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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band.

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natürlich nicht von dem Trachten nach der Erreichung des Nordpols überhaupt
abmahnen wollen. Im Gegentheil, diese betrachtete er als eine ausgemachte
Aufgabe der Zeit und setzte in die Bekämpfung der Vorurtheile, welche ihr
entgegenstehen, sogar einen ganz persönlichen edlen Ehrgeiz. Er begann denn
auch von dem Tage an die Ausführung eines deutschen Unternehmens der
Art ernstlich ins Auge zu fassen. Deutsche Wissenschaft hatte englischen Un¬
ternehmungsgeist von der Betretung eines ihr falsch erscheinenden Pfades
zurückgehalten; sollte sie nun nicht im Stande sein, den schlummernden see¬
männischen Unternehmungsgeist ihrer eigenen Nation dafür auf diese Straße
zu leiten? Die ersten Versuche, bald an die Mittel des preußischen Staats,
bald an die des jetzt aufgelösten Nationalvereins geknüpft, mißlangen zwar
aus Gründen, welche nicht in der Sache selbst lagen; aber Interesse für den
Gedanken wurde dabei doch in wichtigen und selbst in ziemlich weiten Kreisen
geweckt. Als nun bekannt wurde, daß die Franzosen ebenfalls auf dieser
ruhmverheißenden internationalen Arena aufzutreten vorhätten, ja als der
Prinz Napoleon, der selbst einmal eine Spazierfahrt ins Eismeer angestellt
hatte, zufällig nach Gotha kam und Dr. Petermann direct und indirect er-
muthigte, sein Ziel nicht aus den Augen zu verlieren, da entschloß sich dieser
zu einer anscheinend verwegenen That. Er rief ein paar begeisterte junge
Seeleute herbei, raffte alle seine Mittel zusammen, schoß der Nation gewisser¬
maßen das Capital für eine vorläufige Mcognoscirungsfahrt vor und die
"Grönland" konnte aussegeln. Wenn später die Geschichte dieser Dinge zu
übersehen ist, so wird sich wahrscheinlich herausstellen, daß dieser rasche Ent¬
schluß für das ersehnte endliche Vollbringen weit wichtiger gewesen ist als die
bloße Kritik der Resultate ergeben mag.

Die diesjährige schwedische Expedition hat ihre Mittel erhalten durch
das Zusammenwirken von Bürgern der Handelsstadt Gochenburg mit der
Regierung. Prof. Nordenskjöld, der leitende Kopf, setzte durch den einflu߬
reichen Grafen Ehrensvörd die gothenburger Kaufmannschaft in Bewegung
und nachdem das nöthige Geld beisammen war, bewog er den König zur
Ueberlassung des gerade disponibeln Postdampfers "Sophie". Aehnlich scheint
die zweite, größere deutsche Expedition im nächsten Jahre zu Stande kommen
zu sollen. In Bremen hat sich das Bewußtsein, daß die Nationalehre und
das Nationalinteresse eine baldige Erneuerung des Versuchs erheische, am
lebendigsten geregt, Dr. Petermann wurde kurz nach der Heimkehr des Capt.
Koldewey und seiner Gefährten veranlaßt dorthin zu kommen und ihm ein
demonstratives Festmahl gegeben, hinter dessen durchsichtigem Vorhange, so
zu sagen, sich die erste allgemeine Vorbereitung zu der neuen Fahrt halb
verrieth und halb verbarg. Ein Mann bekannten Namens, das Reichstags-
witglied H. H. Meier, dessen glücklicher Initiative und durchdringender Energie


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natürlich nicht von dem Trachten nach der Erreichung des Nordpols überhaupt
abmahnen wollen. Im Gegentheil, diese betrachtete er als eine ausgemachte
Aufgabe der Zeit und setzte in die Bekämpfung der Vorurtheile, welche ihr
entgegenstehen, sogar einen ganz persönlichen edlen Ehrgeiz. Er begann denn
auch von dem Tage an die Ausführung eines deutschen Unternehmens der
Art ernstlich ins Auge zu fassen. Deutsche Wissenschaft hatte englischen Un¬
ternehmungsgeist von der Betretung eines ihr falsch erscheinenden Pfades
zurückgehalten; sollte sie nun nicht im Stande sein, den schlummernden see¬
männischen Unternehmungsgeist ihrer eigenen Nation dafür auf diese Straße
zu leiten? Die ersten Versuche, bald an die Mittel des preußischen Staats,
bald an die des jetzt aufgelösten Nationalvereins geknüpft, mißlangen zwar
aus Gründen, welche nicht in der Sache selbst lagen; aber Interesse für den
Gedanken wurde dabei doch in wichtigen und selbst in ziemlich weiten Kreisen
geweckt. Als nun bekannt wurde, daß die Franzosen ebenfalls auf dieser
ruhmverheißenden internationalen Arena aufzutreten vorhätten, ja als der
Prinz Napoleon, der selbst einmal eine Spazierfahrt ins Eismeer angestellt
hatte, zufällig nach Gotha kam und Dr. Petermann direct und indirect er-
muthigte, sein Ziel nicht aus den Augen zu verlieren, da entschloß sich dieser
zu einer anscheinend verwegenen That. Er rief ein paar begeisterte junge
Seeleute herbei, raffte alle seine Mittel zusammen, schoß der Nation gewisser¬
maßen das Capital für eine vorläufige Mcognoscirungsfahrt vor und die
„Grönland" konnte aussegeln. Wenn später die Geschichte dieser Dinge zu
übersehen ist, so wird sich wahrscheinlich herausstellen, daß dieser rasche Ent¬
schluß für das ersehnte endliche Vollbringen weit wichtiger gewesen ist als die
bloße Kritik der Resultate ergeben mag.

Die diesjährige schwedische Expedition hat ihre Mittel erhalten durch
das Zusammenwirken von Bürgern der Handelsstadt Gochenburg mit der
Regierung. Prof. Nordenskjöld, der leitende Kopf, setzte durch den einflu߬
reichen Grafen Ehrensvörd die gothenburger Kaufmannschaft in Bewegung
und nachdem das nöthige Geld beisammen war, bewog er den König zur
Ueberlassung des gerade disponibeln Postdampfers „Sophie". Aehnlich scheint
die zweite, größere deutsche Expedition im nächsten Jahre zu Stande kommen
zu sollen. In Bremen hat sich das Bewußtsein, daß die Nationalehre und
das Nationalinteresse eine baldige Erneuerung des Versuchs erheische, am
lebendigsten geregt, Dr. Petermann wurde kurz nach der Heimkehr des Capt.
Koldewey und seiner Gefährten veranlaßt dorthin zu kommen und ihm ein
demonstratives Festmahl gegeben, hinter dessen durchsichtigem Vorhange, so
zu sagen, sich die erste allgemeine Vorbereitung zu der neuen Fahrt halb
verrieth und halb verbarg. Ein Mann bekannten Namens, das Reichstags-
witglied H. H. Meier, dessen glücklicher Initiative und durchdringender Energie


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_287271/339>, abgerufen am 05.02.2025.