Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band.reich unserer Zeit die wissenschaftliche Beschäftigung mit antiker Vergangenheit Daß der Leser von einem unserer ersten Archäologen in leichtfaßlicher und Der erste Aufsatz: "Bedeutung und Stellung der Alterthumsstudien in reich unserer Zeit die wissenschaftliche Beschäftigung mit antiker Vergangenheit Daß der Leser von einem unserer ersten Archäologen in leichtfaßlicher und Der erste Aufsatz: „Bedeutung und Stellung der Alterthumsstudien in <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0264" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/287536"/> <p xml:id="ID_686" prev="#ID_685"> reich unserer Zeit die wissenschaftliche Beschäftigung mit antiker Vergangenheit<lb/> war, werden auch neueste Fortschritte unserer Alterthumswissenschaft deutlich.<lb/> Dadurch wird dem Laien ein Einblick eröffnet in die stille Werkstatt des Ge¬<lb/> lehrten, er lernt die hingebende Arbeit desselben an Einzelheiten kennen und<lb/> begreift, daß auch scheinbar Unbedeutendes, das aus dem Schutt des<lb/> Alterthums mühsam hervorgeholt wird und vielleicht lange fast nutzlos zur<lb/> Seite liegt, plötzlich als Glied in eine lange Kette von Beobachtungen ein¬<lb/> gereiht, uns das Verständniß großer Ideen heranzieht.</p><lb/> <p xml:id="ID_687"> Daß der Leser von einem unserer ersten Archäologen in leichtfaßlicher und<lb/> klarer Darstellung zum Vertrauten gemacht wird bei gelehrter Arbeit, daß ihm<lb/> nicht nur die Resultate gegeben werden, sondern vor Allem die Wege gezeigt,<lb/> auf denen die Wissenschaft Resultate gewinnt, das scheint uns ein Hauptvorzug<lb/> des Buches. Denn die beste Kunst eines populären Werkes ist, den Leser<lb/> nicht als Schüler, sondern als Freund zu behandeln.</p><lb/> <p xml:id="ID_688" next="#ID_689"> Der erste Aufsatz: „Bedeutung und Stellung der Alterthumsstudien in<lb/> Deutschland" ist einführender Prolog, er enthält in großen Zügen die Ge¬<lb/> schichte unserer classischen Philologie von dem ersten Beginn der Renaissance,<lb/> charakterisirt ihre Fortschritte, bezeichnet ihren Gewinn und ihre Aufgabe in<lb/> der Gegenwart und den Werth, welchen sie für die moderne nationale Bil¬<lb/> dung hat. In den folgenden Abschnitten: „Eine antike Dorfgeschichte" und<lb/> „Novelletten ans Apulejus" ist diejenige poetische Kunstform behandelt, welche<lb/> dem modernen Dichterschaffen am meisten entspricht. Novelle und Roman des<lb/> Alterthums. Gern würden wir hier außer den literarhistorischen Einleitungen,<lb/> welche Schriftsteller des antiken Romans charakterisiren. und außer den Ueber¬<lb/> setzungen aus dem Jäger des Dio Chrysostomus und dem goldenen Esel des<lb/> Apulejus noch eine Hinweisung darauf lesen, wie sehr die Romane, welche uns<lb/> aus der letzten Zeit der Antike überliefert sind, bis fast zur Gegenwart auf<lb/> Form und Inhalt unserer Nomanliteratur eingewirkt haben. Freilich ist solcher<lb/> Bericht nicht vorzugsweise Sache des Philologen, und wir entbehren zur Zeit<lb/> überhaupt noch eine genügende Geschichte des Romans. Es ist aber gewiß<lb/> merkwürdig, daß der Roman von Sophron und Petronius bis zu Walter<lb/> Scott fast zwei Jahrtausende brauchte, ehe er das innere Recht gewann, als<lb/> Kunstgattung seinem älteren Bruder, dem Epos, ebenbürtig an die Seite zu<lb/> treten. Denn erst Walter Scott fand für ihn künstlerische Gestaltung, d. h. ein¬<lb/> heitliche poetische Idee, welche gesetzlich gegliedert den gesammten Inhalt zu einem<lb/> festen, wohlgemessenen Kunstbau zusammenschließt. Bis dahin liefen die bei¬<lb/> den antiken Formen des Romans, der Abenteurerroman und der Schäfer¬<lb/> roman, beide mit lockerem Zusammenhange in den Einzelnheiten der Hand¬<lb/> lung, neben einander her, oft in einander über. Noch Göthe folgte in dem<lb/> Roman „Wilhelm Meister" mit höchster Grazie der Methode antiker Aben-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0264]
reich unserer Zeit die wissenschaftliche Beschäftigung mit antiker Vergangenheit
war, werden auch neueste Fortschritte unserer Alterthumswissenschaft deutlich.
