Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band.eine nationale und patriotische, weil sie großen politischen Ideen eine Stätte be¬ Polnischer Monatsbericht. X "Ich sitze am Ufer und warte auf den Wind " lautet ein oft wieder¬ Auf dem Gebiete der inneren deutschen Politik macht sich diese neue 49*
eine nationale und patriotische, weil sie großen politischen Ideen eine Stätte be¬ Polnischer Monatsbericht. X „Ich sitze am Ufer und warte auf den Wind " lautet ein oft wieder¬ Auf dem Gebiete der inneren deutschen Politik macht sich diese neue 49*
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0415" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/287687"/> <p xml:id="ID_1044" prev="#ID_1043"> eine nationale und patriotische, weil sie großen politischen Ideen eine Stätte be¬<lb/> reitete. Ihm aber wurde das Glück, daß er in angestrengter Berufsarbeit und<lb/> hartem Kampf als Künstler, Beamter und Patriot sich mit den höchsten For¬<lb/> derungen der Zeit im Einklange erhielt.</p><lb/> <note type="byline"/><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Polnischer Monatsbericht.</head><lb/> <note type="byline"> X </note><lb/> <p xml:id="ID_1045"> „Ich sitze am Ufer und warte auf den Wind " lautet ein oft wieder¬<lb/> holtes russisches Sprichwort, das wenn wir nicht irren Alexander Her¬<lb/> zen zuerst in Umlauf gebracht und auf größere Verhältnisse angewandt hat.<lb/> „Ich sitze am Ufer und warte auf den Wind" so kann die Mehrzahl der<lb/> europäischen Staaten sagen, um deren Geschicke es sich in der Tagesgeschichte<lb/> handelt und die im Mittelpunkt der Ereignisse oder der Gedanken stehen, die<lb/> man sich über dieselben macht. Preußen wartet auf den Wind, der es über<lb/> den Main führt, Frankreich oder doch Frankreichs Regierung aus günstige<lb/> Lüfte zur Fahrt über den Rhein, Oestreich auf die Gelegenheit zur Wieder¬<lb/> aufnahme seiner deutschen Politik, Italien auf den Sturm, der die franzö¬<lb/> sische Occupationsarmee von der römischen Erde wegfegt, Spanien erwartet<lb/> von dem freien Luftzug, den es sich geschaffen hat sogar daß derselbe ihm<lb/> einen König in den Schooß werfe. Die letzten Jahre haben uns so gründlich<lb/> daran gewöhnt, daß unvorhergesehene Ereignisse über den Haufen stürzen,<lb/> was lange und mühsam geplant worden, daß wir solche Ereignisse als regel¬<lb/> mäßige Factoren mit in Rechnung ziehen und nicht zum Schluß kommen, wenn<lb/> sie ausbleiben.</p><lb/> <p xml:id="ID_1046" next="#ID_1047"> Auf dem Gebiete der inneren deutschen Politik macht sich diese neue<lb/> Art der politischen Buch- und Rechnungsführung besonders peinlich geltend.<lb/> Auf die neuen Verhältnisse, in welche wir durch das Jahr 1866 gestellt wurden,<lb/> war keine der alten Parteien eingerichtet und die neue Partei, welche sich<lb/> auf den Boden der neuen Verhältnisse gestellt hat, kann nicht verleugnen,<lb/> daß sie sich in ein Bett gelegt hat, das ihr von anderen Leuten gemacht<lb/> worden ist. Die Situation vom Herbst 1866 war über Nacht gekommen —<lb/> kein Wunder, daß ihre Konsequenzen von Niemanden voraus berechnet wer¬<lb/> den konnten, auch von Denen nicht, welche sie geschaffen hatten. In der Be°<lb/> sorgniß, sich nicht zum zweiten Male durch die Ereignisse überraschen zu las¬<lb/> sen und dann der Kurzsichtigkeit angeklagt zu werden, wurden wir zu<lb/> weitsichtig, d. h. unsere Gedanken übersprangen die weite dürre Ebene</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 49*</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0415]
eine nationale und patriotische, weil sie großen politischen Ideen eine Stätte be¬
reitete. Ihm aber wurde das Glück, daß er in angestrengter Berufsarbeit und
hartem Kampf als Künstler, Beamter und Patriot sich mit den höchsten For¬
derungen der Zeit im Einklange erhielt.
Polnischer Monatsbericht.
X
„Ich sitze am Ufer und warte auf den Wind " lautet ein oft wieder¬
holtes russisches Sprichwort, das wenn wir nicht irren Alexander Her¬
zen zuerst in Umlauf gebracht und auf größere Verhältnisse angewandt hat.
„Ich sitze am Ufer und warte auf den Wind" so kann die Mehrzahl der
europäischen Staaten sagen, um deren Geschicke es sich in der Tagesgeschichte
handelt und die im Mittelpunkt der Ereignisse oder der Gedanken stehen, die
man sich über dieselben macht. Preußen wartet auf den Wind, der es über
den Main führt, Frankreich oder doch Frankreichs Regierung aus günstige
Lüfte zur Fahrt über den Rhein, Oestreich auf die Gelegenheit zur Wieder¬
aufnahme seiner deutschen Politik, Italien auf den Sturm, der die franzö¬
sische Occupationsarmee von der römischen Erde wegfegt, Spanien erwartet
von dem freien Luftzug, den es sich geschaffen hat sogar daß derselbe ihm
einen König in den Schooß werfe. Die letzten Jahre haben uns so gründlich
daran gewöhnt, daß unvorhergesehene Ereignisse über den Haufen stürzen,
was lange und mühsam geplant worden, daß wir solche Ereignisse als regel¬
mäßige Factoren mit in Rechnung ziehen und nicht zum Schluß kommen, wenn
sie ausbleiben.
Auf dem Gebiete der inneren deutschen Politik macht sich diese neue
Art der politischen Buch- und Rechnungsführung besonders peinlich geltend.
Auf die neuen Verhältnisse, in welche wir durch das Jahr 1866 gestellt wurden,
war keine der alten Parteien eingerichtet und die neue Partei, welche sich
auf den Boden der neuen Verhältnisse gestellt hat, kann nicht verleugnen,
daß sie sich in ein Bett gelegt hat, das ihr von anderen Leuten gemacht
worden ist. Die Situation vom Herbst 1866 war über Nacht gekommen —
kein Wunder, daß ihre Konsequenzen von Niemanden voraus berechnet wer¬
den konnten, auch von Denen nicht, welche sie geschaffen hatten. In der Be°
sorgniß, sich nicht zum zweiten Male durch die Ereignisse überraschen zu las¬
sen und dann der Kurzsichtigkeit angeklagt zu werden, wurden wir zu
weitsichtig, d. h. unsere Gedanken übersprangen die weite dürre Ebene
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