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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band.

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Rechnung der verstanden Stimmung der Versammlung am Schluß einer an¬
strengenden Sitzung und einer langwierigen Berathung von Budgetposten zu
setzen haben. Dem Minister des Innern, Grafen zu Eulenburg, kam diese
Stimmung jedenfalls so wesentlich zu Hilfe, daß er sich nach Ausweis der
stenographischen Berichte dem Antrag gegenüber auf die cavaMre Bemerkung
beschränken konnte: "Ich erkläre mich gegen den Antrag und verzichte auf
Anführung von Gründen". Nicht viel ergebnißreicher verläuft die Session von
1867. Der Abg. Eberty wiederholte unter Anführung sehr detaillirter Angaben die
Anklagen über die Gefängnißverwaltung in Moabit, ließ es aber an dem
nothwendig dazu gehörigen Antrag auf Einsetzung einer Untersuchungs-Com-
mission, vermuthlich durch die früheren Vorgänge entmuthigt, fehlen. Die
gegebenen Enthüllungen blieben denn auch, obwohl ihnen von Seiten der
Regierung nicht°einmal widersprochen wurde, ohne alle weiteren Folgen, als
daß die Abgg. Eberty und Strosser von konservativer Seite her in eine
schließlich in persönliches Gezänk ausartende Polemik verwickelt wurden. Von
anderer Seite (Abg. Windthorst) war der nicht unwichtige Antrag gestellt
worden: die Verwaltung der Strafanstalten aus dem Ressort des Ministe¬
riums des Innern in das Ressort des Justizministers zu überweisen. Windt¬
horst machte außer anderen Gründen für diesen Antrag auch den wichtigen
Grundsatz geltend, daß diejenige Behörde, welche eine Strafe erkennt, auch
die Vollstreckung derselben überwachen müsse. Der Justizminister müsse eine
Garantie dafür haben, daß die Strafe in dem Sinn und Geist vollstreckt
werde, in dem sie erkannt worden sei, er müsse also Einfluß auf die Art und
Weise der Ausführung haben. Auch diesen Antrag, dessen Annahme immer¬
hin einen, wenn auch nicht entscheidenden Fortschritt bekundet hätte, verfolgte
das gewöhnliche Mißgeschick aller auf die Gefängnißfrage bezüglichen An¬
träge. Bei der Abstimmung ward nur der erste Theil: das Abgeordneten¬
haus erklärt es für wünschenswert!), die Verwaltung der Strafanstalten in
einem Ministerium zu vereinigen, angenommen, der zweite, wichtigere Theil,
daß dies Ministerium das Justizministerium sein solle, ward von dem Vice-
prästdenten v. Köller für abgelehnt erklärt und trotz des Widerspruchs sehr
vieler Abgeordneten, welche die Fragestellung nicht verstanden hatten, eine
zweite Abstimmung nicht vorgenommen, so daß über diesen Punkt seitens
des Abgeordnetenhauses jetzt nur ein mindestens sehr zweideutiger Beschluß
vorliegt.

Um die ganze Bedeutung dieses in seiner Energielosigkeit so seltsam von
der BeHandlungsweise anderer schwebender Fragen abstechenden Verhaltens des
preußischen Abgeordnetenhauses zu würdigen, muß noch einmal an die beiden
Hauptpunkte erinnert werden, auf die es in dem jetzigen Stadium der Ge¬
fängnißangelegenheit in Preußen ankommt. Die eine, aus die wir bereits


Rechnung der verstanden Stimmung der Versammlung am Schluß einer an¬
strengenden Sitzung und einer langwierigen Berathung von Budgetposten zu
setzen haben. Dem Minister des Innern, Grafen zu Eulenburg, kam diese
Stimmung jedenfalls so wesentlich zu Hilfe, daß er sich nach Ausweis der
stenographischen Berichte dem Antrag gegenüber auf die cavaMre Bemerkung
beschränken konnte: „Ich erkläre mich gegen den Antrag und verzichte auf
Anführung von Gründen". Nicht viel ergebnißreicher verläuft die Session von
1867. Der Abg. Eberty wiederholte unter Anführung sehr detaillirter Angaben die
Anklagen über die Gefängnißverwaltung in Moabit, ließ es aber an dem
nothwendig dazu gehörigen Antrag auf Einsetzung einer Untersuchungs-Com-
mission, vermuthlich durch die früheren Vorgänge entmuthigt, fehlen. Die
gegebenen Enthüllungen blieben denn auch, obwohl ihnen von Seiten der
Regierung nicht°einmal widersprochen wurde, ohne alle weiteren Folgen, als
daß die Abgg. Eberty und Strosser von konservativer Seite her in eine
schließlich in persönliches Gezänk ausartende Polemik verwickelt wurden. Von
anderer Seite (Abg. Windthorst) war der nicht unwichtige Antrag gestellt
worden: die Verwaltung der Strafanstalten aus dem Ressort des Ministe¬
riums des Innern in das Ressort des Justizministers zu überweisen. Windt¬
horst machte außer anderen Gründen für diesen Antrag auch den wichtigen
Grundsatz geltend, daß diejenige Behörde, welche eine Strafe erkennt, auch
die Vollstreckung derselben überwachen müsse. Der Justizminister müsse eine
Garantie dafür haben, daß die Strafe in dem Sinn und Geist vollstreckt
werde, in dem sie erkannt worden sei, er müsse also Einfluß auf die Art und
Weise der Ausführung haben. Auch diesen Antrag, dessen Annahme immer¬
hin einen, wenn auch nicht entscheidenden Fortschritt bekundet hätte, verfolgte
das gewöhnliche Mißgeschick aller auf die Gefängnißfrage bezüglichen An¬
träge. Bei der Abstimmung ward nur der erste Theil: das Abgeordneten¬
haus erklärt es für wünschenswert!), die Verwaltung der Strafanstalten in
einem Ministerium zu vereinigen, angenommen, der zweite, wichtigere Theil,
daß dies Ministerium das Justizministerium sein solle, ward von dem Vice-
prästdenten v. Köller für abgelehnt erklärt und trotz des Widerspruchs sehr
vieler Abgeordneten, welche die Fragestellung nicht verstanden hatten, eine
zweite Abstimmung nicht vorgenommen, so daß über diesen Punkt seitens
des Abgeordnetenhauses jetzt nur ein mindestens sehr zweideutiger Beschluß
vorliegt.

