Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band.

Bild:
<< vorherige Seite

26. Juni 1803, theils auf die Vereinbarung mit dem Großherzoge vom
19. März 1863.

Der malmöer Vertrag ist außerhalb Wisma-rs niemals so aufgefaßt
worden, als solle er der Stadt das Recht verbürgen, allgemeinen, ganz
Mecklenburg ergreifenden Aenderungen der politischen Institutionen durch
Berufung auf Sonderrechte, die dadurch verletzt würden, zu wider¬
sprechen oder sich von denselben auszuschließen, -- nur die Pflicht einer Ent¬
schädigung für materielle Nachtheile, die der Stadt aus dem erzwungenen
Verzicht auf gewisse Rechte erwuchsen, hat man. für einen solchen Fall als
begründet anerkannt. Ueberdies kommt zur Erwägung, daß Wismar selbst
nicht vertragschließender Theil bei dem malmöer Vertrage ist. Wenn die
mecklenburgische Regierung in demselben Pflichten übernommen hat, die nach
Behauptung des wismar'schen Bürgerausschusses verletzt worden sind, so
würde nur Schweden zur Erhebung einer Beschwerde deswegen berechtigt
sein. Schweden in diese Angelegenheit hineinzuziehen, wird jedoch in Wis¬
mar, einer wiederholten und glaubwürdigen Versicherung der Beschwerde¬
führer nach, nicht beabsichtigt, und in der That würde es einer deut¬
schen Stadt schlecht anstehen. Schutz ihrer Rechte bei einer fremden Macht
zu suchen.

Die Vereinbarung vom 19. März 1863 hat Wismar dem neuen mecklen¬
burgischen Zollsystem einverleibt und bei dessen weiterer Entwickelung zwar
Gehör, aber keine entscheidende Stimme zugesichert. Der Anschluß Mecklen¬
burgs an den deutschen Zollverein ist aber nicht eine Entwickelung der Lan¬
deszollgesetzgebung, sondern ein Theil und eine Folge einer die gesammten
Verhältnisse Mecklenburgs in dessen Beziehungen zu Deutschland ergreifenden
politischen Umgestaltung. Die neuen Zollgesetze stehen daher nicht unter den
Regeln und Verpflichtungen, welche die Vereinbarung vom 19. März 1863
unter ganz anderen Voraussetzungen aufstellt. Wismar mußte es sich ge¬
fallen lassen, seine vertragsmäßigen Rechte so weit dahinschwinden zu sehen, als
dies eine Folge der neuen Bundesverpflichtungen des Großherzogthums war.
Ist aber die mecklenburgische Regierung berechtigt gewesen, die Stadt Wismar
selbst wider ihren Willen in die neuen durch den Bund begründeten Ver¬
hältnisse hineinzuziehen, so verschwindet vollends jeder Grund zum Vorwurf
der Vergewaltigung, wenn, wie die Geschichte der vorbereitenden Verhand¬
lungen lehrt, Wismar mit seiner vollen Zustimmung in die neue Gestaltung
der Bundes- und Zollverhältnisse eingetreten ist.

Obgleich die mecklenburgische Regierung nicht dazu verpflichtet war, da
die Vereinbarung vom 19. März 1863 nur die Fortbildung der mecklen-
burgischen Zollgesetzgebung zum Gegenstand hat, so gab sie doch der Stadt
Wismar Gelegenheit, ihre Wünsche hinsichtlich des Bündnißvertrages kund-


26. Juni 1803, theils auf die Vereinbarung mit dem Großherzoge vom
19. März 1863.

Der malmöer Vertrag ist außerhalb Wisma-rs niemals so aufgefaßt
worden, als solle er der Stadt das Recht verbürgen, allgemeinen, ganz
Mecklenburg ergreifenden Aenderungen der politischen Institutionen durch
Berufung auf Sonderrechte, die dadurch verletzt würden, zu wider¬
sprechen oder sich von denselben auszuschließen, — nur die Pflicht einer Ent¬
schädigung für materielle Nachtheile, die der Stadt aus dem erzwungenen
Verzicht auf gewisse Rechte erwuchsen, hat man. für einen solchen Fall als
begründet anerkannt. Ueberdies kommt zur Erwägung, daß Wismar selbst
nicht vertragschließender Theil bei dem malmöer Vertrage ist. Wenn die
mecklenburgische Regierung in demselben Pflichten übernommen hat, die nach
Behauptung des wismar'schen Bürgerausschusses verletzt worden sind, so
würde nur Schweden zur Erhebung einer Beschwerde deswegen berechtigt
sein. Schweden in diese Angelegenheit hineinzuziehen, wird jedoch in Wis¬
mar, einer wiederholten und glaubwürdigen Versicherung der Beschwerde¬
führer nach, nicht beabsichtigt, und in der That würde es einer deut¬
schen Stadt schlecht anstehen. Schutz ihrer Rechte bei einer fremden Macht
zu suchen.

