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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band.

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Autonomie werde auch die Unterrichtsfrage g.ä grÄöoas ealsnä^s hinausschie¬
ben. Einen wesentlichen Unterschied übersah sie jedoch dabei. In der Co-
mitats-Angelegenheit ist es dem Ministerium ganz und gar unmöglich, der
Autonomie in dem Sinne eine Concession zu machen, wie sie bisher von den
Municipien geübt wurde; soll die Justiz den Anforderungen der Jetztzeit
nachkommen, soll die Verantwortlichkeit des Ministeriums zur Wahrheit
werden, so muß der Cantönli-Wirthschaft, der vielgerühmten Comitats-Sou-
verainetät ein Ende gemacht werden; ohne das ganze parlamentarische Leben
in seinen wichtigsten Elementen zu gefährden, kann das Ministerium hier
keine Concession machen und muß ruhig abwarten, bis die öffentliche Mei¬
nung über die populären Phrasen hinweg an den Kern der Frage geht und
ihn erkennt. Ganz anders steht dagegen die Regierung der Volksschulenfrage
gegenüber. Die Autonomie, die der Eötvös'sche Gesetzentwurf dabei der
Gemeinde, der Confession vindicirt, reicht bis an die äußersten Grenzen und
der ganze Lärm, den Herr v. Tisza im Namen der kirchlichen Autonomie
erhebt, ist Nichts als Scheinlärm. Wann immer die protestantische Kirche
in den letzten Decennien zur Wahrung ihrer Autonomie das Wort ergriff, war
es der Gesetzartikel 179"/.: 26, den sie als ihr Palladium anrief. Derselbe
gestattet nun den protestantischen Gemeinden die Errichtung von Schulen
und Sammlungen von Beiträgen für sie, stellt ihnen die Wahl und Anzahl
der Lehrer, sowie die Bestimmung über die Reihenfolge der Lehrgegenstände
und die Art in der sie zum Vortrag gelangen sollen anheim: lautet Dinge,
hinsichtlich deren auch der gegenwärtige Gesetzentwurf den Gemeinden und
Confessionen den freiesten Spielraum läßt; es wäre denn, daß man es für
eine Beschränkung derselben ansieht, wenn zugleich ein Minimum der Lehr¬
gegenstände als Norm aufgestellt und verlangt wird, daß die Lehrer ihre
Befähigung zum Unterricht nachweisen. Ja, Eötvös hat der Autonomie so¬
gar noch weitere Grenzen gezogen, als es der angeführte Gesetzartikel thut.
Dieser bestimmt nämlich, daß "auf die Unterbreitung der Stände das durch
Se. MajestätfestzustellendeUnterrichtssystem auch auf diese (protestantischen)
Schulen ausgedehnt werden kann", eine Begrenzung der Autonomie, von
der der ministerielle Gesetzentwurf Nichts weiß, ein beredtes Schweigen, das
allein jedem Unbefangenen die Ueberzeugung verschaffen muß, wie sehr gerade
unserem Cultusminister bei der Schaffung seines Entwurfs das Ideal der
Autonomie vorgeschwebt.

Aber, klagen die Gegner, der Minister behält sich das Recht vor, auf
Empfehlung des Comitats-Schulraths die Schule schließen zu lassen; liegt
hierin nicht eine Verletzung der Autonomie? Man sollte meinen, wer mit
dem Gesetzartikel 179°/.: 26 Sr. Majestät die Ausübung des Ueberwachungs-
rechts durch die gesetzlichen Behörden zuerkennt, der müsse als nothwendiges


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Autonomie werde auch die Unterrichtsfrage g.ä grÄöoas ealsnä^s hinausschie¬
ben. Einen wesentlichen Unterschied übersah sie jedoch dabei. In der Co-
mitats-Angelegenheit ist es dem Ministerium ganz und gar unmöglich, der
Autonomie in dem Sinne eine Concession zu machen, wie sie bisher von den
Municipien geübt wurde; soll die Justiz den Anforderungen der Jetztzeit
nachkommen, soll die Verantwortlichkeit des Ministeriums zur Wahrheit
werden, so muß der Cantönli-Wirthschaft, der vielgerühmten Comitats-Sou-
verainetät ein Ende gemacht werden; ohne das ganze parlamentarische Leben
in seinen wichtigsten Elementen zu gefährden, kann das Ministerium hier
keine Concession machen und muß ruhig abwarten, bis die öffentliche Mei¬
nung über die populären Phrasen hinweg an den Kern der Frage geht und
ihn erkennt. Ganz anders steht dagegen die Regierung der Volksschulenfrage
gegenüber. Die Autonomie, die der Eötvös'sche Gesetzentwurf dabei der
Gemeinde, der Confession vindicirt, reicht bis an die äußersten Grenzen und
der ganze Lärm, den Herr v. Tisza im Namen der kirchlichen Autonomie
erhebt, ist Nichts als Scheinlärm. Wann immer die protestantische Kirche
in den letzten Decennien zur Wahrung ihrer Autonomie das Wort ergriff, war
es der Gesetzartikel 179"/.: 26, den sie als ihr Palladium anrief. Derselbe
gestattet nun den protestantischen Gemeinden die Errichtung von Schulen
und Sammlungen von Beiträgen für sie, stellt ihnen die Wahl und Anzahl
der Lehrer, sowie die Bestimmung über die Reihenfolge der Lehrgegenstände
und die Art in der sie zum Vortrag gelangen sollen anheim: lautet Dinge,
hinsichtlich deren auch der gegenwärtige Gesetzentwurf den Gemeinden und
Confessionen den freiesten Spielraum läßt; es wäre denn, daß man es für
eine Beschränkung derselben ansieht, wenn zugleich ein Minimum der Lehr¬
gegenstände als Norm aufgestellt und verlangt wird, daß die Lehrer ihre
Befähigung zum Unterricht nachweisen. Ja, Eötvös hat der Autonomie so¬
gar noch weitere Grenzen gezogen, als es der angeführte Gesetzartikel thut.
Dieser bestimmt nämlich, daß „auf die Unterbreitung der Stände das durch
Se. MajestätfestzustellendeUnterrichtssystem auch auf diese (protestantischen)
Schulen ausgedehnt werden kann", eine Begrenzung der Autonomie, von
der der ministerielle Gesetzentwurf Nichts weiß, ein beredtes Schweigen, das
allein jedem Unbefangenen die Ueberzeugung verschaffen muß, wie sehr gerade
unserem Cultusminister bei der Schaffung seines Entwurfs das Ideal der
Autonomie vorgeschwebt.