Um die ganze Bedeutung dieses in seiner Energielosigkeit so seltsam von
der BeHandlungsweise anderer schwebender Fragen abstechenden Verhaltens des
preußischen Abgeordnetenhauses zu würdigen, muß noch einmal an die beiden
Hauptpunkte erinnert werden, auf die es in dem jetzigen Stadium der Ge¬
fängnißangelegenheit in Preußen ankommt. Die eine, aus die wir bereits


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[0314] Rechnung der verstanden Stimmung der Versammlung am Schluß einer an¬ strengenden Sitzung und einer langwierigen Berathung von Budgetposten zu setzen haben. Dem Minister des Innern, Grafen zu Eulenburg, kam diese Stimmung jedenfalls so wesentlich zu Hilfe, daß er sich nach Ausweis der stenographischen Berichte dem Antrag gegenüber auf die cavaMre Bemerkung beschränken konnte: „Ich erkläre mich gegen den Antrag und verzichte auf Anführung von Gründen". Nicht viel ergebnißreicher verläuft die Session von 1867. Der Abg. Eberty wiederholte unter Anführung sehr detaillirter Angaben die Anklagen über die Gefängnißverwaltung in Moabit, ließ es aber an dem nothwendig dazu gehörigen Antrag auf Einsetzung einer Untersuchungs-Com- mission, vermuthlich durch die früheren Vorgänge entmuthigt, fehlen. Die gegebenen Enthüllungen blieben denn auch, obwohl ihnen von Seiten der Regierung nicht°einmal widersprochen wurde, ohne alle weiteren Folgen, als daß die Abgg. Eberty und Strosser von konservativer Seite her in eine schließlich in persönliches Gezänk ausartende Polemik verwickelt wurden. Von anderer Seite (Abg. Windthorst) war der nicht unwichtige Antrag gestellt worden: die Verwaltung der Strafanstalten aus dem Ressort des Ministe¬ riums des Innern in das Ressort des Justizministers zu überweisen. Windt¬ horst machte außer anderen Gründen für diesen Antrag auch den wichtigen Grundsatz geltend, daß diejenige Behörde, welche eine Strafe erkennt, auch die Vollstreckung derselben überwachen müsse. Der Justizminister müsse eine Garantie dafür haben, daß die Strafe in dem Sinn und Geist vollstreckt werde, in dem sie erkannt worden sei, er müsse also Einfluß auf die Art und Weise der Ausführung haben. Auch diesen Antrag, dessen Annahme immer¬ hin einen, wenn auch nicht entscheidenden Fortschritt bekundet hätte, verfolgte das gewöhnliche Mißgeschick aller auf die Gefängnißfrage bezüglichen An¬ träge. Bei der Abstimmung ward nur der erste Theil: das Abgeordneten¬ haus erklärt es für wünschenswert!), die Verwaltung der Strafanstalten in einem Ministerium zu vereinigen, angenommen, der zweite, wichtigere Theil, daß dies Ministerium das Justizministerium sein solle, ward von dem Vice- prästdenten v. Köller für abgelehnt erklärt und trotz des Widerspruchs sehr vieler Abgeordneten, welche die Fragestellung nicht verstanden hatten, eine zweite Abstimmung nicht vorgenommen, so daß über diesen Punkt seitens des Abgeordnetenhauses jetzt nur ein mindestens sehr zweideutiger Beschluß vorliegt. Um die ganze Bedeutung dieses in seiner Energielosigkeit so seltsam von der BeHandlungsweise anderer schwebender Fragen abstechenden Verhaltens des preußischen Abgeordnetenhauses zu würdigen, muß noch einmal an die beiden Hauptpunkte erinnert werden, auf die es in dem jetzigen Stadium der Ge¬ fängnißangelegenheit in Preußen ankommt. Die eine, aus die wir bereits

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_287271/314>, abgerufen am 05.02.2025.