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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band.

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durch die Massenhaftigkeit der Unterschriften imposante Gegenadresse der
darmstädter Bürgerschaft hervor. Das Consistorium. zu seinem großen
Schrecken zwischen zwei Feuer gebracht und in die Nothwendigkeit versetzt
einen Entschluß zu fassen, sprach die Amtsentsetzung des Angeklagten aus,
die jedoch noch der landesherrlichen Bestätigung bedarf. Man hat nun ver¬
sucht, durch das ganze Land eine Bewegung für Einführung einer Synodal-
Und Presbyterialverfassung zu organisiren und dem mitgetheilten Einzelfalle
dadurch eine weitere Bedeutung zu geben. Ob aber die rationalistische Par¬
tei, die ihrer Natur nach kirchliche Einrichtungen mit einer gewissen Gleich-
giltigkeit betrachtet, gegen die kleine aber außerordentlich rührige orthodoxe
Schaar den Sieg davon tragen wird, bleibt noch vorerst zweifelhaft, zumal
die hessische Verwaltung sich Reformen, welche einen demokratischen Bei¬
geschmack haben, grundsätzlich verschließt.

Herr v. Dalwigk hatte vorgezogen, während des Lutherfestes abwesend
zu sein. Vermuthlich fühlte er die schiefe Stellung in die er zur protestanti¬
schen Bevölkerung gerathen ist, auch mochte ihm mit einem Zusammentreffen
mit dem König von Preußen und den Großherzogen von Baden und Wei¬
mar wenig gedient sein. Genug, er reiste nach Livland, um seine dortigen
Verwandten zu besuchen. Was er in jenem Lande außerdem getrieben, ist
neuerdings Gegenstand einer Zeitungsdebatte geworden, welche in Hessen mit
wahrhaft leidenschaftlichem Eifer verfolgt wird.




Vermischte Literatur.
Georg Koch, Rafael-Galerie.

Von der bei Theodor Kap in Kassel erscheinenden Rafael-Galerie in
Photographien nach Kreide-Zeichnungen Georg Koch's liegt ein neues Heft vor,
welches allen Freunden und Kennern des großen Urbinaten ciufs Wärmste empfohlen
werden darf. Wiederholt haben diese Blätter eine Pflicht darin gesehen, auf jenes
schöne, ganz auf der Höhe des heutigen Geschmackes und aller sonstigen ästhetischen
Anforderungen stehende Unternehmen aufmerksam zu machen; mit Genugthuung con-
statiren sie, daß diese PflichGmit den weiteren Fortschritten desselben nur gewachsen
ist Das Bestreben des Herrn G. Koch, die beliebtesten Gemälde Rafael's zu repro-
duciren, hat mit ungewöhnlichen Schwierigkeiten zu kämpfen. Das Publieum ist
gewöhnt, die Bilder nach den populären Kupferstichen zu beurtheilen; in dieser Ge¬
stalt find sie ihm ans Herz gewachsen, obgleich sie sich doch fast alle wie Ueber-


durch die Massenhaftigkeit der Unterschriften imposante Gegenadresse der
darmstädter Bürgerschaft hervor. Das Consistorium. zu seinem großen
Schrecken zwischen zwei Feuer gebracht und in die Nothwendigkeit versetzt
einen Entschluß zu fassen, sprach die Amtsentsetzung des Angeklagten aus,
die jedoch noch der landesherrlichen Bestätigung bedarf. Man hat nun ver¬
sucht, durch das ganze Land eine Bewegung für Einführung einer Synodal-
Und Presbyterialverfassung zu organisiren und dem mitgetheilten Einzelfalle
dadurch eine weitere Bedeutung zu geben. Ob aber die rationalistische Par¬
tei, die ihrer Natur nach kirchliche Einrichtungen mit einer gewissen Gleich-
giltigkeit betrachtet, gegen die kleine aber außerordentlich rührige orthodoxe
Schaar den Sieg davon tragen wird, bleibt noch vorerst zweifelhaft, zumal
die hessische Verwaltung sich Reformen, welche einen demokratischen Bei¬
geschmack haben, grundsätzlich verschließt.

Herr v. Dalwigk hatte vorgezogen, während des Lutherfestes abwesend
zu sein. Vermuthlich fühlte er die schiefe Stellung in die er zur protestanti¬
schen Bevölkerung gerathen ist, auch mochte ihm mit einem Zusammentreffen
mit dem König von Preußen und den Großherzogen von Baden und Wei¬
mar wenig gedient sein. Genug, er reiste nach Livland, um seine dortigen
Verwandten zu besuchen. Was er in jenem Lande außerdem getrieben, ist
neuerdings Gegenstand einer Zeitungsdebatte geworden, welche in Hessen mit
wahrhaft leidenschaftlichem Eifer verfolgt wird.




Vermischte Literatur.
Georg Koch, Rafael-Galerie.

Von der bei Theodor Kap in Kassel erscheinenden Rafael-Galerie in
Photographien nach Kreide-Zeichnungen Georg Koch's liegt ein neues Heft vor,
welches allen Freunden und Kennern des großen Urbinaten ciufs Wärmste empfohlen
werden darf. Wiederholt haben diese Blätter eine Pflicht darin gesehen, auf jenes
schöne, ganz auf der Höhe des heutigen Geschmackes und aller sonstigen ästhetischen
Anforderungen stehende Unternehmen aufmerksam zu machen; mit Genugthuung con-
statiren sie, daß diese PflichGmit den weiteren Fortschritten desselben nur gewachsen
ist Das Bestreben des Herrn G. Koch, die beliebtesten Gemälde Rafael's zu repro-
duciren, hat mit ungewöhnlichen Schwierigkeiten zu kämpfen. Das Publieum ist
gewöhnt, die Bilder nach den populären Kupferstichen zu beurtheilen; in dieser Ge¬
stalt find sie ihm ans Herz gewachsen, obgleich sie sich doch fast alle wie Ueber-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_287271/384>, abgerufen am 05.02.2025.