Die Vereinbarung vom 19. März 1863 hat Wismar dem neuen mecklen¬
burgischen Zollsystem einverleibt und bei dessen weiterer Entwickelung zwar
Gehör, aber keine entscheidende Stimme zugesichert. Der Anschluß Mecklen¬
burgs an den deutschen Zollverein ist aber nicht eine Entwickelung der Lan¬
deszollgesetzgebung, sondern ein Theil und eine Folge einer die gesammten
Verhältnisse Mecklenburgs in dessen Beziehungen zu Deutschland ergreifenden
politischen Umgestaltung. Die neuen Zollgesetze stehen daher nicht unter den
Regeln und Verpflichtungen, welche die Vereinbarung vom 19. März 1863
unter ganz anderen Voraussetzungen aufstellt. Wismar mußte es sich ge¬
fallen lassen, seine vertragsmäßigen Rechte so weit dahinschwinden zu sehen, als
dies eine Folge der neuen Bundesverpflichtungen des Großherzogthums war.
Ist aber die mecklenburgische Regierung berechtigt gewesen, die Stadt Wismar
selbst wider ihren Willen in die neuen durch den Bund begründeten Ver¬
hältnisse hineinzuziehen, so verschwindet vollends jeder Grund zum Vorwurf
der Vergewaltigung, wenn, wie die Geschichte der vorbereitenden Verhand¬
lungen lehrt, Wismar mit seiner vollen Zustimmung in die neue Gestaltung
der Bundes- und Zollverhältnisse eingetreten ist.

