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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band.

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für sich ohne jeden äußeren Glanz, verliert sich vielmehr in dem Glanz und
der Nähe des Thrones, zu gleicher Zeit so mächtig, daß es Alles ergreift,
und so im Dunkeln, daß die Geschichte ihn nur mit Mühe wahrnimmt."
Man möge dann weiter nachlesen, wie aus diesem Conseil der "General-
eontroleur" und als seine Agenten in der Provincialverwaltung "Inten¬
danten" hervorgehen, wie diese die bis dahin noch üblichen ..Provincial-
minister" und "Provincialgouverneurs" zu blos repräsentativen Stellungen
Herabdrücken, und der Generaleontroleur nach und nach sich polypenartig als
Centralminister der Finanzen, des Innern, der öffentlichen Arbeiten, des
Handels zergliedert. Im Grunde und Kerne des Verfassungsrechts blieb es
bei dem Conseil des Königs, das nur als Ministerium die officiellen Allüren
einer Behörde mit geordneter Arbeitstheilung angenommen hatte. Den
Franzosen des achtzehnten und neunzehnten Jahrhunderts war denn freilich
le xouvoir mmistöriel ein so absolut nothwendiges Instrument der centra-
lisirten Administration geworden, daß es ihnen die Regierung selbst war
und sie sich den Staat so wenig ohne diese Centralgewalt denken konnten,
wie ihr Land ohne Paris. Für den consequenten französischen Constitutio-
nalismus konnte die Ministerverantwortlichkeit nie eine andere Bedeutung
haben, als die Unterordnung der Executive, der administrativen Centrali¬
sationsmaschinen unter den legislativen Volkswillen. Sobald in diesem ein¬
heitlich-demokratischen Staatswesen die Volkssouveränetät ihren cäsarischen
Repräsentanten gefunden hatte, wurden die Minister auch wieder "simples
üoimeurs ä'api-z" und ihre Verantwortlichkeit durch den Imperialismus der
Bonapartes confiscire.

Die Ahnen der deutschen Minister sind nicht ganz so dunkele Ehren¬
männer, wie die der französischen. Der fürstliche Absolutismus in Deutsch¬
land war im Ganzen maßvoller in seiner Centralisation und hatte insbe¬
sondere stets Sinn sür den germanischen Zug corporativer Bildungen, der
die Organisation der fürstlichen Beamtencollegien bestimmte. Der Geheime¬
rath des großen Kurfürsten bestand zwar auch aus mancherlei Fremdländern
und Persönlichkeiten unbestimmter officieller Stellung; sein Wirken war aber
von vorn herein im Licht des Tages, durch eine legale Geheimrathsordnung
geregelt und begrenzt. Das landesväterliche Regiment der späteren Hohenzollern
sorgte dafür, daß aus diesem Geheimerath sich keine Ministerialgewalt ent¬
wickelte. Je selbstthätiger die königlichen Herren waren, desto einflußloser
Wurde der Geheimerath, und die Centralbehörden, die daneben organisirt
wurden, das Generalkriegscommissariat, das Generaldomänen-, bez. Finanz-
directoriüm, Oberforstmeisteramt, Erbpostmeisteramt, LoUeZium meäieum
u. s. f. mit den ihnen vorgesetzten Chefs hatten ihren selbständigen Wirkungs¬
kreis, ohne daß die letzteren Titel. Rang oder Bedeutung von Ministern be-


Grenzboten IV. 1868. ^

für sich ohne jeden äußeren Glanz, verliert sich vielmehr in dem Glanz und
der Nähe des Thrones, zu gleicher Zeit so mächtig, daß es Alles ergreift,
und so im Dunkeln, daß die Geschichte ihn nur mit Mühe wahrnimmt."
Man möge dann weiter nachlesen, wie aus diesem Conseil der „General-
eontroleur" und als seine Agenten in der Provincialverwaltung „Inten¬
danten" hervorgehen, wie diese die bis dahin noch üblichen ..Provincial-
minister" und „Provincialgouverneurs" zu blos repräsentativen Stellungen
Herabdrücken, und der Generaleontroleur nach und nach sich polypenartig als
Centralminister der Finanzen, des Innern, der öffentlichen Arbeiten, des
Handels zergliedert. Im Grunde und Kerne des Verfassungsrechts blieb es
bei dem Conseil des Königs, das nur als Ministerium die officiellen Allüren
einer Behörde mit geordneter Arbeitstheilung angenommen hatte. Den
Franzosen des achtzehnten und neunzehnten Jahrhunderts war denn freilich
le xouvoir mmistöriel ein so absolut nothwendiges Instrument der centra-
lisirten Administration geworden, daß es ihnen die Regierung selbst war
und sie sich den Staat so wenig ohne diese Centralgewalt denken konnten,
wie ihr Land ohne Paris. Für den consequenten französischen Constitutio-
nalismus konnte die Ministerverantwortlichkeit nie eine andere Bedeutung
haben, als die Unterordnung der Executive, der administrativen Centrali¬
sationsmaschinen unter den legislativen Volkswillen. Sobald in diesem ein¬
heitlich-demokratischen Staatswesen die Volkssouveränetät ihren cäsarischen
Repräsentanten gefunden hatte, wurden die Minister auch wieder „simples
üoimeurs ä'api-z" und ihre Verantwortlichkeit durch den Imperialismus der
Bonapartes confiscire.

Die Ahnen der deutschen Minister sind nicht ganz so dunkele Ehren¬
männer, wie die der französischen. Der fürstliche Absolutismus in Deutsch¬
land war im Ganzen maßvoller in seiner Centralisation und hatte insbe¬
sondere stets Sinn sür den germanischen Zug corporativer Bildungen, der
die Organisation der fürstlichen Beamtencollegien bestimmte. Der Geheime¬
rath des großen Kurfürsten bestand zwar auch aus mancherlei Fremdländern
und Persönlichkeiten unbestimmter officieller Stellung; sein Wirken war aber
von vorn herein im Licht des Tages, durch eine legale Geheimrathsordnung
geregelt und begrenzt. Das landesväterliche Regiment der späteren Hohenzollern
sorgte dafür, daß aus diesem Geheimerath sich keine Ministerialgewalt ent¬
wickelte. Je selbstthätiger die königlichen Herren waren, desto einflußloser
Wurde der Geheimerath, und die Centralbehörden, die daneben organisirt
wurden, das Generalkriegscommissariat, das Generaldomänen-, bez. Finanz-
directoriüm, Oberforstmeisteramt, Erbpostmeisteramt, LoUeZium meäieum
u. s. f. mit den ihnen vorgesetzten Chefs hatten ihren selbständigen Wirkungs¬
kreis, ohne daß die letzteren Titel. Rang oder Bedeutung von Ministern be-


Grenzboten IV. 1868. ^
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_287271/397>, abgerufen am 06.02.2025.