Dadurch wird dem Laien ein Einblick eröffnet in die stille Werkstatt des Ge¬
lehrten, er lernt die hingebende Arbeit desselben an Einzelheiten kennen und
begreift, daß auch scheinbar Unbedeutendes, das aus dem Schutt des
Alterthums mühsam hervorgeholt wird und vielleicht lange fast nutzlos zur
Seite liegt, plötzlich als Glied in eine lange Kette von Beobachtungen ein¬
gereiht, uns das Verständniß großer Ideen heranzieht.
Daß der Leser von einem unserer ersten Archäologen in leichtfaßlicher und
klarer Darstellung zum Vertrauten gemacht wird bei gelehrter Arbeit, daß ihm
nicht nur die Resultate gegeben werden, sondern vor Allem die Wege gezeigt,
auf denen die Wissenschaft Resultate gewinnt, das scheint uns ein Hauptvorzug
des Buches. Denn die beste Kunst eines populären Werkes ist, den Leser
nicht als Schüler, sondern als Freund zu behandeln.
Der erste Aufsatz: „Bedeutung und Stellung der Alterthumsstudien in
Deutschland" ist einführender Prolog, er enthält in großen Zügen die Ge¬
schichte unserer classischen Philologie von dem ersten Beginn der Renaissance,
charakterisirt ihre Fortschritte, bezeichnet ihren Gewinn und ihre Aufgabe in
der Gegenwart und den Werth, welchen sie für die moderne nationale Bil¬
dung hat. In den folgenden Abschnitten: „Eine antike Dorfgeschichte" und
„Novelletten ans Apulejus" ist diejenige poetische Kunstform behandelt, welche
dem modernen Dichterschaffen am meisten entspricht. Novelle und Roman des
Alterthums. Gern würden wir hier außer den literarhistorischen Einleitungen,
welche Schriftsteller des antiken Romans charakterisiren. und außer den Ueber¬
setzungen aus dem Jäger des Dio Chrysostomus und dem goldenen Esel des
Apulejus noch eine Hinweisung darauf lesen, wie sehr die Romane, welche uns
aus der letzten Zeit der Antike überliefert sind, bis fast zur Gegenwart auf
Form und Inhalt unserer Nomanliteratur eingewirkt haben. Freilich ist solcher
Bericht nicht vorzugsweise Sache des Philologen, und wir entbehren zur Zeit
überhaupt noch eine genügende Geschichte des Romans. Es ist aber gewiß
merkwürdig, daß der Roman von Sophron und Petronius bis zu Walter
Scott fast zwei Jahrtausende brauchte, ehe er das innere Recht gewann, als
Kunstgattung seinem älteren Bruder, dem Epos, ebenbürtig an die Seite zu
treten. Denn erst Walter Scott fand für ihn künstlerische Gestaltung, d. h. ein¬
heitliche poetische Idee, welche gesetzlich gegliedert den gesammten Inhalt zu einem
festen, wohlgemessenen Kunstbau zusammenschließt. Bis dahin liefen die bei¬
den antiken Formen des Romans, der Abenteurerroman und der Schäfer¬
roman, beide mit lockerem Zusammenhange in den Einzelnheiten der Hand¬
lung, neben einander her, oft in einander über. Noch Göthe folgte in dem
Roman „Wilhelm Meister" mit höchster Grazie der Methode antiker Aben-
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