Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band.

Bild:
<< vorherige Seite
Die mecklenburgische Mcmdstadt Wismar.

Der Name Wismar ist bei Vollziehung des Anschlusses der Großher-
zogthümer Mecklenburg an den deutschen Zollverein viel genannt worden.
Die Stadt suchte sich mit Aufbietung aller Kraft der ihr zugedachten Ein¬
schließung in den Zollgrenzbezirk zu erwehren und hat auch jetzt, nachdem
ihre Anstrengungen erfolglos geblieben sind und sie durch die Zollbinnenlinie
von dem übrigen Lande abgeschieden worden ist, den Muth und den Willen
nicht aufgegeben, eine Aenderung dieser Maßregel, in welcher sie die größte
Benachtheiligung für ihren Handel und Wohlstand erblickt, herbeizuführen.
Sie beruft sich dabei auf ihre Privilegien, welche ihr das Recht gewährten,
bei der Bestimmung der Zollbinnenlinie mitzuwirken, und auf vertrags-
, mäßige Verpflichtungen, welche die Landesherrschaft nicht blos ihr, sondern
auch der Krone Schweden gegenüber eingegangen sei. In einer Druckschrift,
welche "die rechtliche Stellung Wismar's in der Grenzbezirkfrage" zum Gegen¬
stand hat, wird geradezu behauptet: so lange Wismar seine Zustimmung
noch nicht ertheilt hat, ist die Ausdehnung der Zollvereinsgesetzgebung auf
diese Stadt und ihr Gebiet für dieselbe dem Rechte nach nicht bindend, wenn
sie sich auch thatsächlich derselben unterwirft. Mag nun diese Behauptung
sich als begründet erweisen oder nicht, die rechtliche Stellung einer Stadt,
welche zu solcher Auffassung führen kann, ist unter allen Umständen eine
ganz ungewöhnliche. Dazu kommt^noch ein internationales Rechtsverhältniß
besonderer Art, welches schon bei der Gründung deutscher Kriegshafen und
Marinestationen mehrfach in Frage gekommen ist und die deutsche Presse
wiederholt beschäftigt hat. In diese eigenthümlichen Rechtsverhältnisse wollen
wir im Folgenden einen Einblick zu geben versuchen.

Im Mittelalter war Wismar ein kräftiges Mitglied des Hansabundes,
innerhalb dessen es mit Lübeck, Hamburg, Rostock. Stralsund und Lüneburg
eine engere Verbindung unterhielt. Es waren dies die sogenannten sechs
wendischen Städte. Mit Lübeck und Rostock theilte es im Allgemeinen den
Gang der inneren Verfassungs - und Rechtsentwickelung und die äußere
Politik in Frieden und Krieg. Der Kampf der Zünfte gegen die Geschlechter
wurde in Wismar mit fast noch größerer Erbitterung als in Lübeck und
Rostock geführt. Zwei den Geschlechtern angehörige Rathsmitglieder, der
Bürgermeister Banzkow und der Rathsherr van Harem, von dem Führer
der Zünfte, dem Wollenweber Claus Jesup. des heimlichen Einverständnisses
mit dem Könige von Dänemark, init welchem die verbündeten Städte im
Kriege lagen, angeschuldigt, wurden im Jahre 1427 auf dem Markte zu
Wismar enthauptet.


s*
Die mecklenburgische Mcmdstadt Wismar.

Der Name Wismar ist bei Vollziehung des Anschlusses der Großher-
zogthümer Mecklenburg an den deutschen Zollverein viel genannt worden.
Die Stadt suchte sich mit Aufbietung aller Kraft der ihr zugedachten Ein¬
schließung in den Zollgrenzbezirk zu erwehren und hat auch jetzt, nachdem
ihre Anstrengungen erfolglos geblieben sind und sie durch die Zollbinnenlinie
von dem übrigen Lande abgeschieden worden ist, den Muth und den Willen
nicht aufgegeben, eine Aenderung dieser Maßregel, in welcher sie die größte
Benachtheiligung für ihren Handel und Wohlstand erblickt, herbeizuführen.
Sie beruft sich dabei auf ihre Privilegien, welche ihr das Recht gewährten,
bei der Bestimmung der Zollbinnenlinie mitzuwirken, und auf vertrags-
, mäßige Verpflichtungen, welche die Landesherrschaft nicht blos ihr, sondern
auch der Krone Schweden gegenüber eingegangen sei. In einer Druckschrift,
welche „die rechtliche Stellung Wismar's in der Grenzbezirkfrage" zum Gegen¬
stand hat, wird geradezu behauptet: so lange Wismar seine Zustimmung
noch nicht ertheilt hat, ist die Ausdehnung der Zollvereinsgesetzgebung auf
diese Stadt und ihr Gebiet für dieselbe dem Rechte nach nicht bindend, wenn
sie sich auch thatsächlich derselben unterwirft. Mag nun diese Behauptung
sich als begründet erweisen oder nicht, die rechtliche Stellung einer Stadt,
welche zu solcher Auffassung führen kann, ist unter allen Umständen eine
ganz ungewöhnliche. Dazu kommt^noch ein internationales Rechtsverhältniß
besonderer Art, welches schon bei der Gründung deutscher Kriegshafen und
Marinestationen mehrfach in Frage gekommen ist und die deutsche Presse
wiederholt beschäftigt hat. In diese eigenthümlichen Rechtsverhältnisse wollen
wir im Folgenden einen Einblick zu geben versuchen.