Obgleich die mecklenburgische Regierung nicht dazu verpflichtet war, da
die Vereinbarung vom 19. März 1863 nur die Fortbildung der mecklen-
burgischen Zollgesetzgebung zum Gegenstand hat, so gab sie doch der Stadt
Wismar Gelegenheit, ihre Wünsche hinsichtlich des Bündnißvertrages kund-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0039" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/287311"/>
          <p xml:id="ID_71" prev="#ID_70"> 26. Juni 1803, theils auf die Vereinbarung mit dem Großherzoge vom<lb/>
19. März 1863.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_72"> Der malmöer Vertrag ist außerhalb Wisma-rs niemals so aufgefaßt<lb/>
worden, als solle er der Stadt das Recht verbürgen, allgemeinen, ganz<lb/>
Mecklenburg ergreifenden Aenderungen der politischen Institutionen durch<lb/>
Berufung auf Sonderrechte, die dadurch verletzt würden, zu wider¬<lb/>
sprechen oder sich von denselben auszuschließen, &#x2014; nur die Pflicht einer Ent¬<lb/>
schädigung für materielle Nachtheile, die der Stadt aus dem erzwungenen<lb/>
Verzicht auf gewisse Rechte erwuchsen, hat man. für einen solchen Fall als<lb/>
begründet anerkannt. Ueberdies kommt zur Erwägung, daß Wismar selbst<lb/>
nicht vertragschließender Theil bei dem malmöer Vertrage ist. Wenn die<lb/>
mecklenburgische Regierung in demselben Pflichten übernommen hat, die nach<lb/>
Behauptung des wismar'schen Bürgerausschusses verletzt worden sind, so<lb/>
würde nur Schweden zur Erhebung einer Beschwerde deswegen berechtigt<lb/>
sein. Schweden in diese Angelegenheit hineinzuziehen, wird jedoch in Wis¬<lb/>
mar, einer wiederholten und glaubwürdigen Versicherung der Beschwerde¬<lb/>
führer nach, nicht beabsichtigt, und in der That würde es einer deut¬<lb/>
schen Stadt schlecht anstehen. Schutz ihrer Rechte bei einer fremden Macht<lb/>
zu suchen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_73"> Die Vereinbarung vom 19. März 1863 hat Wismar dem neuen mecklen¬<lb/>
burgischen Zollsystem einverleibt und bei dessen weiterer Entwickelung zwar<lb/>
Gehör, aber keine entscheidende Stimme zugesichert. Der Anschluß Mecklen¬<lb/>
burgs an den deutschen Zollverein ist aber nicht eine Entwickelung der Lan¬<lb/>
deszollgesetzgebung, sondern ein Theil und eine Folge einer die gesammten<lb/>
Verhältnisse Mecklenburgs in dessen Beziehungen zu Deutschland ergreifenden<lb/>
politischen Umgestaltung. Die neuen Zollgesetze stehen daher nicht unter den<lb/>
Regeln und Verpflichtungen, welche die Vereinbarung vom 19. März 1863<lb/>
unter ganz anderen Voraussetzungen aufstellt. Wismar mußte es sich ge¬<lb/>
fallen lassen, seine vertragsmäßigen Rechte so weit dahinschwinden zu sehen, als<lb/>
dies eine Folge der neuen Bundesverpflichtungen des Großherzogthums war.<lb/>
Ist aber die mecklenburgische Regierung berechtigt gewesen, die Stadt Wismar<lb/>
selbst wider ihren Willen in die neuen durch den Bund begründeten Ver¬<lb/>
hältnisse hineinzuziehen, so verschwindet vollends jeder Grund zum Vorwurf<lb/>
der Vergewaltigung, wenn, wie die Geschichte der vorbereitenden Verhand¬<lb/>
lungen lehrt, Wismar mit seiner vollen Zustimmung in die neue Gestaltung<lb/>
der Bundes- und Zollverhältnisse eingetreten ist.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_74" next="#ID_75"> Obgleich die mecklenburgische Regierung nicht dazu verpflichtet war, da<lb/>
die Vereinbarung vom 19. März 1863 nur die Fortbildung der mecklen-<lb/>
burgischen Zollgesetzgebung zum Gegenstand hat, so gab sie doch der Stadt<lb/>
Wismar Gelegenheit, ihre Wünsche hinsichtlich des Bündnißvertrages kund-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0039] 26. Juni 1803, theils auf die Vereinbarung mit dem Großherzoge vom 19. März 1863. Der malmöer Vertrag ist außerhalb Wisma-rs niemals so aufgefaßt worden, als solle er der Stadt das Recht verbürgen, allgemeinen, ganz Mecklenburg ergreifenden Aenderungen der politischen Institutionen durch Berufung auf Sonderrechte, die dadurch verletzt würden, zu wider¬ sprechen oder sich von denselben auszuschließen, — nur die Pflicht einer Ent¬ schädigung für materielle Nachtheile, die der Stadt aus dem erzwungenen Verzicht auf gewisse Rechte erwuchsen, hat man. für einen solchen Fall als begründet anerkannt. Ueberdies kommt zur Erwägung, daß Wismar selbst nicht vertragschließender Theil bei dem malmöer Vertrage ist. Wenn die mecklenburgische Regierung in demselben Pflichten übernommen hat, die nach Behauptung des wismar'schen Bürgerausschusses verletzt worden sind, so würde nur Schweden zur Erhebung einer Beschwerde deswegen berechtigt sein. Schweden in diese Angelegenheit hineinzuziehen, wird jedoch in Wis¬ mar, einer wiederholten und glaubwürdigen Versicherung der Beschwerde¬ führer nach, nicht beabsichtigt, und in der That würde es einer deut¬ schen Stadt schlecht anstehen. Schutz ihrer Rechte bei einer fremden Macht zu suchen. Die Vereinbarung vom 19. März 1863 hat Wismar dem neuen mecklen¬ burgischen Zollsystem einverleibt und bei dessen weiterer Entwickelung zwar Gehör, aber keine entscheidende Stimme zugesichert. Der Anschluß Mecklen¬ burgs an den deutschen Zollverein ist aber nicht eine Entwickelung der Lan¬ deszollgesetzgebung, sondern ein Theil und eine Folge einer die gesammten Verhältnisse Mecklenburgs in dessen Beziehungen zu Deutschland ergreifenden politischen Umgestaltung. Die neuen Zollgesetze stehen daher nicht unter den Regeln und Verpflichtungen, welche die Vereinbarung vom 19. März 1863 unter ganz anderen Voraussetzungen aufstellt. Wismar mußte es sich ge¬ fallen lassen, seine vertragsmäßigen Rechte so weit dahinschwinden zu sehen, als dies eine Folge der neuen Bundesverpflichtungen des Großherzogthums war. Ist aber die mecklenburgische Regierung berechtigt gewesen, die Stadt Wismar selbst wider ihren Willen in die neuen durch den Bund begründeten Ver¬ hältnisse hineinzuziehen, so verschwindet vollends jeder Grund zum Vorwurf der Vergewaltigung, wenn, wie die Geschichte der vorbereitenden Verhand¬ lungen lehrt, Wismar mit seiner vollen Zustimmung in die neue Gestaltung der Bundes- und Zollverhältnisse eingetreten ist. Obgleich die mecklenburgische Regierung nicht dazu verpflichtet war, da die Vereinbarung vom 19. März 1863 nur die Fortbildung der mecklen- burgischen Zollgesetzgebung zum Gegenstand hat, so gab sie doch der Stadt Wismar Gelegenheit, ihre Wünsche hinsichtlich des Bündnißvertrages kund-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_287271
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_287271/39
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_287271/39>, abgerufen am 05.02.2025.