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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band.

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des Prinzen Ludwig besetzt. Die gegenwärtigen Mitglieder dieser Behörde
zeichnen sich in der That durch Thätigkeit und Geschäftsgewandtheit vortheil¬
haft aus; daß sie im Gegensatz zu der bundestägl.-östreichischen Färbung ihrer
Vorgänger den neuen Militäreinrichtungen aufrichtig zugethan sind, ergibt
sich schon aus der Geschichte ihres Amtsantrittes. -- Um diese so außerordent¬
lich tief in das Leben unseres Kleinstaates einschneidende Veränderung einzu¬
führen, war ein Mann besonders thätig gewesen von dem man so Etwas
nicht erwartet hätte.

Herrn v. Dalwigk entging es nicht, daß hier, als in einer Militäran¬
gelegenheit, Preußen Ernst machen würde, und so ließ er ohne Bedenken
seinen Collegen v. Grolmann fallen und war eifrig bemüht, der neuen Com¬
bination die Wege zu ebnen. Charakteristischer Weise schloß dann dieses ganze
Zwischenspiel mit einem Diner, zu welchem Herr v. Dalwigk den General
v. Bonin und die übrigen Hauptactoren desselben zusammengebeten hatte.
Seitdem ist in militärischer Beziehung jeder Einfluß beseitigt geblieben, der
sich der Durchführung der preußischen Organisation entgegenstellen konnte.
Als das Militärbudget vor die Stände kam, wurden zwar einige schwache
Versuche gemacht, auf die Frage der Stellung des Kriegsministeriums im
constitutionellen Leben Hessens zurückzukommen, auch von den Majoritäten
beider Kammern Beschlüsse gefaßt, welche die Rechte der hessischen Stände
in Militärangelegenheiten mitzusprechen wahren sollten, allein der Gedanke,
daß es sich doch nur um todte Formeln handele und daß eine constitutionelle
Controle des Militärwesens nur noch in dem Reichstag und nicht mehr in
den Einzelkammern möglich sei -- drückte offenbar auf diese Körperschaften
und selbst auf die heißblütigsten Vertretern der hessischen Selbständigkeit.
Die öffentliche Meinung aber nahm mit Recht an, daß das Recht Ja zu sagen
illusorisch geworden sei, seit das "Nein" zur Unmöglichkeit geworden. Im
Herbste wurden dann aus der militärischen Umgebung des Großherzogs
einige Personen entfernt, von denen angenommen wird, sie hätten in einem
preußenseindlichen Sinn gewirkt; nunmehr hat das ganze hessische Militär-.
Wesen einen so orthodox-nordbündlerischen Charakter als man in Berlin nur
wünschen kann. Das Officiercorps, durch die Ereignisse von 1868 über die
UnHaltbarkeit der bisherigen Einrichtungen belehrt, hat nach Ausstoßung
der unbrauchbaren Elemente durchgängig die neue Ordnung der Dinge mit
Eifer ergriffen. Das Institut der einjährigen Freiwilligen, das besonders
bei der städtischen Bevölkerung Hessens sehr eingreifend ist, ist merkwürdig
schnell in das Bewußtsein des Landes eingewachsen und dem Gleichheits¬
gefühl von Soldaten und Bürgern thut es wohl, Arm und Reich jetzt in
einer Linie dienen zu sehen.

Dieser wohlthätigen Revolution im hessischen Staatsleben steht in un-


des Prinzen Ludwig besetzt. Die gegenwärtigen Mitglieder dieser Behörde
zeichnen sich in der That durch Thätigkeit und Geschäftsgewandtheit vortheil¬
haft aus; daß sie im Gegensatz zu der bundestägl.-östreichischen Färbung ihrer
Vorgänger den neuen Militäreinrichtungen aufrichtig zugethan sind, ergibt
sich schon aus der Geschichte ihres Amtsantrittes. — Um diese so außerordent¬
lich tief in das Leben unseres Kleinstaates einschneidende Veränderung einzu¬
führen, war ein Mann besonders thätig gewesen von dem man so Etwas
nicht erwartet hätte.