Im Mittelalter war Wismar ein kräftiges Mitglied des Hansabundes,
innerhalb dessen es mit Lübeck, Hamburg, Rostock. Stralsund und Lüneburg
eine engere Verbindung unterhielt. Es waren dies die sogenannten sechs
wendischen Städte. Mit Lübeck und Rostock theilte es im Allgemeinen den
Gang der inneren Verfassungs - und Rechtsentwickelung und die äußere
Politik in Frieden und Krieg. Der Kampf der Zünfte gegen die Geschlechter
wurde in Wismar mit fast noch größerer Erbitterung als in Lübeck und
Rostock geführt. Zwei den Geschlechtern angehörige Rathsmitglieder, der
Bürgermeister Banzkow und der Rathsherr van Harem, von dem Führer
der Zünfte, dem Wollenweber Claus Jesup. des heimlichen Einverständnisses
mit dem Könige von Dänemark, init welchem die verbündeten Städte im
Kriege lagen, angeschuldigt, wurden im Jahre 1427 auf dem Markte zu
Wismar enthauptet.


s*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0029" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/287301"/>
          </div>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Die mecklenburgische Mcmdstadt Wismar.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_46"> Der Name Wismar ist bei Vollziehung des Anschlusses der Großher-<lb/>
zogthümer Mecklenburg an den deutschen Zollverein viel genannt worden.<lb/>
Die Stadt suchte sich mit Aufbietung aller Kraft der ihr zugedachten Ein¬<lb/>
schließung in den Zollgrenzbezirk zu erwehren und hat auch jetzt, nachdem<lb/>
ihre Anstrengungen erfolglos geblieben sind und sie durch die Zollbinnenlinie<lb/>
von dem übrigen Lande abgeschieden worden ist, den Muth und den Willen<lb/>
nicht aufgegeben, eine Aenderung dieser Maßregel, in welcher sie die größte<lb/>
Benachtheiligung für ihren Handel und Wohlstand erblickt, herbeizuführen.<lb/>
Sie beruft sich dabei auf ihre Privilegien, welche ihr das Recht gewährten,<lb/>
bei der Bestimmung der Zollbinnenlinie mitzuwirken, und auf vertrags-<lb/>
, mäßige Verpflichtungen, welche die Landesherrschaft nicht blos ihr, sondern<lb/>
auch der Krone Schweden gegenüber eingegangen sei. In einer Druckschrift,<lb/>
welche &#x201E;die rechtliche Stellung Wismar's in der Grenzbezirkfrage" zum Gegen¬<lb/>
stand hat, wird geradezu behauptet: so lange Wismar seine Zustimmung<lb/>
noch nicht ertheilt hat, ist die Ausdehnung der Zollvereinsgesetzgebung auf<lb/>
diese Stadt und ihr Gebiet für dieselbe dem Rechte nach nicht bindend, wenn<lb/>
sie sich auch thatsächlich derselben unterwirft. Mag nun diese Behauptung<lb/>
sich als begründet erweisen oder nicht, die rechtliche Stellung einer Stadt,<lb/>
welche zu solcher Auffassung führen kann, ist unter allen Umständen eine<lb/>
ganz ungewöhnliche. Dazu kommt^noch ein internationales Rechtsverhältniß<lb/>
besonderer Art, welches schon bei der Gründung deutscher Kriegshafen und<lb/>
Marinestationen mehrfach in Frage gekommen ist und die deutsche Presse<lb/>
wiederholt beschäftigt hat. In diese eigenthümlichen Rechtsverhältnisse wollen<lb/>
wir im Folgenden einen Einblick zu geben versuchen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_47"> Im Mittelalter war Wismar ein kräftiges Mitglied des Hansabundes,<lb/>
innerhalb dessen es mit Lübeck, Hamburg, Rostock. Stralsund und Lüneburg<lb/>
eine engere Verbindung unterhielt. Es waren dies die sogenannten sechs<lb/>
wendischen Städte. Mit Lübeck und Rostock theilte es im Allgemeinen den<lb/>
Gang der inneren Verfassungs - und Rechtsentwickelung und die äußere<lb/>