Aber, klagen die Gegner, der Minister behält sich das Recht vor, auf
Empfehlung des Comitats-Schulraths die Schule schließen zu lassen; liegt
hierin nicht eine Verletzung der Autonomie? Man sollte meinen, wer mit
dem Gesetzartikel 179°/.: 26 Sr. Majestät die Ausübung des Ueberwachungs-
rechts durch die gesetzlichen Behörden zuerkennt, der müsse als nothwendiges


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[0297] Autonomie werde auch die Unterrichtsfrage g.ä grÄöoas ealsnä^s hinausschie¬ ben. Einen wesentlichen Unterschied übersah sie jedoch dabei. In der Co- mitats-Angelegenheit ist es dem Ministerium ganz und gar unmöglich, der Autonomie in dem Sinne eine Concession zu machen, wie sie bisher von den Municipien geübt wurde; soll die Justiz den Anforderungen der Jetztzeit nachkommen, soll die Verantwortlichkeit des Ministeriums zur Wahrheit werden, so muß der Cantönli-Wirthschaft, der vielgerühmten Comitats-Sou- verainetät ein Ende gemacht werden; ohne das ganze parlamentarische Leben in seinen wichtigsten Elementen zu gefährden, kann das Ministerium hier keine Concession machen und muß ruhig abwarten, bis die öffentliche Mei¬ nung über die populären Phrasen hinweg an den Kern der Frage geht und ihn erkennt. Ganz anders steht dagegen die Regierung der Volksschulenfrage gegenüber. Die Autonomie, die der Eötvös'sche Gesetzentwurf dabei der Gemeinde, der Confession vindicirt, reicht bis an die äußersten Grenzen und der ganze Lärm, den Herr v. Tisza im Namen der kirchlichen Autonomie erhebt, ist Nichts als Scheinlärm. Wann immer die protestantische Kirche in den letzten Decennien zur Wahrung ihrer Autonomie das Wort ergriff, war es der Gesetzartikel 179"/.: 26, den sie als ihr Palladium anrief. Derselbe gestattet nun den protestantischen Gemeinden die Errichtung von Schulen und Sammlungen von Beiträgen für sie, stellt ihnen die Wahl und Anzahl der Lehrer, sowie die Bestimmung über die Reihenfolge der Lehrgegenstände und die Art in der sie zum Vortrag gelangen sollen anheim: lautet Dinge, hinsichtlich deren auch der gegenwärtige Gesetzentwurf den Gemeinden und Confessionen den freiesten Spielraum läßt; es wäre denn, daß man es für eine Beschränkung derselben ansieht, wenn zugleich ein Minimum der Lehr¬ gegenstände als Norm aufgestellt und verlangt wird, daß die Lehrer ihre Befähigung zum Unterricht nachweisen. Ja, Eötvös hat der Autonomie so¬ gar noch weitere Grenzen gezogen, als es der angeführte Gesetzartikel thut. Dieser bestimmt nämlich, daß „auf die Unterbreitung der Stände das durch Se. MajestätfestzustellendeUnterrichtssystem auch auf diese (protestantischen) Schulen ausgedehnt werden kann", eine Begrenzung der Autonomie, von der der ministerielle Gesetzentwurf Nichts weiß, ein beredtes Schweigen, das allein jedem Unbefangenen die Ueberzeugung verschaffen muß, wie sehr gerade unserem Cultusminister bei der Schaffung seines Entwurfs das Ideal der Autonomie vorgeschwebt. Aber, klagen die Gegner, der Minister behält sich das Recht vor, auf Empfehlung des Comitats-Schulraths die Schule schließen zu lassen; liegt hierin nicht eine Verletzung der Autonomie? Man sollte meinen, wer mit dem Gesetzartikel 179°/.: 26 Sr. Majestät die Ausübung des Ueberwachungs- rechts durch die gesetzlichen Behörden zuerkennt, der müsse als nothwendiges SS*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_287271/297>, abgerufen am 06.02.2025.