Herrn v. Dalwigk entging es nicht, daß hier, als in einer Militäran¬
gelegenheit, Preußen Ernst machen würde, und so ließ er ohne Bedenken
seinen Collegen v. Grolmann fallen und war eifrig bemüht, der neuen Com¬
bination die Wege zu ebnen. Charakteristischer Weise schloß dann dieses ganze
Zwischenspiel mit einem Diner, zu welchem Herr v. Dalwigk den General
v. Bonin und die übrigen Hauptactoren desselben zusammengebeten hatte.
Seitdem ist in militärischer Beziehung jeder Einfluß beseitigt geblieben, der
sich der Durchführung der preußischen Organisation entgegenstellen konnte.
Als das Militärbudget vor die Stände kam, wurden zwar einige schwache
Versuche gemacht, auf die Frage der Stellung des Kriegsministeriums im
constitutionellen Leben Hessens zurückzukommen, auch von den Majoritäten
beider Kammern Beschlüsse gefaßt, welche die Rechte der hessischen Stände
in Militärangelegenheiten mitzusprechen wahren sollten, allein der Gedanke,
daß es sich doch nur um todte Formeln handele und daß eine constitutionelle
Controle des Militärwesens nur noch in dem Reichstag und nicht mehr in
den Einzelkammern möglich sei — drückte offenbar auf diese Körperschaften
und selbst auf die heißblütigsten Vertretern der hessischen Selbständigkeit.
Die öffentliche Meinung aber nahm mit Recht an, daß das Recht Ja zu sagen
illusorisch geworden sei, seit das „Nein" zur Unmöglichkeit geworden. Im
Herbste wurden dann aus der militärischen Umgebung des Großherzogs
einige Personen entfernt, von denen angenommen wird, sie hätten in einem
preußenseindlichen Sinn gewirkt; nunmehr hat das ganze hessische Militär-.
Wesen einen so orthodox-nordbündlerischen Charakter als man in Berlin nur
wünschen kann. Das Officiercorps, durch die Ereignisse von 1868 über die
UnHaltbarkeit der bisherigen Einrichtungen belehrt, hat nach Ausstoßung
der unbrauchbaren Elemente durchgängig die neue Ordnung der Dinge mit
Eifer ergriffen. Das Institut der einjährigen Freiwilligen, das besonders
bei der städtischen Bevölkerung Hessens sehr eingreifend ist, ist merkwürdig
schnell in das Bewußtsein des Landes eingewachsen und dem Gleichheits¬
gefühl von Soldaten und Bürgern thut es wohl, Arm und Reich jetzt in
einer Linie dienen zu sehen.

Dieser wohlthätigen Revolution im hessischen Staatsleben steht in un-


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[0380] des Prinzen Ludwig besetzt. Die gegenwärtigen Mitglieder dieser Behörde zeichnen sich in der That durch Thätigkeit und Geschäftsgewandtheit vortheil¬ haft aus; daß sie im Gegensatz zu der bundestägl.-östreichischen Färbung ihrer Vorgänger den neuen Militäreinrichtungen aufrichtig zugethan sind, ergibt sich schon aus der Geschichte ihres Amtsantrittes. — Um diese so außerordent¬ lich tief in das Leben unseres Kleinstaates einschneidende Veränderung einzu¬ führen, war ein Mann besonders thätig gewesen von dem man so Etwas nicht erwartet hätte. Herrn v. Dalwigk entging es nicht, daß hier, als in einer Militäran¬ gelegenheit, Preußen Ernst machen würde, und so ließ er ohne Bedenken seinen Collegen v. Grolmann fallen und war eifrig bemüht, der neuen Com¬ bination die Wege zu ebnen. Charakteristischer Weise schloß dann dieses ganze Zwischenspiel mit einem Diner, zu welchem Herr v. Dalwigk den General v. Bonin und die übrigen Hauptactoren desselben zusammengebeten hatte. Seitdem ist in militärischer Beziehung jeder Einfluß beseitigt geblieben, der sich der Durchführung der preußischen Organisation entgegenstellen konnte. Als das Militärbudget vor die Stände kam, wurden zwar einige schwache Versuche gemacht, auf die Frage der Stellung des Kriegsministeriums im constitutionellen Leben Hessens zurückzukommen, auch von den Majoritäten beider Kammern Beschlüsse gefaßt, welche die Rechte der hessischen Stände in Militärangelegenheiten mitzusprechen wahren sollten, allein der Gedanke, daß es sich doch nur um todte Formeln handele und daß eine constitutionelle Controle des Militärwesens nur noch in dem Reichstag und nicht mehr in den Einzelkammern möglich sei — drückte offenbar auf diese Körperschaften und selbst auf die heißblütigsten Vertretern der hessischen Selbständigkeit. Die öffentliche Meinung aber nahm mit Recht an, daß das Recht Ja zu sagen illusorisch geworden sei, seit das „Nein" zur Unmöglichkeit geworden. Im Herbste wurden dann aus der militärischen Umgebung des Großherzogs einige Personen entfernt, von denen angenommen wird, sie hätten in einem preußenseindlichen Sinn gewirkt; nunmehr hat das ganze hessische Militär-. Wesen einen so orthodox-nordbündlerischen Charakter als man in Berlin nur wünschen kann. Das Officiercorps, durch die Ereignisse von 1868 über die UnHaltbarkeit der bisherigen Einrichtungen belehrt, hat nach Ausstoßung der unbrauchbaren Elemente durchgängig die neue Ordnung der Dinge mit Eifer ergriffen. Das Institut der einjährigen Freiwilligen, das besonders bei der städtischen Bevölkerung Hessens sehr eingreifend ist, ist merkwürdig schnell in das Bewußtsein des Landes eingewachsen und dem Gleichheits¬ gefühl von Soldaten und Bürgern thut es wohl, Arm und Reich jetzt in einer Linie dienen zu sehen. Dieser wohlthätigen Revolution im hessischen Staatsleben steht in un-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_287271/380>, abgerufen am 05.02.2025.