer zu
mir gekommen sei, antwortete der Kutscher „ein General" (das russische Volk
nennt bekanntlich alle Excellenzen, wenn sie auch Professoren, Aerzte oder
Richter sind, Generale). — Zu meiner unaussprechlichen Freude war es der
edle unvergeßliche Wassily Andrejewitsch Schukowsky, der rühmlich bekannte.
Dichter und Lehrer des Thronfolgers; er tröstete meine Frau, liebkoste meine
kaum vom Schlaf erwachten Kinder und küßte sie, obschon sie sich blöde ab¬
wendeten und weinten. Als ich ihm meine erfolglosen Bemühungen, den
Thronfolger persönlich zu sprechen, mittheilte und hinzufügte, daß General
Kawelin mir den Rath gegeben, sogleich eine Bittschrift aufzusetzen, sagte er
mir: „Sie haben jetzt keine Zeit dazu, wir reisen sogleich ab; Sie können
aber ganz ruhig sein, ich werde Sr. Kaiserlichen Hoheit Alles vortragen.
Seit dreizehn Jahren bin ich täglich um ihn, und ich habe mich schon längst
davon überzeugt, daß sein Herz an der rechten Stelle schlägt; wo er Gutes
thun kann, da thut er es gern." — Nicht lange konnte ich mich an der
Unterhaltung des liebenswürdigen Dichters erfreuen. Er wunderte sich, daß
wir in Sibirien schon sein neuestes Werk „Undine" gelesen hatten; mit großem
Lobe erwähnte er der Dichtungen unseres Odojewsky und bedauerte innig,
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