Politik in Frieden und Krieg. Der Kampf der Zünfte gegen die Geschlechter<lb/>
wurde in Wismar mit fast noch größerer Erbitterung als in Lübeck und<lb/>
Rostock geführt. Zwei den Geschlechtern angehörige Rathsmitglieder, der<lb/>
Bürgermeister Banzkow und der Rathsherr van Harem, von dem Führer<lb/>
der Zünfte, dem Wollenweber Claus Jesup. des heimlichen Einverständnisses<lb/>
mit dem Könige von Dänemark, init welchem die verbündeten Städte im<lb/>
Kriege lagen, angeschuldigt, wurden im Jahre 1427 auf dem Markte zu<lb/>
Wismar enthauptet.</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> s*</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0029] Die mecklenburgische Mcmdstadt Wismar. Der Name Wismar ist bei Vollziehung des Anschlusses der Großher- zogthümer Mecklenburg an den deutschen Zollverein viel genannt worden. Die Stadt suchte sich mit Aufbietung aller Kraft der ihr zugedachten Ein¬ schließung in den Zollgrenzbezirk zu erwehren und hat auch jetzt, nachdem ihre Anstrengungen erfolglos geblieben sind und sie durch die Zollbinnenlinie von dem übrigen Lande abgeschieden worden ist, den Muth und den Willen nicht aufgegeben, eine Aenderung dieser Maßregel, in welcher sie die größte Benachtheiligung für ihren Handel und Wohlstand erblickt, herbeizuführen. Sie beruft sich dabei auf ihre Privilegien, welche ihr das Recht gewährten, bei der Bestimmung der Zollbinnenlinie mitzuwirken, und auf vertrags- , mäßige Verpflichtungen, welche die Landesherrschaft nicht blos ihr, sondern auch der Krone Schweden gegenüber eingegangen sei. In einer Druckschrift, welche „die rechtliche Stellung Wismar's in der Grenzbezirkfrage" zum Gegen¬ stand hat, wird geradezu behauptet: so lange Wismar seine Zustimmung noch nicht ertheilt hat, ist die Ausdehnung der Zollvereinsgesetzgebung auf diese Stadt und ihr Gebiet für dieselbe dem Rechte nach nicht bindend, wenn sie sich auch thatsächlich derselben unterwirft. Mag nun diese Behauptung sich als begründet erweisen oder nicht, die rechtliche Stellung einer Stadt, welche zu solcher Auffassung führen kann, ist unter allen Umständen eine ganz ungewöhnliche. Dazu kommt^noch ein internationales Rechtsverhältniß besonderer Art, welches schon bei der Gründung deutscher Kriegshafen und Marinestationen mehrfach in Frage gekommen ist und die deutsche Presse wiederholt beschäftigt hat. In diese eigenthümlichen Rechtsverhältnisse wollen wir im Folgenden einen Einblick zu geben versuchen. Im Mittelalter war Wismar ein kräftiges Mitglied des Hansabundes, innerhalb dessen es mit Lübeck, Hamburg, Rostock. Stralsund und Lüneburg eine engere Verbindung unterhielt. Es waren dies die sogenannten sechs wendischen Städte. Mit Lübeck und Rostock theilte es im Allgemeinen den Gang der inneren Verfassungs - und Rechtsentwickelung und die äußere Politik in Frieden und Krieg. Der Kampf der Zünfte gegen die Geschlechter wurde in Wismar mit fast noch größerer Erbitterung als in Lübeck und Rostock geführt. Zwei den Geschlechtern angehörige Rathsmitglieder, der Bürgermeister Banzkow und der Rathsherr van Harem, von dem Führer der Zünfte, dem Wollenweber Claus Jesup. des heimlichen Einverständnisses mit dem Könige von Dänemark, init welchem die verbündeten Städte im Kriege lagen, angeschuldigt, wurden im Jahre 1427 auf dem Markte zu Wismar enthauptet. s*

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_287271
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_287271/29
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_287271/29>, abgerufen am 05.02.2025.